[449] Wumshäter. Solbist.
WUMSHÄTER. Lassen Sie doch nunmehr hören, Herr Solbist, was Sie mir für Geheimnisse zu vertrauen haben.[449]
SOLBIST. Sind sie weg? – Treten Sie hierher! Sie möchten an der Türe horchen.
WUMSHÄTER. Nun?
SOLBIST. Herr Leander –
WUMSHÄTER. Hat ihn der Henker geholt?
SOLBIST. St! Hören Sie doch nur. Herr Leander will – Sachte ins Ohr. will sich mit Ihnen vergleichen.
WUMSHÄTER sehr laut. Was? will sich mit mir vergleichen?
SOLBIST. St! st! Ja, er will. Er hat sich von mir lassen übern Tölpel stoßen.
WUMSHÄTER sehr laut. Sie mögen selber ein Tölpel sein. Ich mag mich mit ihm nicht vergleichen. Wie viele hundertmal habe ich Ihnen das nicht auf das teuerste versichert?
SOLBIST. St! st! st! Mit Ihrem verzweifelten Schreien werden Sie mich um Ehre, Reputation, Kredit und alles bringen. Wenn es nun jemand gehört hat?
WUMSHÄTER. O, das Zeugnis will ich Ihnen vor aller Welt geben, daß Sie nichts als meinen Ruin suchen. Vergleichen? habe ich nicht die gerechteste Sache?
SOLBIST. Auch die gerechteste Sache kann verloren werden, wenn sie wie die Ihrige steht. Ihre selige Frau hat es schon zu weit kommen lassen.
WUMSHÄTER. Das verwünschte Weib! Kömmt nicht all mein Unglück von Weibern her?
SOLBIST. Nicht allein Ihr Unglück, sondern überhaupt alles Unglück, das in der Welt geschieht, – wie ich hernach erweisen werde. Machen Sie nur, daß Sie den Beweis bald hören können, und sagen Sie mir kurz, ob es Ihnen nicht lieb sein würde, wenn Leander – ich will nicht sagen, sich mit Ihnen vergliche: denn von Vergleichen wollen Sie nichts hören – sondern unter einer kleinen, ganz kleinen Bedingung, den Prozeß hängen ließ.
WUMSHÄTER. Hängen ließ? So, daß ich ihn gleichsam gewonnen hätte? Ja, das wäre noch etwas. Aber was ist es denn für eine Bedingung?
SOLBIST. Eine Bedingung, die vollkommen nach Ihrem Sinne sein wird.
WUMSHÄTER. Nun?[450]
SOLBIST. Kurz, Leander – will den Prozeß unter der Bedingung hängen lassen, – unter der Bedingung, Herr Wumshäter – Sachte ins Ohr. daß Sie sein Unglück machen wollen.
WUMSHÄTER sehr laut. Was? daß ich sein Unglück machen will?
SOLBIST. Sie werden mit Ihrer verräterischen Auktionatorstimme noch meines machen. Ich tue meine Dinge alle gern heimlich, und in der Stille. Aber Sie, Sie – ich wette, Leander hat es in seinem Hause gehört!
WUMSHÄTER. Nun so entdecken Sie mir denn ganz heimlich, auf welche Weise ich sein Unglück machen kann?
SOLBIST. Nichts ist leichter. Hören Sie nur, im Vertrauen; der Mensch ist ganz närrisch geworden. Ich glaube, der Himmel hat ihn Ihrentwegen gestraft. Er ist auf einen recht desperaten Einfall geraten. Ich will ihn Ihnen gleich erklären. –
WUMSHÄTER. Noch seh ich nicht, wo Sie hinaus wollen?
SOLBIST er legt die Akten weg; bringt eine große Halskrause aus der Tasche, die er sich umbindet; zieht ein Paar weiße Handschuh an, tritt einige Schritte zurück, und fängt auf eine pedantische Art zu perorieren an. »Hochedelgeborner, insonders hochzuehrender Herr und Gönner! Als Gott den Adam erschaffen, und in das schöne Paradies gesetzt hatte – Beiläufig will ich erinnern, daß man bis jetzo noch nicht weiß, wo eigentlich das Paradies gewesen ist. Die Gelehrten streiten sehr heftig darüber. Doch es sei gewesen, wo es wolle. – Als nun Gott den Adam in dieses uns unbewußte Paradies gesetzt hatte –«
WUMSHÄTER. Je, Herr Solbist! Herr Solbist!
SOLBIST. Treten Sie ein wenig vor die Türe, damit niemand herein kömmt!
WUMSHÄTER. Ich will Gott danken, wenn jemand dazukömmt, denn ich fürchte in der Tat, Sie sind unsinnig geworden.
