Dritte Szene

[144] In Naumburg.

Prinz Tandi, Wilhelmine, sitzend bei einander auf dem Kanapee.


PRINZ. Wollen Sie mir's denn nicht sagen, für wen Sie sich heut so geputzt haben?

WILHELMINE. Ich sag Ihnen ja, für meinen Vater.

PRINZ. Schelm! Du weißt ja, dein Vater wirft kein Auge drauf. Ja wenn du ein Seidenwürmchen wärst.

WILHELMINE. Denk doch! halten Sie's der Mühe nicht wert, ein Auge auf mich zu werfen?

PRINZ. Nein.

WILHELMINE. Ich bedanke mich.

PRINZ. Man muß sein ganzes Ich auf dich werfen.

WILHELMINE hält ihm den Mund. Wo du mir noch einmal so redst, so sag ich – Du bist verliebt in mich, und du hast mir so oft gesagt, die Verliebten sein nicht gescheit.

PRINZ. Ich bin aber gescheit. Ich hab's Ihnen doch noch nie gesagt, daß ich verliebt in Sie bin.

WILHELMINE. Nie gesagt? – – – Ha ha ha! armer unglücklicher Mann! nie gesagt? als nur ein halb wenig gestorben überm Sagen? o du gewaltiger Ritter.

PRINZ. Nie gesagt, mein klein Minchen! es müßte denn heute nacht gewesen sein.

WILHELMINE hastig. Wenn Sie mir noch einmal so reden – so werd ich böse.

PRINZ. Und was denn? haben die Müh, wieder gut zu werden.

WILHELMINE. Lasse mich scheiden.

PRINZ. Warum nicht? Du dich scheiden – kleine Närrin! da wärst du tot.

WILHELMINE. Was Sie doch nicht für eine wundergroße Meinung von sich haben? Und Sie hingen sich auf, wenn ich's täte.[144]

PRINZ. O pfui pfui! nichts mehr von solchen Sachen. Lieber will ich doch gestehen, daß ich verliebt in dich bin.

WILHELMINE. Närrchen, der kleine glänzende Tropfen da an deinem Augenlid hat mir's lang gestanden.

PRINZ. So sei es denn gesagt.


Drückt ihre Hand an seine Augen.


WILHELMINE. So sei es denn beantwortet. Küßt ihn.


Herr von Zopf tritt herein. Sie stehen auf.


HERR VON ZOPF im Reisekleid. Gehorsamer Diener, Fräulein Minchen! ei wie so hübsch groß geworden sint der Zeit ich Sie zum letztenmal gesehen. Sie kennen mich gewiß nicht, ich heiße Zopf.

WILHELMINE macht einen tiefen Knicks. Es ist uns sehr angenehm – meine Eltern haben mir oft gesagt –

HERR VON ZOPF. Der Herr Vater nicht zu Hause? Ihre Eltern werden nicht sehr zufrieden mit mir sein, aber sie haben's nicht mehr Ursache. Ich bring Ihnen und Ihren Eltern eine angenehme Nachricht. Zu Tandi. Nicht wahr, Sie sind der Prinz Tandi aus Cumba? man hat mir's wenigstens in Dresden gesagt, daß Sie mit Herr von Biederling die Reise hieher gemacht. Es hätte sich nicht wunderlicher fügen können, freuen Sie sich mit uns allen, Sie sind in Ihres Vaters Hause.

PRINZ. Was?

WILHELMINE. Was?

HERR VON ZOPF. Umarmen Sie sich. Sie sind Bruder und Schwester.


Wilhelmine fällt auf den Sofa zurück. Tandi bleibt bleich mit niederhangendem Haupte stehen.


HERR VON ZOPF. Nun wie ist's? haben Sie mir keinen Dank? macht's Ihnen keine Freude? Sie können sich drauf verlassen, ich sag Ihnen, ich hab eben den Brief vom General der Jesuiten erhalten und mich gleich aufgesetzt, Ihnen die fröhliche Zeitung zu bringen. Sie sind Geschwister, das ist sicher.


[145] Tandi will gehen. Wilhelmine springt auf und ihm um den Hals.


WILHELMINE. Wo willst du hin?

PRINZ. Laß mich!

WILHELMINE. Nein, nimmer, bis in den Tod.


Tandi macht sich los von ihr. Sie fällt in Ohnmacht.


HERR VON ZOPF nachdem er sie ermuntert hat. Ich sehe wohl, Fräulein! hier muß etwas vorgefallen sein –

WILHELMINE erwacht. Wo ist er, ich will mit ihm sterben –

HERR VON ZOPF. Haben Sie sich etwa liebgewonnen? Es ist ja nur ein Tausch. Lieben Sie ihn jetzt als Ihren Bruder.

WILHELMINE stößt ihn mit dem Fuß. Fort Scheusal! fort! Wir sind Mann und Frau miteinander. Du sollst mir den Tod geben oder ihn.

HERR VON ZOPF. Gott im Himmel, was höre ich!

WILHELMINE reißt ihm den Dolch von der Seite und setzt ihn ihm auf die Brust. Schaff mir meinen Mann wieder. Schmeißt den Dolch weg. Behalt deinen verfluchten Tausch für dich – Nimmt ihn wieder auf. Ach oder durchstoße mich! Du hast mir das Herz schon durchbohrt, unmenschlicher Mann! es wird dir nicht schwer werden.

HERR VON ZOPF. Unter welchem unglücklichen Planeten muß ich geboren sein, daß alle meine Dienstleistungen zu nichts als Jammer ausschlagen! Ich möcht es verreden und verwünschen, meinem Nächsten zu dienen; noch in meinem ganzen Leben ist mir's nicht gelungen, einem guten Freunde was zu gut zu tun, allemal wenn mir etwas einschlug und ich glaubte ihn glücklich zu machen, so ward mir der Ausgang vergiftet und ich hatte ihn unglücklich gemacht. Es tut mir von Herzen leid, Gott weiß es –[146]


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 144-147.
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