Vierte Szene


[320] Don Prado tritt herein.


DON PRADO. Ich komme, Sie tausendmal an mein Herz zu drücken, bester unter allen Freunden, den mir jemals die Vorsicht gab. Sie schenken mir Seraphinen wieder, die ich schon auf ewig verloren glaubte, edler Mann, edelster unter allen Menschen. Umarmt und küßt ihn. Glauben Sie nicht, daß Sie meinem Dank entgehen wollen, einen Wohltäter wie Sie würde ich aufgesucht haben, so weit menschliche Kräfte reichen. Sie sollen bei mir bleiben, Sie sollen Haus und Habe und unser beider Herz teilen, fürtrefflicher junger Mann.

STREPHON fängt an zu weinen.

DON PRADO. O ich fühle sie, ich fühle sie, die Belohnung eines Herzens wie das Ihrige in Tränen wie die sind, Tränen über das Glück eines andern. Umarmt ihn nochmals. Mein vollkommenster Freund.

STREPHON. Ich habe nichts für Sie getan. Die Güte Ihres eignen Herzens wirft einen falschen Schein der Großmut auf das meinige.

DON PRADO. Nichts für mich getan? – Diese Bescheidenheit wird Lästerung – In Seraphinens Herz die Abneigung gegen den Ehestand, die sie allein zu dem Schritt gegen mich vermochte, durch das Beispiel der Ninon mit einemmal nach sieben Jahren herausgewurzelt, einen Liebhaber, mit allen Künsten französischer Galanterie gewaffnet, ihr lächerlich gemacht, ihren Bruder und sie wieder in meine Arme geführt, sie sogar beredet, zu unserer Wiederaussöhnung und Wiedervereinigung den ersten Schritt zu tun –

STREPHON sich an einen Stuhl haltend, im Begriff umzufallen. Das ist zu viel –

DON PRADO. Freilich zu viel für alle meine Erkenntlichkeit. Wenn ich irgend ein seltenes, ein über die gewöhnlichen Wünsche der Sterblichen hinausreichendes Gut[320] hätte, Ihnen zur Belohnung anzubieten. Eine Seraphine müßte ich haben, die Ihnen so teuer wäre wie mir die meinige.

STREPHON fährt auf. Was sagten Sie? – Faßt sich. Mein Herr, Ihre Trunkenheit der Freude leiht meinen Handlungen ein Licht, das ihnen nicht gehört. Wenn Sie wüßten, wie sehr ein nicht verdientes Lob erniedrigt, demütigt, zerknirscht –

DON PRADO. Kommen Sie mit mir, Sie sollen Zeuge von meiner und Alvarez' Freude sein, von der wir beide Sie als die vornehmste Triebfeder ansehn. Wir halten heute abend unsere doppelte Hochzeit, Sie sollen uns in die Kirche, zum Altar begleiten, und Ihre Fürbitte wie die Fürbitte eines Heiligen alle Freuden des Himmels auf unsere beiderseitige Verbindung herabziehn.


Führt Strephon mit einigem Widerstande ab.


STREPHON bei Seite. O unerforschlicher Himmel! Nur daß ich ihnen nicht fluchen darf – – Ab.

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 320-321.
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