SOLBIST. Treten Sie doch nur, und gedulden Sie sich einen Augenblick! – – »Als nun, sag ich, Adam in dieses Paradies gesetzt, als er, sag ich, darin gesetzt war. Und, will ich sagen, also in dem Paradiese war, worein er von Gott war[451] gesetzt worden. So war er in diesem Paradiese.« – – Ei, vertrackt, wenn ich nur erstlich wieder heraus wäre! – Da haben Sies nun! Das kömmt davon, wenn man dem Orator in die Rede fällt.
WUMSHÄTER. Ich besorge nur, ich werde Ihnen bald in die Daumen fallen müssen. Sagen Sie mir nur in Ewigkeit, was Sie wollen?
SOLBIST. Ich wollte lieber, daß Sie mir eine Ohrfeige gegeben hätten, als daß Sie mich aus meinem Konzepte gebracht haben. Ich muß nur sehen, ob ich wieder hinein kommen kann. Ganz geschwind. »Hochedelgeborner, insonders hochzuehrender Herr und Gönner! Als Gott den Adam erschaffen, und in das schöne Paradies gesetzt hatte« – – Hochedelgeborner, insonders hochzuehrender Herr und Gönner! Als Gott den Adam erschaffen, und in das schöne Paradies gesetzt hatte – – Nein, es geht wirklich nicht weiter; es ist, als wenn mirs vom Maule weggeschnitten wäre. Nun mags; der größte Schade dabei ist Ihre.
WUMSHÄTER. Ist meine?
SOLBIST. Ja, wahrhaftig; Sie hätten ein recht ciceronianisches Meisterstück hören sollen. Eine vertraute Rednergesellschaft würde es nicht besser haben abfassen können! Nun werden Sie sich mit den Contentis begnügen müssen. Hören Sie nur also: meine Rede – denn so viel werden Sie doch wohl gemerkt haben, daß ich Ihnen eine Rede habe halten wollen? – Meine Rede, sag ich, hatte drei Partes, ob gleich sonst acht Partes orationis zu sein pflegen. Der erste Pars, oder vielmehr die erste Pars, enthielt ein richtiges Verzeichnis aller bösen Weiber, von der Eva an, bis auf die Ihrigen drei.
WUMSHÄTER. Was? Ein Verzeichnis aller bösen Weiber? Ei, das wäre ich kuriös gewesen, zu hören! – Ein Verzeichnis aller bösen Weiber wirds nun wohl nicht gewesen sein, sondern nur ein Verzeichnis der bösesten. Denn ein Verzeichnis aller bösen Weiber, das war ein Verzeichnis aller Weiber, die jemals auf der Welt gelebt haben, und das kanns doch nicht gewesen sein.
SOLBIST. Ganz recht. Meine andre Pars – –[452]
WUMSHÄTER. Hatten Sie denn auch in Ihrem Verzeichnisse die Frau des Hiobs?
SOLBIST. Freilich! – Meine andre Pars –
WUMSHÄTER. Hatten Sie denn auch die Frau des Tobias?
SOLBIST. Freilich! – Meine andre Pars –
WUMSHÄTER. Auch die Königin Jesabel?
SOLBIST. Auch! – Meine andre Pars –
WUMSHÄTER. Auch die große Hure von Babylon?
SOLBIST. Auch! – Meine andre Pars –
WUMSHÄTER. Sie hören, daß ich doch auch ein wenig bewandert bin!
SOLBIST. Ich höre wohl, daß Sie nur die kennen, die noch die besten darunter sind. Ich wußte noch ganz andere! Eine Hispulla, eine Hippia, eine Medullina, eine Saufeja, eine Ogulina, eine Messalina, eine Cäsonia – Von welchen allen, in dem sechsten der Geschichtbücher des Juvenals, ein mehreres nachgelesen werden kann. – – Doch, damit meine Contenta nicht länger werden, als meine Rede geworden wäre, so hören Sie nur weiter. Meine zweite Pars erwies so kurz als gründlich, daß eine Frau das größte Unglück auf der Welt sei, und leitete daraus unwidersprechlich her, daß das Heiraten eine sehr unsinnige Sache sein müsse, welches denn weitläuftig mit Testimoniis, besonders mit dem Ihrigen bestärkt wurde.
WUMSHÄTER. Ei! lieber Herr Solbist, wie waren Sie auf eine so vortreffliche Materie gekommen? Gewiß, ich beklag es nunmehr recht herzlich, daß Ihre Rede so vor die Hunde gegangen ist. Je! je! Aber wie komm ich denn dazu, daß Sie mir so ein Vergnügen haben machen wollen? Es ist doch heute weder mein Geburtstag, noch mein Namenstag, daß ich etwa dächte, Sie hätten mir so eine schöne Gratulationsrede halten wollen. –
SOLBIST. Aus meiner dritten Pars wird Ihnen alles klar werden. – – Die dritte Pars endlich enthielt, daß dem ohngeachtet, diese Unsinnigkeit, nämlich die Unsinnigkeit zu heiraten, – raten Sie einmal, wer? begehen wollte –
WUMSHÄTER. Wer? Doch wohl nicht mein Sohn? Denn dem denk ich es wohl ausgeredt zu haben.[453]
SOLBIST. Nicht Ihr Sohn, nein.
