Vierte Szene

[302] SERAPHINE. Was gibt's Strephon? ich glaube, Sie überhören Ihre Rolle schon.

STREPHON steckt ein. Nein Donna, ich spiele nicht mit – ich habe zu lange zugesehen – ja doch ich spiele mit. Meine Rolle soll Ihnen Vergnügen machen. Ich mache den Sohn der Lenclos.

SERAPHINE. Ich bin so begierig auf das Stück als auf die Aufführung. Die Marquisin Chateauneuf gleichfalls, ich versichere Sie. Und der Marquis La Fare, Sie können sich nicht vorstellen, wie er sich auf Ihr Schauspiel freut.

STREPHON halb die Zähne knirschend. Er gibt Ihnen den Arm zum Ball heut.

SERAPHINE. Er wird gleich kommen und mich abholen. Bin ich Ihnen so recht geputzt, Strephon?


Auf und nieder gehend.


STREPHON halb abgewandt. Diese zuvorkommende Güte stopft mir den Mund. Und doch hab ich nicht weniger Ursache zu klagen.[302]

SERAPHINE. Was murren Sie da für sich? – Auf ihn zugehend. Geschwind Strephon! Sie haben was – Sagen Sie's, eh die Kutsche kommt –

STREPHON mit gebogenem Knie. Ach so viel Güte wohnt nicht in sterblichen Körpern – Ich fühle jetzt, Fräulein! das ganze Gewicht meiner unglückseligen Bestimmung. Leidenschaft genug in der Brust, das Höchste zu wünschen, und doch zu wenig Mut und Kraft, was anders als Ihr Sklave zu sein.

SERAPHINE ein wenig nachdenkend und lächelnd. Ich errate – Wessen Schuld ist es? liegt es nicht an Ihnen allein? –

STREPHON heftig. An mir – ja an mir – ich Elender!

SERAPHINE. Sie waren nicht zum Fidalgo geboren – Sie könnten, wenn Sie wollten –

STREPHON. Reden Sie aus, ich beschwöre Sie –

SERAPHINE. Sie sind in Frankreich, wo man Ihren Ursprung nicht weiß – mein Beutel, meines Bruders Beutel steht Ihnen zu Diensten – Ha der Wagen hält, ich will den Marquis nicht bemühen, heraufzusteigen. Leben Sie wohl Strephon –


Läuft ab.


STREPHON außer sich. Kein Krieg da – keine Gefahr da, der ich um Seraphinens willen trotzen könnte. Nicht einen, tausend Tode zu sterben, wäre mir Wollust, nicht den körperlichen Tod allein, Tod der Ehre, der Freundschaft, der Freude, des Genusses, alles dessen, was Menschen wert sein kann. Wenn ein Abgrund offen stünde vor mir, ich stürzte mich hinab – Und La Fare, La Fare – La Fare, der den Freier macht – der durch mich, durch seine verstellte Freundschaft für mich ihr Herz zu erobern sucht – was ich empfinde, was ich verschweige, ihr vorplaudert, und auf Kosten meiner innern Qualen genießen will – o wie elend – elend bin ich. Und sie selbst, die Furcht, sie zu verlieren, verhindert mich, sie zu gewinnen, mich von ihr zu entfernen und in der schrecklichen Einöde des Hofes mein Glück zu versuchen.[303] – Ha, wenn ich mich ihres Herzens erst versichert habe – und das muß durch meine Ninon geschehen – so will ich die Gewalt sehen, die meine Bemühungen sie zu erhalten aufhalten soll.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 302-304.
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