IV

[157] Sinowij Borissowitsch blieb noch eine Woche auf der Mühle, und seine Frau ergötzte sich diese ganze Zeit allnächtlich bis an den lichten Tag mit Ssergej.

In diesen Nächten wurde im Schlafzimmer Sinowij Borissowitschs gar viel Wein aus dem Keller des Schwiegervaters ausgetrunken, viel Süßes gegessen, viel geküßt[157] und viel mit den schwarzen Locken auf den weichen Kopfkissen gespielt. Die Landstraße ist aber nicht immer so eben wie eine Tischdecke, es gibt auch Löcher und Buckel.

Boris Timofejitsch konnte keinen Schlaf finden. Der Alte irrte in seinem bunten Kattunhemd durch das stille Haus, trat bald an das eine, bald an das andere Fenster und sah plötzlich das rote Hemd Ssergejs langsam den Balken unter dem Fenster der Schwiegertochter hinuntergleiten. Eine schöne Bescherung! Boris Timofejitsch ging in den Hof und packte den Burschen bei den Beinen. Dieser holte zuerst zu einem Schlage aus, überlegte sich aber, daß es zu viel Lärm geben würde.

»Sag einmal,« fragte Boris Timofejitsch, »wo warst du eben, du Dieb?«

»Wo ich war, da bin ich nicht mehr, Boris Timofejitsch,« antwortete Ssergej.

»Hast du bei der Schwiegertochter übernachtet?«

»Das ist meine Sache, Herr, wo ich übernachtet habe. Höre aber auf meine Worte, Boris Timofejitsch: was gewesen ist, läßt sich nicht mehr ändern. Tu wenigstens deinem Kaufmannshause keine Schande an. Sag mir, was willst du jetzt von mir? Was für eine Genugtuung soll ich dir geben?«

»Du sollst, Verruchter, fünfhundert Peitschenschläge bekommen,« antwortete Boris Timofejitsch.

»Die Schuld ist mein, der Wille ist dein,« sagte der Bursche. »Sag, wohin ich dir folgen soll, trinke mein Blut.«

Boris Timofejitsch führte Ssergej in seine gemauerte Vorratskammer und schlug ihn so lange mit der Peitsche,[158] bis sein Arm erlahmte. Ssergej gab keinen Ton von sich, zerkaute aber die Hälfte seines Hemdärmels mit den Zähnen.

Boris Timofejitsch ließ Ssergej in der Kammer liegen, bis sein blutiggeschlagener Rücken verheilen würde, stellte ihm einen irdenen Krug mit Wasser hin, versperrte die Kammer mit einem großen Schloß und schickte nach dem Sohn.

Auch heute noch legt man hundert Werst auf einer russischen Landstraße nicht an einem Tag zurück, Katerina Lwowna kann aber ohne ihren Ssergej auch nicht eine Stunde aushalten. Ihre ganze zügellose Natur kam zum Durchbruch, und sie wurde sehr kühn und entschlossen. Sie erfuhr, wo Ssergej eingesperrt war, sprach mit ihm durch die Eisentüre einige Worte und machte sich auf die Suche nach den Schlüsseln. »Väterchen, laß doch den Ssergej heraus!« wandte sie sich an den Schwiegervater.

Der Alte wurde ganz grün vor Wut. Von seiner sündigen, bisher aber noch immer gehorsamen Schwiegertochter hatte er eine solche Frechheit nicht erwartet.

»Was fällt dir ein?« Und er fiel über Katerina Lwowna mit Schimpfworten her.

»Laß ihn heraus,« bestürmte sie ihn, »ich schwöre dir bei meinem Gewissen, daß es zwischen uns nichts Schlimmes gegeben hat.«

»So, es hat nichts Schlimmes gegeben!« sagt er und knirscht mit den Zähnen. »Was habt ihr dann in den Nächten getrieben? Die Kissen deines Mannes durchgeklopft?«

Sie aber hört gar nicht auf: »Laß ihn heraus!«[159]

»Wenn die Dinge so stehen,« sagt Boris Timofejitsch, »so will ich dir folgendes sagen: wenn dein Mann zurückkommt, werden wir dich, du treulose Frau, im Pferdestalle mit eigenen Händen durchpeitschen. Ihn aber, den Schurken, werde ich gleich morgen ins Zuchthaus schicken.«

So hatte Boris Timofejitsch beschlossen; sein Beschluß wurde aber nicht zur Tat.

Quelle:
Ljesskow, Nikolai: Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten. München 1921, S. 157-160.
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