Kästner, Vermischte Schriften

[249] Vermischte Schriften von Abraham Gotthelf Kästner. Altenburg in der Richterischen Buchhandlung 1755. In 8vo. 18 Bogen. Selten werden sich der Gelehrte und der Philosoph, noch seltner der Philosoph und der Meßkünstler, am aller seltensten der Meßkünstler und der schöne Geist in einer Person beisammen finden. Alle vier Titel aber zu vereinen, kömmt nur dem wahrhaften Genie zu, das sich für die menschliche Erkenntnis überhaupt, und nicht bloß für einzle Teile derselben, geschaffen zu sein fühlet. Der Herr Professor Kästner – Doch die formellen Lobsprüche sind ekelhaft, und ohne Zweifel haben die meisten unsrer Leser schon längst von selbst die Anmerkung gemacht, daß sich auch noch mehrere, als ihrer vier, in die Verdienste dieses Mannes ganz reichlich teilen könnten. Gegenwärtige vermischte Schriften allein könnten auch dem besten unsrer witzigen Köpfe einen Namen machen, dessen er sich nicht zu schämen hätte, und den er, mehr erschlichen als verdient zu haben, sich nicht vorwerfen dürfte. Mehr wollen wir nicht davon sagen, sondern nur noch überhaupt melden, daß sie aus prosaischen Abhandlungen, aus Lehrgedichten, aus Oden, aus Elegien, aus Fabeln, aus Sinngedichten, aus Parodien, aus lateinischen Gedichten, und aus Briefen bestehen. Daß man sie lesen wird; daß man sie, auch ohne Anpreisung, häufig lesen wird; ist gewiß. Die wenigen Sinngedichte also, die wir daraus hersetzen wollen, sollen mehr zu unserm eignen Vergnügen, als zu einer unnötigen Probe, angeführt sein.


Charakter des Herrn de la Mettrie nach dem Entwurfe

des Herrn von Maupertuis

[249] Ein gutes Herz, verwirrte Phantasie,

Das heißt auf Deutsch: ein Narr war la Mettrie.


An einen Freimäurer

Der Brüderschaft Geheimnis zu ergründen,

Plagt dich, Neran, mein kühner Vorwitz nicht;

Von einem nur wünscht ich mir Unterricht:

Was ist an dir Ehrwürdiges zu finden?


Das Totenopfer an den Herrn Baron von Kroneck nach Neapolis

Mein Kroneck, Maros Geist schwebt noch um seine Gruft,

Wenn du dort Lorbeern brichst, so hör auch, was er ruft:

Zu Ehren hat mir sonst ein Martial gelodert,

Von dir, o Deutscher, wird ein Schönaich jetzt gefodert.


Eines Sachsen Wunsch auf Karl den XII.

Held, der uns so gepreßt, dein eifriges Bestreben

War: spät im eitlen Hauch der letzten Welt zu leben:

Doch wird mein Wunsch erfüllt (die Rache gibt ihn ein)

So soll einst dein Homer ein zweiter Schönaich sein.


Wir müssen erinnern, daß in den zwei letzten Sinnschriften, anstatt des Namens Schönaich, welches ein gewisser Poet in der Niederlausitz ist, bloß ein leerer Platz gelassen worden, ihn nach Belieben mit einem von den zweisylbigen Namen unserer Heldendichter zu füllen. Unser Belieben fiel auf genannten Herrn Baron von Schönaich, von dessen neuesten Schriften wir nächstens reden wollen. Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 12 Gr.[250]

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 249-251.
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