Zweite Szene


[317] Seraphine tritt herein.


SERAPHINE. Ich komme, Ihnen Glück zu wünschen, Strephon! Sie triumphieren. Sie haben ein Meisterstück gemacht, genießen Sie jetzt mit aller Selbstzufriedenheit, die Ihnen möglich ist, die Früchte desselbigen.

STREPHON. Dieser Ton, Donna? –

SERAPHINE. Kann Ihnen nicht unerwartet sein. Wie gesagt, Ihr Anschlag ist gelungen, alles, was darauf erfolgen kann, müssen Sie vorausgesehen haben, genießen Sie jetzt der einzigen Belohnung aller großen Anschläge, des schmeichelhaften Beifalls Ihres eigenen Herzens.

STREPHON. Vorwürfe? –

SERAPHINE setzt sich. Nein Strephon! dazu bin ich itzt zu kalt geworden. Auch seh ich die ganze Triebfeder Ihrer unverbesserlichen Politik, denn zum Staatsmann sind Sie einmal geboren. Sie waren zu stolz, mich mir zu danken zu haben, Sie wollten mich Ihnen, Ihren eigenen Heldentaten verdanken, Sie spannen, trieben, arbeiteten bei meinem Bruder dahin, daß er seine Hochzeit mit der Marquisin hier in Cadiz vollziehen sollte, um mich an Ihrem Triumphwagen mit nach Cadiz zu schleppen; ein wunderbarer Staatsstreich! Und wir hier, Herr Strephon! hier, wo jedermann Sie kennt, mit Fingern auf[317] Sie weist – oder bilden Sie sich ein, daß, wenn Sie sich ein höheres Maß von Talenten vor einigen Ihrer hiesigen Freunde fühlen, Sie eben darum auch so hoch in der Meinung der Welt über sie herausgerückt sind? Bilden Sie sich ein, daß der Hof urteilen werde wie Ihre Freunde? und Ihnen den Vorzug eines großen Mannes mit eben so vieler Unterwerfung einräumen, als sie tun? Sie haben meinem Bruder gesagt, daß Sie nach Buenretiro gehen wollten, Sie haben ihn um Geld angesprochen; bilden Sie sich ein, daß der Herzog von Aranda zu regieren sei wie mein Bruder? Daß Sie einem ganzen Hofe vielleicht mit einer Komödie die Köpfe umdrehen wollen?

STREPHON. O Donna, der Spott –

SERAPHINE. Sie haben mir weit weher getan. Alles, alles zernichtet, was Liebe und Schwärmerei für Sie unternehmen konnte, und mich, die ich für Sie weiter ging, als je eine meines Geschlechts für den erkenntlichsten Liebhaber getan haben würde.

STREPHON stürzt hin vor ihr.

SERAPHINE. Stehen Sie auf – diese Schauspielerstellungen kommen itzt zu spät. Auch ich bin entschlossen – so fest entschlossen, als eine Sterbliche sein kann – weil Sie allen meinen Wünschen entgegengearbeitet, weil kein ander Mittel zu ergreifen ist – lesen Sie diesen Brief. Legt einen Brief auf den Tisch. Er ist von Don Prado – Strephon nimmt den Brief stumm. Strephon – Sie fällt ihm schluchsend um den Hals; dann plötzlich sich losreißend. Sie haben mich auf ewig verloren. Ab.

STREPHON fällt hin auf einen Stuhl und bleibt eine lange Weile sitzen, ohne sich zu bewegen. Endlich öffnet er das Papier und scheint drin zu lesen, läßt aber bald die Hände auf den Schoß sinken und sagt mit gebrochener Stimme. Auf ewig – Er fällt in Ohnmacht.[318]


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 317-319.
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