Ramler-Krause, Oden mit Melodien

[190] [Karl Wilhelm Ramler:] Oden mit Melodien [von Christian Gottfried Krause]. Erster Teil. Berlin, bei F. W. Birnstiel, auf 32 Seiten in 4 to. Es hat uns eben niemals ganz und gar an kleinen Liedern zur Ergötzung des Gemüts gefehlt, und man hat so wenig bei uns, als bei den Ausländern das Glas oder den Strauß der Phillis zu besingen vergessen. Sie waren aber meistens alle bis auf die Zeit, da uns Halle durch die Gräfischen Bemühungen zuerst etwas gutes lieferte, sowohl in Ansehung der Dichtkunst, als der Melodie so beschaffen, daß sie von den artigen Personen, die Witz und Geschmack verbinden, nicht ohne Ekel angestimmet werden konnten. Gegenwärtige Sammlung gehört unter diejenigen, die sowohl der artigen Lebensart neuerer Zeit, als dem Witze und dem Geschmack in beiden Künsten Ehre machen. Die meisten Oden darinnen sind von schon bekannten und berühmten Tonkünstlern, und die andern von nicht unglücklichen Nachahmern derselben gesetzet. Es haben es diese Meister ihrem Ansehen nicht für nachteilig gehalten, sich mit dieser kleinen Art der musikalischen Beschäftigung abzugeben und die Oden dadurch von dem lächerlichen Vorwurfe zu befreien, als ob solche nichts anders als Früchte schlechter Köpfe sein könnten. Ist denn ein kurzer schöner Einfall eines guten Dichters nicht öfters mehr als mancher ungeheurer Foliante eines Schmierers wert, und sollte in der Musik eine Anzahl von sechszehn schön gesetzten Takten nicht so gut von der Fähigkeit seines Verfassers zeigen können, als eine drei Finger breite Partitur? Jedes musikalische Stück, deucht uns, verdienet in seiner Gattung Beifall, wenn es den Regeln der Kunst gemäß und mit Geschmack geschrieben ist. Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 12 Gr.

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 190.
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