5. Auftritt

[41] Vorige. Bernhardy.


BERNHARDY von links. Nun, Fräulein Krüger, wieder das Notizbuch zur Hand?

JOSEPHINE. Wer es ernst mit seiner Kunst meint, wie ich, läßt sich so kostbare Gelegenheiten, aus dem ewig sprudelnden Quell des Lebens zu schöpfen, nicht entgehen. Sie gestatten mir wohl, die Herren miteinander bekannt zu machen. Herr Klapproth – Herr Fritz Bernhardy, unser berühmter Löwenjäger!

KLAPPROTH beiseite. Löwenjäger? Nun kann's aber fidel werden. Reibt sich die Hände.

JOSEPHINE. Mich entschuldigen die Herren wohl, aber ich fühle mich[41] geistig so angeregt, daß ich mir erst einige Kapitel von der Seele schreiben muß. O, ich weiß, wie ich beginne. Pathetisch. Und die Bäume rauschten auf dem Meeresgrund und die Sterne plätscherten am Firmament. Ab rechts hinten.

BERNHARDY. Wohnen Sie vielleicht auch hier?

KLAPPROTH mit Grimasse. Das gerade nicht, ich bin nur vorübergehend hier.

BERNHARDY. So, so! Ich muß gestehen, daß man hier vorzüglich aufgehoben ist. Freilich, ein Mensch, der, wie ich, fast immer auf Reisen ist, und sich eine Nacht im Hotel ersten Ranges befindet, ausgestattet mit allem Komfort der Welt, und die anderen Nächte wieder teils unter freiem Himmel an einem Indianer-Lagerfeuer oder in einem Araberzelt oder einer schmierigen Karawanserei und wie die verschiedenen Wohn- und Schlafstätten der Menschen alle heißen mögen, der nimmt es nicht so genau.

KLAPPROTH beiseite. Das ist ein großartiger Kerl! Laut. Sie bereisen wohl die ganze Welt?

BERNHARDY. So ziemlich. Es gibt wohl wenige der uns bekannten Länder und Erdteile, die ich noch nicht gesehen, oder Völkerschaften, mit denen ich noch nicht verkehrt habe. Im Ural habe ich Bären gejagt, in China das große Drachenfest mitgemacht, in Australien die Diamentfelder besucht, in Kalifornien einmal nach Gold gebuddelt, mit einem Walfischfänger mich in der Hudsons-Bay herumgetrieben, am Nil Alligatoren geschossen und in Indien einer Witwen-Verbrennung beigewohnt. Sie glauben wahrscheinlich, ich schwindele Ihnen etwas vor?

KLAPPROTH. Aber ich bitte Sie! Beiseite. Hat der Mensch eine Räuberphantasie! Wahrscheinlich zu viel Reisebeschreibungen[42] gelesen und dabei übergeschnappt. Laut. Sie glauben gar nicht, wie mich Ihre Schilderungen interessieren.

BERNHARDY freundlicher werdend, ihm die Hand schüttelnd. Das freut mich außerordentlich, denn sehen Sie, bei meinen Bekannten finde ich so gar kein Interesse für meine Passionen, die zucken einfach die Achseln und nennen mich hinter meinem Rücken einen verrückten Kerl. Wie beschränkt doch diese Menschen oft sind. –

KLAPPROTH. Ja, 's ist unerhört! Was könnte es wohl Schöneres geben, als die Welt zu sehen.

BERNHARDY. Immer unterwegs, bald im Süden, bald im Norden heute in Indien –

KLAPPROTH. Morgen Afrika – oder Mecklenburg.

BERNHARDY lachend. Ganz so schnell geht das freilich nicht. Aber ich sehe mit Entzücken, daß Sie gerade so ein passionierter Weltbummler wären wie ich. Warum um Himmels willen besuchen Sie nicht die fernen Länder?

KLAPPROTH. Warum? Ja, das weiß ich eigentlich selbst nicht. Mir fehlte wahrscheinlich die passende Gelegenheit, die Anregung.

BERNHARDY. Wissen Sie was? Wir reifen zusammen. Einen Gefährten wie Sie, habe ich mir schon immer gewünscht.

KLAPPROTH beiseite. Nur keinen Widerspruch, sonst werden solche Kranken sehr eklig.

BERNHARDY. Ueberlegen Sie nicht lange. Schlagen Sie ein![43]

KLAPPROTH. Topp!

BERNHARDY. Abgemacht! Ich lasse jetzt schnell einige Flaschen kalt stellen, und dabei entwerfen wir unseren Reiseplan. Donnerwetter, das soll ein Leben werden! – Ader ich bitte, nicht wahr, Sie lassen vorläufig noch nichts über unser Projekt verlauten, der gute Schöller ist nämlich immer darauf aus, seine Gäste so lange wie nur möglich an sein Haus zu fesseln und wäre sicher sehr verstimmt, wenn er hörte, das ich schon so bald wieder fort will.

KLAPPROTH beiseite. Das glaube ich.

BERNHARDY. Er wird's ja noch früh genug erfahren. – Ich bestelle den Champagner! Ab links hinten.

KLAPPROTH mitleidig nachblickend. Schade! Wirklich jammerschade! So ein hübscher, netter, patenter, junger Mann, und in einer solchen Anstalt. – Aber man sieht wieder einmal, wie gemütlich, ich möchte sagen liebenswürdig solche Menschen sind, wenn man ihnen nicht widerspricht, sondern sie ruhig bei ihren fixen Ideen läßt. – Jetzt schmiedet der arme Teufel gewiß die haarsträubensten Reiseprojekte und bildet sich ein, wir zwei beide jondelten los nach Timbuktu, oder was weiß ich alles.


Quelle:
Carl Laufs: Pension Schöller. Berlin 11[o.J.], S. 41-44.
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