[518] Henriette. Adrast.
HENRIETTE. Wo stecken Sie denn, Adrast? Man hat schon zwanzigmal nach Ihnen gefragt. O! schämen Sie sich, daß ich Sie zu einer Zeit suchen muß, da Sie mich suchen sollten. Sie spielen den Ehemann zu zeitig. Doch getrost! vielleicht spielen Sie dafür den Verliebten alsdann, wann ihn andre nicht mehr spielen.
ADRAST. Erlauben Sie, Mademoisell; ich habe nur noch etwas Nötiges außer dem Hause zu besorgen.
HENRIETTE. Was können Sie jetzt Nötigers zu tun haben, als um mich zu sein?
ADRAST. Sie scherzen.
HENRIETTE. Ich scherze? – Das war ein allerliebstes Kompliment!
ADRAST. Ich mache nie welche.
HENRIETTE. Was für ein mürrisches Gesicht! – – Wissen Sie, daß wir uns über diese mürrischen Gesichter zanken werden, noch ehe uns die Trauung die Erlaubnis dazu erteilt?
ADRAST. Wissen Sie, daß ein solcher Einfall in Ihrem Munde nicht eben der artigste ist?
HENRIETTE. Vielleicht, weil Sie glauben, daß die leichtsinnigen Einfälle nur in Ihrem Munde wohl lassen? Unterdessen haben Sie doch wohl kein Privilegium darüber?
ADRAST. Sie machen Ihre Dinge vortrefflich. Ein Frauenzimmer, das so fertig antworten kann, ist sehr viel wert.
HENRIETTE. Das ist wahr; denn wir schwachen Werkzeuge wissen sonst den Mund am allerwenigsten zu gebrauchen.
ADRAST. Wollte Gott!
HENRIETTE. Ihr treuherziges Wollte Gott! bringt mich zum Lachen, so sehr ich auch böse sein wollte. Ich bin schon wieder gut, Adrast.
ADRAST. Sie sehen noch einmal so reizend aus, wenn Sie böse sein wollen; denn es kömmt doch selten weiter damit, als bis zur Ernsthaftigkeit, und diese läßt Ihrem Gesichte um[518] so viel schöner, je fremder sie in demselben ist. Eine beständige Munterkeit, ein immer anhaltendes Lächeln wird unschmackhaft.
HENRIETTE ernsthaft. O! mein guter Herr, wenn das Ihr Fall ist, ich will es Ihnen schmackhaft genug machen.
ADRAST. Ich wollte wünschen, – – denn noch habe ich Ihnen nichts vorzuschreiben, – –
HENRIETTE. Dieses Noch ist mein Glück. Aber was wollten Sie denn wünschen?
ADRAST. Daß Sie sich ein klein wenig mehr nach dem Exempel Ihrer ältesten Mademoisell Schwester richten möchten. Ich verlange nicht, daß Sie ihre ganze sittsame Art an sich nehmen sollen; wer weiß, ob sie Ihnen so anstehen würde? – –
HENRIETTE. St! die Pfeife verrät das Holz, woraus sie geschnitten ist. Lassen Sie doch hören, ob meine dazu stimmt?
ADRAST. Ich höre.
HENRIETTE. Es ist recht gut, daß Sie auf das Kapitel von Exempeln gekommen sind. Ich habe Ihnen auch einen kleinen Vers daraus vorzupredigen.
ADRAST. Was für eine Art sich auszudrücken!
HENRIETTE. Hum! Sie denken, weil Sie nichts vom Predigen halten. Sie werden finden, daß ich eine Liebhaberin davon bin. Aber hören Sie nur: – – In seinem vorigen Tone. Ich wollte wünschen, – – denn noch habe ich Ihnen nichts vorzuschreiben, – –
ADRAST. Und werden es auch niemals haben.
HENRIETTE. Ja so! – Streichen Sie also das weg. – – Ich wollte wünschen, daß Sie sich ein klein wenig mehr nach dem Exempel des Herrn Theophans bilden möchten. Ich verlange nicht, daß Sie seine ganze gefällige Art an sich nehmen sollen, weil ich nichts Unmögliches verlangen mag; aber so etwas davon, würde Sie um ein gut Teil erträglicher machen. Dieser Theophan, der nach weit strengern Grundsätzen lebt, als die Grundsätze eines gewissen Freigeistes sind, ist allezeit aufgeräumt und gesprächig. Seine Tugend, und noch sonst etwas, worüber Sie aber lachen werden, seine Frömmigkeit – – Lachen Sie nicht?[519]
ADRAST. Lassen Sie sich nicht stören. Reden Sie nur weiter. Ich will unter dessen meinen Gang verrichten, und gleich wieder hier sein. Geht ab.
HENRIETTE. Sie dürfen nicht eilen. Sie kommen, wann Sie kommen: Sie werden mich nie wieder so treffen. – Welche Grobheit! Soll ich mich wohl darüber erzürnen? – Ich will mich besinnen. Geht auf der andern Seite ab.
Ende des dritten Aufzugs.[520]
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