Ein und zwanzigster Auftritt

[411] Der Baron. Der Reisende. Lisette. Christoph.


DER BARON kömmt hastig herzu. Den Augenblick, Lisette, stelle dem Herrn seine Dose wieder zu! Es ist alles offenbar; er hat alles gestanden. Und du hast dich nicht geschämt, von so einem Menschen Geschenke anzunehmen? Nun? wo ist die Dose?

DER REISENDE. Es ist also doch wahr? – –

LISETTE. Der Herr hat sie lange wieder. Ich habe geglaubt, von wem Sie Dienste annehmen können, von dem könne ich auch Geschenke annehmen. Ich habe ihn so wenig gekannt, wie Sie.

CHRISTOPH. Also ist mein Geschenk zum Teufel? Wie gewonnen, so zerronnen!

DER BARON. Wie aber soll ich, teuerster Freund, mich gegen Sie erkenntlich erzeigen? Sie reißen mich zum zweitenmal aus einer gleich großen Gefahr. Ich bin Ihnen mein Leben schuldig. Nimmermehr würde ich, ohne Sie, mein so nahes Unglück entdeckt haben. Der Schulze, ein Mann, den ich für den ehrlichsten auf allen meinen Gütern hielt, ist sein gottloser Gehülfe gewesen. Bedenken Sie also, ob ich jemals dies hätte vermuten können? Wären Sie heute von mir gereiset – –

DER REISENDE. Es ist wahr – – so wäre die Hülfe, die ich Ihnen gestern zu erweisen glaubte, sehr unvollkommen geblieben. Ich schätze mich also höchst glücklich, daß mich der Himmel zu dieser unvermuteten Entdeckung ausersehen hat; und ich freue mich jetzt so sehr, als ich vorher aus Furcht zu irren, zitterte.

DER BARON. Ich bewundre Ihre Menschenliebe, wie Ihre Großmut. O möchte es wahr sein, was mir Lisette berichtet hat![411]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 411-412.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Juden
Sämmtliche Schriften: Sinngedichte, Lieder, Oden, Etc.-Junge Gelehrte.-Juden.-Misogyn.-Der Freygeist.-Schatz.-Minna Von Barnhelm (German Edition)