Zwölftes Kapitel

[190] Uns beiden standen die Herzen still. Der Pope aber flüstert Arkadij zu:

»Mein Lieber, in den Kasten mit den Kichengewändern werdet ihr ja jetzt nicht mehr kommen können, schlüpfe aber unter das Federbett.«

Und zu mir spricht er:

»Und du, meine Liebe, komm einmal her

Er stellt mich ins Gehäuse der großen Standuhr, sperrte es zu und steckte den Schlüssel in die Tasche. Und dann geht er die Tür aufmachen. Ich höre, daß es viele Menschen sind. Die einen stehen in der Türe, und zweie schauen von außen durchs Fenster herein.

Sieben Mann von den Jägern des Grafen kommen in die Stube; alle haben Mordwaffen und Peitschen in der Hand und Stricke im Gürtel; der achte im langen Wolfspelz und hoher Mütze ist aber der Haushofmeister.[190]

Das Uhrgehäuse, in dem ich stand, war vorne wie ein Gitter durchbrochen und mit altem Tüll bespannt. Durch diesen Tüll konnte ich alles sehen.

Der alte Pope merkt wohl, daß die Sache schlimm steht: er zittert vor dem Haushofmeister, bekreuzigt sich in einemfort und stammelt:

»Ach, meine Lieben, meine Lieben! Ich weiß wohl, was ihr hier sucht, ich stehe vor dem durchlauchtigsten Grafen unschuldig da! Ich bin unschuldig, bei Gott, unschuldig!«

Während er sich aber bekreuzigt, zeigt er immer mit den Fingern über die linke Schulter auf das Uhrgehäuse, in dem ich eingesperrt bin.

Ich bin verloren! – denke ich mir, wie ich diesen Zauber sehe.

Auch der Haushofmeister verstand den Wink und sagte:

»Uns ist alles bekannt. Gib mal den Schlüssel von dieser Uhr her

Der Pope begann wieder mit den Händen zu fuchteln:

»Ach, meine Lieben! Verzeiht, straft mich nicht, ich habe vergessen, wo ich den Schlüssel habe, bei Gott, ich habe es vergessen!«

Und dabei fährt er sich immer mit der Hand über die Tasche.

Der Haushofmeister merkte auch diesen Zauber. Er nahm ihm den Schlüssel aus der Tasche und holte mich aus der Uhr heraus.

»Komm mal heraus, Täubchen,« sagt er mir, »der Täuberich wird sich schon von selbst melden.«[191]

Arkascha meldet sich auch gleich: er wirft das Popenbett von sich und spricht:

»Es ist wohl nichts zu machen, ihr habt gewonnen. Nun könnt ihr mich wieder zurückbringen und den Folterknechten überliefern. Sie aber ist unschuldig: ich habe sie mit Gewalt entführt.«

Dann wendet er sich zum Popen um und spuckt ihm nur ins Gesicht.

Jener aber sagt:

»Meine Lieben, seht ihr, wie er mein Priesteramt und meine Treue beschimpft? Meldet es doch dem durchlauchtigsten Grafen!«

Der Haushofmeister antwortet:

»Hab nur keine Angst: alles wird ihm angerechnet werden!« Und er gibt seinen Leuten den Befehl, mich und Arkadij hinauszuführen.

Wir setzten uns in drei Schlitten: in den vorderen Schlitten kam der gebundene Arkadij mit den Jägern; mich setzte man unter der gleichen Bewachung in den letzten Schlitten, und die Übrigen fuhren in der Mitte.

Als das Volk uns so fahren sah, machte es Platz: alle glaubten, daß es ein Hochzeitszug sei.

Quelle:
Ljesskow, Nikolai: Der versiegelte Engel und andere Geschichten. München 1922, S. 190-192.
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