17. Konstantin an Hippolyt.

[95] Paris, den 29. Juli.


Ich hoffe nicht, daß mir die Zeitungen vorausfliegen; wenigstens werden sie Euch nicht sagen können, wie gut mir's in der hiesigen Schlacht geht. Sattle Dein Roß und fliege her, wir machen Freiheit hier. Vorgestern ist er losgegangen in den Straßen von Paris, der hochrote blutige Kampf eines Volkes um sein Recht, die dunkeln Schatten der Jakobiner schreiten vor der neuen Jugend einher, die alten Freiheitslieder flattern wie Sturmvögel über den Plätzen, mein Herz ist fast zersprungen vor Freude, so zur rechten Zeit gekommen zu sein, und meinen grimmigen Haß gegen alles weltgeschichtliche Unrecht ausbaden zu können in schlechtem Söldnerblute. Ich habe gefochten wie ein Rasender. Gestern stand ich am Fenster des Zimmers, wo die Deputierten zusammenkamen – der alte Student der Revolutionen, das bemooste Haupt auf dem Fechtboden der Völker, Lafayette, sagte uns, was wir taten. Die Deputierten sprachen verwirrt von Emeuten, Revolten usw. – Da stand der unsterbliche alte Knabe, dessen Herz noch im Sarge schlagen wird, auf, und sagte mit seinem gewöhnlichen welthistorischen Lächeln: Meine Herren, das ist keine Revolte, das ist eine Revolution. – Wie ein Kanonenschuß donnerte das Wort durch Paris; er, der alle Vorlesungen der revolutionären Professoren besucht hatte, er mußte es wissen, wie das Kollegium hieß. Nun ist der Name da und nun läßt sich Paris totschlagen, bis dieser Name von allen Türmen flaggt. Heiß brennt die Julisonne und saugt gierig das Blut auf, heiß schlagen die Herzen, wir haben eben das Stadthaus wieder gewonnen, das Haus, wo die ehernen Männer der neunziger Jahre saßen; in einem Winkel desselben schreib' ich Dir; an dem Fenster, wo ich sitze, stürzten sich einst die Männer des Thermidor hinunter. Hurra, Freund, von hier geh' ich,[96] um die letzten Schergen des dummen Herrschers aus dem Louvre vertreiben zu helfen, neben mir regiert Lafayette, und seine Arme, die Hunderttausende des Volks, geben dem alten morschen Thron der Bourbonen, dem Thron der herkömmlichen Bevorzugung, den letzten Stoß; morgen machen wir eine Regierung, eine lustige Republik. – O großer Gott, seit Jahren dank ich dir heut zum ersten Male für deine Welt, ja sie ist schön; der alte Unflat wird unter die Füße getreten, die Menschenrechte schreien durch die Gassen, und alle Welt hört sie; das Herrschen und Beherrschtwerden hört auf – frage den Valer, ob er Präsident werden will, ich werd' ihm meine Stimme geben. Du taugst nichts dazu, Du bist zu monarchisch gewachsen und geartet. Schreibt mir, schreibt mir, was das erschrockene Schlesien sagt – könnt' ich die zertretenen dummen Fratzen Eurer Aristokratie in diesem Augenblicke sehen, mein Glück reichte bis an den Himmel. Eine Schmarre in der Wange ausgenommen bin ich noch heiler Haut – hätt' ich tausend Leben, ich stürbe tausendmal für die Freiheit. Holla die Trommeln – die Trommeln, es geht zum Louvre gegen die Schweizer. Gott behüte Euch; fall' ich, so beneidet mich, ich bin im Rausche gefallen. –

Quelle:
Heinrich Laube: Das junge Europa, in: Heinrich Laubes gesammelte Werke in fünfzig Bänden, 3 Bände, Band 1, Leipzig 1908, S. 95-97.
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