Eilfter Auftritt

[395] Martin Krumm. Lisette.


LISETTE. Von dem werde ich wenig erfahren können. Entweder, er ist zu dumm, oder zu fein. Und beides macht unergründlich.

MARTIN KRUMM. So, Jungfer Lisette? Das ist auch der Kerl darnach, daß er mich ausstechen sollte!

LISETTE. Das hat er nicht nötig gehabt.

MARTIN KRUMM. Nicht nötig gehabt? Und ich denke, wer weiß wie fest ich in Ihrem Herzen sitze.

LISETTE. Das macht, Herr Vogt, Er denkts. Leute von Seiner Art haben das Recht, abgeschmackt zu denken. Drum ärgre ich mich auch nicht darüber, daß Ers gedacht hat sondern, daß Er mirs gesagt hat. Ich möchte wissen, was Ihn mein Herz angeht? Mit was für Gefälligkeiten, mit was für Geschenken, hat Er sich denn ein Recht darauf erworben? – Man gibt die Herzen jetzt nicht mehr, so in[395] den Tag hinein, weg. Und glaubt Er etwa, daß ich so verlegen mit dem meinigen bin? Ich werde schon noch einen ehrlichen Mann dazu finden, ehe ichs vor die Säue werfe.

MARTIN KRUMM. Der Teufel, das verschnupft! Ich muß eine Prise Tabak darauf nehmen. – – Vielleicht geht es wieder mit dem Niesen fort. – Er zieht die entwandte Dose hervor, spielt einige Zeit in den Händen damit, und nimmt endlich, auf eine lächerlich hochmütige Art, eine Prise.

LISETTE schielt ihn von der Seite an. Verzweifelt! wo bekömmt der Kerl die Dose her?

MARTIN KRUMM. Belieben Sie ein Prischen?

LISETTE. O, Ihre untertänige Magd, mein Herr Vogt! Sie nimmt.

MARTIN KRUMM. Was eine silberne Dose nicht kann! – – Könnte ein Ohrwürmchen geschmeidiger sein?

LISETTE. Ist es eine silberne Dose?

MARTIN KRUMM. Wanns keine silberne wäre, so würde sie Martin Krumm nicht haben.

LISETTE. Ist es nicht erlaubt, sie zu besehn?

MARTIN KRUMM. Ja, aber nur in meinen Händen.

LISETTE. Die Fasson ist vortrefflich.

MARTIN KRUMM. Ja, sie wiegt ganzer fünf Lot. –

LISETTE. Nur der Fasson wegen, möchte ich so ein Döschen haben.

MARTIN KRUMM. Wenn ich sie zusammen schmelzen lasse, steht Ihnen die Fasson davon zu Dienste.

LISETTE. Sie sind allzugütig! – Es ist ohne Zweifel ein Geschenk?

MARTIN KRUMM. Ja, – – sie kostet mir nicht einen Heller.

LISETTE. Wahrhaftig, so ein Geschenk könnte ein Frauenzimmer recht verblenden! Sie können Ihr Glück damit machen, Herr Vogt. Ich wenigstens würde mich, wenn man mich mit silbernen Dosen anfiele, sehr schlecht verteidigen können. Mit so einer Dose hätte ein Liebhaber gegen mich gewonnen Spiel.

MARTIN KRUMM. Ich verstehs, ich verstehs! –

LISETTE. Da sie Ihnen so nichts kostet, wollte ich Ihnen raten, Herr Vogt, sich eine gute Freundin damit zu machen – –[396]

MARTIN KRUMM. Ich verstehs, ich verstehs! –

LISETTE schmeichelnd. Wollten Sie mir sie wohl schenken? – –

MARTIN KRUMM. O um Verzeihung! – – Man gibt die silbernen Dosen jetzt nicht mehr, so in den Tag hinein, weg. Und glaubt Sie denn, Jungfer Lisette, daß ich so verlegen mit der meinigen bin? Ich werde schon noch einen ehrlichen Mann dazu finden, ehe ich sie vor die Säue werfe.

LISETTE. Hat man jemals eine dümmre Grobheit gefunden! – – Ein Herz einer Schnupftabaksdose gleich zu schätzen?

MARTIN KRUMM. Ja, ein steinern Herz einer silbern Schnupftabaksdose – –

LISETTE. Vielleicht würde es aufhören, steinern zu sein, wenn – – Doch alle meine Reden sind vergebens – – Er ist meiner Liebe nicht wert – – Was ich für eine gutherzige Närrin bin! – Will weinen. beinahe hätte ich geglaubt, der Vogt wäre noch einer von den ehrlichen Leuten, die es meinen, wie sie es reden –

MARTIN KRUMM. Und was ich für ein gutherziger Narre bin, daß ich glaube, ein Frauenzimmer meine es, wie sie es redt! – Da, mein Lisettchen, weine Sie nicht! – Er gibt ihr die Dose. – Aber nun bin ich doch wohl Ihrer Liebe wert? – Zum Anfange verlange ich nichts, als nur ein Küßchen auf Ihre schöne Hand! – – Er küßt sie. Ah, wie schmeckt das! –


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 395-397.
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