Zweiter Auftritt


[747] Clitander. Lelio. Lisette.


CLITANDER. Dein Diener, Herr Lelio! Wie befindest du dich? Ist dir die gestrige Motion wohl bekommen? Hast du ausgeschlafen? Wirst du heute wieder in der Gesellschaft sein? Bist du heute noch nicht auf dem Kaffeehause gewesen? Wie schmeckte dir der Wein? Hatte sich Valer nicht eine artige Brunette ausgelesen?

LELIO. Sind das nicht eine Menge Fragen, und du hast mich das Kompliment noch nicht beantworten lassen.

CLITANDER. Zum Henker, ich treffe euch schon wieder beisammen alleine an? Lelio! Lisette! daraus kann nichts[747] Gutes kommen. Aber was fehlt dir, Lelio? Du siehst mir ganz, ganz, ich weiß nicht wie, aus. Du brauchst eine Ermunterung. Komm mit. Ach, bei Gelegenheit, es ist gut, daß ich daran gedenke; weißt du, wer das Frauenzimmer war, das uns gestern im Garten begegnete? Gefiel sie dir nicht? Wollen wir nicht wieder dahin gehn? Vielleicht treffen wir sie.

LELIO. Willst du mir nicht sagen, auf welche Frage ich dir zu erst antworten soll? oder soll ich lieber gar keine beantworten?

LISETTE. O, mein Herr, wir haben jetzo gar nicht Zeit, Ihrem Geplaudre zuzuhören.

CLITANDER. So? Sollte sich diese Wahrheit nicht etwas höflicher ausdrücken lassen? Sind eure Verrichtungen sehr dringend? Hast du mir nichts Neues zu erzählen, Herr Lelio?

LELIO. Ach ja. Und zwar etwas Neues, das mich sehr nahe angeht.

CLITANDER. So? Aber weißt du schon, daß unsre Freundin, Clarice, eine Braut ist? Gestern ist es richtig geworden.

LELIO. Willst du also meine Neuigkeit nicht hören?

CLITANDER. Erzähle, erzähle. Ich höre ungemein gern was Neues. Nur gestern –

LELIO. Du fängst schon wieder von was anderm an. Kann ich doch nicht einmal die vier Worte vor dir aufbringen: Meine Muhme will heiraten?

CLITANDER. Ha! ha! ha!

LELIO. O! wenn du an meiner Stelle wärest, du würdest gewiß nicht lachen.

CLITANDER. Ha! ha! ha! Du beschwerst dich, daß ich so viel rede, und neulich war ich in einer Gesellschaft, wo man mir Schuld gab, ich rede zu wenig. Ha! ha! ha! Wenn redet man denn weder zu viel, noch zu wenig? Das ist lächerlich! ha! ha! ha! – – Aber wolltest du mir nicht was Neues sagen? Was war es denn?

LISETTE. Wenn Sie nur nicht so gar sehr mit sich selbst beschäftiget wären, so hätten Sies längst gehört. Seine Muhme will heiraten.[748]

CLITANDER. Ist es schon gewiß? Lelio, du machst doch auch, daß ich auf die Hochzeit komme? Hat sie den Wein schon dazu gekauft? Ist er gut?

LELIO. Wenn du als ein Freund an mir handeln wolltest, so würdest du mir lieber einen Rat geben, wie ich etwan diese unglückliche Heirat hintertreiben könnte.

CLITANDER. Wie so?

LELIO. Je meine Erbschaft geht damit zum Teufel.

CLITANDER. O! dem ist bald abzuhelfen. Laß dir die Erbschaft voraus geben. Die Muhme mag alsdann machen, was sie will.

LISETTE. Herr Lelio! müssen wir nicht dumm sein. Es ist wahr. Das ist das beste Mittel; und wir sind nicht drauf gefallen! O es lebe ein hurtiger Verstand!

CLITANDER. O mein Kind, du bist nicht die erste, die mir es sagt, daß ich sehr glücklich in Ratschlägen bin.

LISETTE. Gewiß! Ihr Rat hat nicht mehr, als den einzigen Fehler, daß er sehr abgeschmackt ist.

CLITANDER. So? Wenigstens sollte ich denken, daß er doch den Stoff zu einem bessern geben könnte. Aber wo ist deine Muhme? Ich muß ihr notwendig zu der wohlgetroffenen Wahl Glück wünschen. Wen will sie nehmen?

LISETTE. Sie können sie selbst fragen. Ich höre jemanden kommen. Sie wird es ohne Zweifel sein. Kommen Sie, Herr Lelio, Peter möchte unsrer Anweisung nötig haben.

LELIO. Wenn du mit meiner Muhme sprechen willst, so tu mir den Gefallen, und nimm sie recht herum.

CLITANDER. Das würde ich ohne dein Erinnern getan haben. Ich bin ein Meister in beißenden und feinen Satiren. Und wenn du willst, ich will es so toll machen, daß sie zerplatzen soll.

LELIO. Desto besser.[749]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 747-750.
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