WUMSHÄTER. Nun, so wollte ich, daß es mein ärgster Feind sein müsse!
SOLBIST. Bravo!
WUMSHÄTER. Ich wollte, daß es Leander wäre!
SOLBIST. Getroffen!
WUMSHÄTER. Wirklich? O, daß ich keine von meinen drei Weibern vom Tode erwecken, und sie ihm geben kann.
SOLBIST. Das können Sie, Herr Wumshäter, das können Sie, wenn Sie nur wollen! Leibt und lebt nicht Ihre zweite Frau in Ihrer Jungfer Tochter? Kurz, sehen Sie in mir den Brautwerber des Herrn Leanders, und zwar um die Ehr- und Tugendsame Jungfer, Jungfer Laura, eheleiblichen einzigen Tochter des Herrn, Herrn Zacharias Maria Wumshäter. Wenn er in seinem Suchen glücklich ist, so sollen Sie den Prozeß gewonnen haben. Dixi!
WUMSHÄTER. Was? allerliebster Herr Solbist, ist es möglich? Leander will meine Tochter haben, und wenn ich sie ihm gebe, soll ich den Prozeß gewonnen haben?
SOLBIST. Sollen Sie ihn gewonnen haben! Besinnen Sie sich ja nicht lange.
WUMSHÄTER. Ich mich besinnen?
SOLBIST. Sie müssen überzeugt sein, daß man kein feindseliger Verfahren erdenken kann, als einem eine Frau zu geben.
WUMSHÄTER. Das bin ich! Er soll sie haben, ja; mit Freuden will ich sie ihm geben. Wie soll sie ihm das Leben so sauer machen! Leander, Leander, er soll den Verdruß zehnfach wieder empfinden, den er mir verursacht hat. Wie will ich mich freuen, wenn ich bald erfahren werde, daß sich meine Tochter täglich mit ihm zankt; daß sie ihn keinen Bissen in Ruhe genießen läßt, daß sie sich so gar an ihm vergreift, daß sie ihm untreu ist, daß sie ihm sein Vermögen durchbringt, daß er endlich Haus und Hof ihrentwegen verlassen muß! Ich denke, ich denke, sie solls dahin bringen. Ja, ja, Herr Solbist, Leander soll meine Tochter haben, er soll sie haben – Allein, wenn ich den Prozeß dadurch[454] gewinne, so muß ich die deponierten sechstausend Taler ausgezahlt bekommen.
SOLBIST. Die können Sie morgen bekommen.
WUMSHÄTER. Morgen? das wäre vortrefflich! Ich hätte eben Gelegenheit sie zu sechs Prozent unterzubringen. – – Aber Leander denkt doch wohl nicht, daß er sie zur Aussteuer etwa wieder bekommen werde? Das mag er sich nur vergehen lassen. Mitgeben kann ich meiner Tochter nichts, gar nichts.
SOLBIST. Es wird auch nicht nötig sein; Leander ist selbst reich genug.
WUMSHÄTER. Wenn das ist, so ist sie, wenn er will, noch heute seine Frau. Ich wollte sie zwar meinem Sohne mitgeben; doch daraus wird nun nichts. Es ist besser, daß sie mich an einem Menschen rächt, der mir so vieles Unrecht getan hat. Wir wollen gleich zu ihr gehen; kann doch Herr Leander hernach selbst herkommen. Kommen Sie, Herr Solbist –
SOLBIST. Gehen Sie nur. Ich muß meine Spitzenkrause vorher wieder abbinden, und die glaßierten Handschuh einstecken. Sagen Sie es aber ja niemanden, daß ich der Brautwerber gewesen bin! Wumshäter gehet ab. Es möchte sich zu meinem Amte nicht allzuwohl schicken; weswegen ich denn auch ganz weislich in dem völligen Ornate nicht herkommen wollte. Wie leicht hätte man mir es ansehen können, daß ich mir einen Kuppelpelz verdienen wollen. Geschwind, es kommt jemand! – –
Ausgewählte Ausgaben von
Der Misogyn
|
Buchempfehlung
Der in einen Esel verwandelte Lucius erzählt von seinen Irrfahrten, die ihn in absonderliche erotische Abenteuer mit einfachen Zofen und vornehmen Mädchen stürzen. Er trifft auf grobe Sadisten und homoerotische Priester, auf Transvestiten und Flagellanten. Verfällt einer adeligen Sodomitin und landet schließlich aus Scham über die öffentliche Kopulation allein am Strand von Korinth wo ihm die Göttin Isis erscheint und seine Rückverwandlung betreibt. Der vielschichtige Roman parodiert die Homer'sche Odyssee in burlesk-komischer Art und Weise.
196 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro