Vierzehnter Auftritt


[359] Anton. Lisette. Damis.

Kömmt ganz tiefsinnig; Lisette schleicht hinter ihm her, und macht seine Grimassen nach.


ANTON. Halt! ich will ihn noch ein wenig zappeln lassen, und ihm die Briefe nicht gleich geben. Steckt sie ein. Wie so tiefsinnig, Herr Damis? was steckt Ihnen wieder im Kopfe?

DAMIS. Halt dein Maul!

ANTON. Kurz geantwortet! Aber soll sich denn ein Bedienter nicht um seinen Herrn bekümmern? Es wäre doch ganz billig, wann ich auch wüßte, worauf Sie dächten. Eine blinde Henne findet auch manchmal ein Körnchen, und vielleicht könnte ich Ihnen – –

DAMIS. Schweig![359]

ANTON. Die Antwort war noch kürzer. Wenn sie Stufenweise so abnimmt, so will ich einmal sehen, was übrig bleiben wird. – Was zählen Sie denn an den Fingern? Was hat Ihnen denn der arme Nagel getan, daß Sie ihn so zerbeißen? Er wird Lisetten gewahr. – – Und, zum Henker, was ist denn das für ein Affe? Kömmst du von Sinnen?

LISETTE. Halt dein Maul!

ANTON. Um des Himmels willen geh! Wann mein Herr aus seinem Schlafe erwacht, und dich sieht – –

LISETTE. Schweig!

ANTON. Willst du mich oder meinen Herrn zum besten haben? So sehen Sie doch einmal hinter sich, Herr Damis!

DAMIS geht einigemal tiefsinnig auf und nieder; Lisette in gleichen Stellungen hinter ihm her: und wann er sich umwendet, schleicht sie sich hurtig herum, daß er sie nicht gewahr wird.

Meiner Hochzeitsfackel Brand

Sei von mir jetzt selbst gesungen!

ANTON. Ho! ho! Sie machen Verse? Komm Lisette, nun müssen wir ihn allein lassen. Bei solcher Gelegenheit hat er mich selbst schon, mehr als einmal, aus der Stube gestoßen. Komm nur; er ruft uns gewiß selbst wieder, sobald er fertig ist, und vielleicht das ganze Haus dazu.

LISETTE indem sich Damis umwendet, bleibt sie starr vor ihm stehen, und nimmt seinen Ton an.

Meiner Hochzeitsfackel Brand

Sei von mir jetzt selbst gesungen!


Damis tut als ob er sie nicht gewahr würde, und stößt auf sie.


DAMIS. Was ist das?

LISETTE. Was ist das? Beide als ob sie zu sich selbst kämen.

DAMIS. Unwissender, niederträchtiger Kerl! habe ich dir nicht oft genug gesagt, keine Seele in meine Stube zu lassen, als aufs höchste meinen Vater? Was will denn die hier?

LISETTE. Unwissender, niederträchtiger Kerl! hast du mir es nicht oft genug gesagt, daß ich mich aus der Stube fortmachen soll? Kannst du dir denn aber nicht einbilden, daß die, welche im Kabinette hat sein dürfen, auch Erlaubnis[360] haben werde, in der Stube zu sein? Unwissender, niederträchtiger Kerl!

ANTON. Wem soll ich nun antworten?

DAMIS. Gleich stoße sie zur Stube hinaus!

ANTON. Stoßen? mit Gewalt?

DAMIS. Wenn sie nicht in gutem gehen will – –

ANTON. Lisette, geh immer in gutem – –

LISETTE. Sobald es mir gelegen sein wird.

DAMIS. Stoß sie heraus, sag ich!

ANTON. Komm Lisette, gib mir die Hand; ich will dich ganz ehrbar heraus führen.

LISETTE. Grobian, wer wird denn ein Frauenzimmer mit der bloßen Hand führen wollen?

ANTON. O ich weiß auch zu leben! – In Ermanglung eines Handschuhs also – Er nimmt den Zipfel von der Weste. – werde ich die Ehre haben – –

DAMIS. Ich seh wohl, ich soll mich selbst über sie machen – Geht auf sie los.

LISETTE. Ha! ha! ha! so weit wollte ich Sie nur gern bringen. Adjeu!


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 359-361.
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