[1] Dem Hochwürdigsten des Heil. Röm. Reichs Fürsten/Herrn/ Herrn Emmerich/ Bischoffenzu Wienn/ u. der Röm. Käyserl. Majestät Würcklich-Geheimen Raht/etc. Meinem Gnädigsten Fürsten und Herrn.
Hochwürdigster Fürst/ Gnädigster Herr!
Es schreibt der H. Gregor. Nazianzen. Or. 2. in Jul. & ibid. Nizet. Setr. in scholiis aus dem Ovidio 6 fast. daß Minerva, die Göttin der Weißheit/[2] und Erfinderin deren Flöten wegen unvergleichlich-schöner Leibs-Gestalt manche Augen in Verwunderung setzend'/ unter ihren fürnehmsten Gemühts-Erquickungen ein Flötlein gehabt, mit welchem/ weilen sie dasselbige sehr lieblich und künstlich zu spielen wußte/ viel Zeit zugebracht. Als sie aber einst bey einem klaren Brunnen niedergesessen/ von dem Geschwätz des so anmühtig-fliessenden Crystalls gereitzt/ das Flötlein hervorgezogen/ und in den Brunnen fürwitzig hinein schauend zu spielen angefangen/mithin aber wider alles Verhoffen mit höchster Bestürtz- und Verwunderung sehen müssen/ wie daß ihre zuvor so holdselige Gestalt in eine verdrießliche Heßlichkeit verendert/ habe sie/ sehr übel zufrieden/das Flötlein/ welchem sie wegen vielfältigen Spielens die Haupt-Ursach zugemessen/ auff die Erdenge worffen/ und mit Füssen trettend/ auff ewig beurlaubet.
Das Widerspiel/ Hochwürdigster Fürst/ Gnädigster Herr/ hat sich mit meiner Clorinda zugetragen/ massen sie zuvor sehr heßlich/ und ungestaltet/ durch embsiges Spielen aber eines Flötleins dermassen schön/ wohlgestaltet/ und holdselig worden/ daß sie auch so gar die Himmlische Augen in Verwunderung[3] gezogen/ und zwar also/ daß wegen ihres lieblichen Spielens/ und daraus folgender schönen Gestalt der Himmlische Bräutigamm selbst in sie verliebt/ gesprochen: Deine Stimm ist süß/ und deine Gestalt ist schön/ Cant. 2 v. 14. Dahero sie dann das Flötlein/durch welches sie so hoch beglücket worden/ billich biß an ihr Lebens-Ende in höchstem Werth gehalten.
Durch meine Clorinda/ Hochwürdigster Fürst/ verstehe ich die von dem Sünden-Unraht/ vermittelst der wahren Christlichen Buß/ zu GOTT sich bekehrende Seel: durch das Flötlein aber die Buß selbst; massen dieselbige einen so lieblichen Thon von sich gibt/ daß auch der gantze Himmel sich darab erfreuet/ wie solches Christus der Himmlische Hirt selber/ Luc. am 15. vers. 7. weitläuffig/ und unter andern also bezeuget: Ich sage euch/ also wird auch Freud im Himmel seyn über einen Sünder/ der Buß thut/ vor neun und neuntzig Gerechten/ welche der Buß nicht bedörffen.
Daß aber Ihro Hoch-Fürstl. Gn. ich dieses Buß- Flötlein underthänigst zuzueignen[4] mich vefreche/ hat mich nicht allein meine demühtigste Zuversicht/ sondern/ und bevoraus die erheischende Billichkeit darzu genöhtiget; in Bedenckung/ daß einem so höchst-eyferigen Seelen-Hirten/ welcher nicht nur durch den Hertz-durchdringenden Klang seiner kräfftigsten Worten/ sondern/ und hauptsächlich durch die in dem Seraphischen Buß-Stand erbauliche Werck/ sich dieses Buß-Flötlein stäts/ und eyferigst gebraucht/eigenthummlich zustehe. Gelebe derohalben der underthänigsten Zuversicht/ ich werde auff dem geraden Fuß-Weg meines auffrichtigen Beginnens gar nicht irr gegangen seyn/ indem ich meinem von sich selbst Thon-losen Flötlein einen so geistreichen Anstimmer/und meiner nach der Vollkommenheit trachtenden Clorinda einen so fürtrefflichen Lehr-Meister werde auserkiesen haben; welcher Zweiffels- ohne dieses auff der Erden der Demuht ligende Flötlein nicht mit Minerva zertretten/ sondern viel mehr sammt der in der Sünden-Wildnüß irr-gegangenen Schäfferin/ oder (besser zu sagen) Schäfflein/ nach dem Beyspiel des Guten Hirtens/ von der Erden ihrer Nichtigkeit auff die liebreiche Schultern dero Hoch-Fürstlichen Gnaden[5] gnädigst auff- und annemmen wird; Welches dann meiner angewendten Mühe/ und Arbeit/ nächst Göttlicher Ehr/ und Seelen-Heyl/ eine zwar unverdiente/ jedoch höchstbegnügende Belohnung und Krönung meiner Zuversicht seyn wird.
Ihro Hoch-Fürstl. Gn.
Demühtigst-Underthänigster
in Christo Diener
F. Laurentius,
Capuc. indign.