Schönaich (?), Possen

Das Publikum hatte vor einigen Wochen die Gütigkeit ein Paar Bogen Makulatur, unter der Aufschrift, »Possen« [vermutl. von Christoph Otto Freiherrn von Schönaich], in den Vossischen Buchläden abzuholen; aber doch nicht so häufig, als man wohl wünschen mögen: denn so wohlfeil der Verleger auch diese seine Auflage gemacht hatte, so wäre sie ihm doch wenigstens zur Hälfte auf dem Halse geblieben, wenn er sich nicht kurz und gut entschlossen hätte, noch in jeden Butterkeller ein Dutzend Exemplare zu schicken, um sie den Lesern mit Gewalt aufzudringen. Gleichwohl hat man in Leipzig noch eine dritte Auflage veranstaltet, und was das sonderbarste dabei ist, so verspricht man sich ausdrücklich auf dem Titel davon, daß man sie loszuwerden hoffe, ohne sie gratis auszugeben. Diese Hoffnung kann sich unmöglich auf etwas anders, als auf die dazugekommenen Vermehrungen gründen, welche wir notwendig anzeigen müssen, damit die Liebhaber selbst urteilen können, ob sie wichtig genug sind, um dasjenige noch einmal für 3 Groschen zu kaufen, was sie bereits umsonst bekommen haben. Die erste Vermehrung also ist ein sauberes Stöckchen, welches das Titelblatt zieret. Es stellet einen Satyr vor, der mit einer Keule und einem Schwerde bewaffnet ist, und neben sich, man kann nicht eigentlich erkennen, ob einen Hund, oder eine Katze, oder gar einen Bär stehen hat. Wen dieses Bildchen vorstelle, wollen wir gleich sagen. Der Verfasser der Possen, oder kürzer der Possenreißer, wollte sich Anfangs gar nicht nennen, ohne Zweifel, weil er ganz in der Stille den Beifall der Welt abzuwarten gedachte. Nunmehr aber, da er sieht, daß dieser Beifall so außerordentlich gewesen ist, so ist sein Ehrgeiz auf einmal aufgewacht. Er fängt an aus dem Verborgnen hervor zutreten, und schicke deswegen sein Bildnis voraus, ehe er[224] uns durch seinen Namen überraschen will. Erst war er ein Anonymus; jetzt ist er ein Pseudonymus, denn über das gedachte Stöckchen hat er den Namen Toelpel schneiden lassen, von welchem er aber leicht hätte voraus sehen können, daß er ihn gar zu deutlich verraten würde. Die zweite Vermehrung bestehet in einer Erklärung hinter der Titelseite, und welche dieses Inhalts ist, daß der Verfasser mit seinen »Possen« nicht nur einen Narren, d.i. nicht sich nur selbst, sondern noch hundert Narren zugleich, d.i. alle seine Bewunderer, wenn deren anders hundert sein können, habe lächerlich machen wollen. – – Weiter finden wir nichts verändert noch hinzugesetzt, welches sich auch nicht wohl würde haben tun lassen, weil diese sogenannte dritte Auflage bloß aus einem umgedruckten Titelbogen entstanden ist. Sollte man nun also durchaus nicht 3 Gr. dafür bezahlen wollen, so könnte doch wohl noch dazu Rat werden, daß man auch eine vierte Auflage nach dieser dritten, für eben den Preis, als die zweite, machte. Allein diejenigen, welche ein Exemplar davon verlangten, würden die Gütigkeit haben müssen, vorher darauf zu subskribieren, damit man ganz gewiß sein könnte, daß sie es auch hernach umsonst nehmen würden. Wer sich mit zwei Exemplaren belästigen will, soll das zuvorbeschriebene Bildnis des Verfassers nach vergrößertem Maßstabe gleichfalls in Holz geschnitten, obenein bekommen. Es wird mit dem wahren Namen desselben prangen, welchen wir eben jetzt erfahren haben. Ein sehr berühmter Name; wahrhaftig! Und der noch berühmter werden soll![225]

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 222-226.
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