Man sieht, ohne Benennung eines Orts: Ode an GOtt von Herrn Klopstock, 1751. In Okt. 1 Bogen.
Vielleicht vermutet man in dieser Ode poetische Betrachtungen über die Majestät Gottes; und man mutmaßet auch recht. Oder vielleicht sucht man darinnen ein Gebet einer entzückten Demut; und man irret sich auch hierinne nicht. Man findet beides darinne: dennoch ist diese Ode ein Liebeslied, und man könnte sie das hohe Lied Klopstocks nennen. Man sieht wohl, daß Herr Klopstock derjenige ist,[42]
–––cui mens divinior atque os
Magna sonaturum,
und daß er Pindarisch schreiben würde, wann er auch ein Gedicht vom Ackerbau schriebe. Er beweint die Abwesenheit seiner Geliebten, und anstatt daß ein anderer Dichter, welcher in ähnlichen Umständen war, seine poetische Klage mit einem Soll ich meine Doris missen? etc. anfing, so erschüttert ihn ein stiller Schauer der Allgegenwart Gottes; sein Herz und sein Gebein beben sanft gerührt; er fühlt, er fühlt es, daß Gott auch da, wo er wohnt, Gott ist. Er wünscht mit Gott zu reden, zweifelt aber, daß er ihn wird zu sprechen bekommen. Endlich wagt er es, mit dem Ewigen zu reden; er sagt ihm, daß er, Gott, ewig ist, und daß er, Klopstock, liebet. Der Ewige soll ihm seine Geliebte wieder geben, oder er soll sein Leben zu einem schnellen Hauch machen. Er verspricht ihm dafür, noch einmal so tugendhaft zu sein, wenn sie bei ihm ist, und den Messias desto feuriger zu besingen. Von ihr geliebt, sagt er, will ich dir feuriger entgegen jauchzen; will ich mein volles Herz in hohen Hallelujaliedern, ewiger Vater! vor dir vergießen. Dann, wann sie mit mir deinen erhabenen Ruhm gen Himmel weinet, bebend, mit schwimmenden entzückten Augen, will ich mit ihr hier schon das ewige Leben fühlen. Das Lied des Sohns, trunken in ihrem Arm, von reiner Wollust, will ich erhabener, Enkeln, die gleich uns lieben, gleich uns Christen sind, seligen Enkeln singen.
Unsere Leser werden wohl die Absätze der Verse, welche wir, den Raum zu ersparen, weggelassen haben, da sie ohnedies ohne darüber gesetzte Zeichen keine Füße haben würden, nicht vermissen.
Einen Gedanken unsers berühmten Dichters, welchen wir ohne diese Anmerkung nicht haben denken können, müssen wir noch berühren. Es ist der in dieser Ode und in dem Messias oft vorkommende Gedanke von dem Gedanken, welcher gedacht wird. Dieser gedacht werdende Gedanke, welcher so lange ein guter poetischer Gedanke, oder vielmehr Ausdruck ist, als er weniger geschrieben, als gedacht wird, hat, wenn wir uns recht erinnern, seinen Ursprung von einem Gedanken[43] eines bekannten glücklichen Dichters, welcher ihn dachte, als er einsmal eine Ode verfertigte. Dieser Gedanke und das Denken des Gedankens fand damals gleich bei einigen wahren Kennern poetischer Schönheiten, und nachmaligen vertrauten Freunden des Hrn. Klopstocks, weil er gut angebracht, und nur einmal angebracht war, vielen Beifall. O imitatores! – – – –[44]