Neuntes Kapitel

[185] Die Aufführung gelang vortrefflich, denn wir alle waren gut abgerichtet und alle Ängste und alle Marter gewohnt. Wir machten unsere Sache so gut, wie wenn wir aus Stein wären, so daß niemand sehen konnte, wie uns dabei zumute war.

Wir sahen von der Bühne aus den Grafen und seinen Bruder: sie waren einander sehr ähnlich. Selbst als sie hinter die Kulissen kamen, konnte man sie schwer voneinander unterscheiden. Der unsrige war aber auf einmal ganz still und sanft geworden. So war er immer vor seinen grausamsten Wutausbrüchen.

Wir zittern alle und bekreuzigen uns:

»Herr, errette uns und sei uns gnädig! Wen wird diesmal sein Zorn treffen?«

Wir wußten noch nichts von der verzweifelten Tat Arkaschas; er selbst aber wußte natürlich, daß er keine Gnade zu erwarten hatte und erbleichte, als der Bruder des Grafen ihn anblickte und unserm Grafen etwas zuflüsterte: Ich hatte aber scharfe Ohren und hörte, was er ihm sagte:[185]

»Bruder, ich rate dir, nimm dich vor ihm in acht, wenn er dich rasiert.«

Der Unsrige lächelte nur leise.

Ich glaube, daß auch Arkadij etwas gehört hatte, denn er war außer sich vor Aufregung: als er mich für die letzte Rolle der Herzogin herrichtete, legte er mir, – was ihm sonst nie passierte, – so viel Puder an, daß der Franzose, der Garderobier, sagte:

»Trop beaucoup, trop beaucoup!« Und er nahm mit einem Bürstchen den überschüssigen Fuder von mir ab.

Quelle:
Ljesskow, Nikolai: Der versiegelte Engel und andere Geschichten. München 1922, S. 185-186.
Lizenz:
Kategorien: