Erster Auftritt


[684] Die Szene, der Saal.

Von Tellheim von der einen und Werner von der andern Seite.


VON TELLHEIM. Ha, Werner! ich suche dich überall. Wo steckst du?

WERNER. Und ich habe Sie gesucht, Herr Major; so gehts mit dem Suchen. – Ich bringe Ihnen gar eine gute Nachricht.

VON TELLHEIM. Ah, ich brauche jetzt nicht deine Nachrichten: ich brauche dein Geld. Geschwind, Werner, gib mir so viel du hast; und denn suche so viel aufzubringen, als du kannst.

WERNER. Herr Major? – Nun, bei meiner armen Seele, habe ichs doch gesagt: er wird Geld von mir borgen, wenn er selber welches zu verleihen hat.

VON TELLHEIM. Du suchst doch nicht Ausflüchte?

WERNER. Damit ich ihm nichts vorzuwerfen habe, so nimmt er mirs mit der Rechten, und gibt mirs mit der Linken wieder.

VON TELLHEIM. Halte mich nicht auf, Werner! – Ich habe den guten Willen, dir es wieder zu geben; aber wenn und wie? – Das weiß Gott!

WERNER. Sie wissen es also noch nicht, daß die Hofstaatskasse Ordre hat, Ihnen Ihre Gelder zu bezahlen? Eben erfuhr ich es bei –

VON TELLHEIM. Was plauderst du? Was lässest du dir weis machen? Begreifst du denn nicht, daß, wenn es wahr wäre, ich es doch wohl am ersten wissen müßte? – Kurz, Werner, Geld! Geld!

WERNER. Je nu, mit Freuden! hier ist was! – Das sind die hundert Louisdor, und das die hundert Dukaten. – Gibt ihm beides.[684]

VON TELLHEIM. Die hundert Louisdor, Werner, geh und bringe Justen. Er soll sogleich den Ring wieder einlösen, den er heute früh versetzt hat. – Aber wo wirst du mehr hernehmen, Werner? – Ich brauche weit mehr.

WERNER. Dafür lassen Sie mich sorgen. – Der Mann, der mein Gut gekauft hat, wohnt in der Stadt. Der Zahlungstermin wäre zwar erst in vierzehn Tagen; aber das Geld liegt parat, und ein halb Prozentchen Abzug –

VON TELLHEIM. Nun ja, lieber Werner! – Siehst du, daß ich meine einzige Zuflucht zu dir nehme? – Ich muß dir auch alles vertrauen. Das Fräulein hier, – du hast sie gesehn, – ist unglücklich –

WERNER. O Jammer!

VON TELLHEIM. Aber morgen ist sie meine Frau –

WERNER. O Freude!

VON TELLHEIM. Und übermorgen, geh ich mit ihr fort. Ich darf fort; ich will fort. Lieber hier alles im Stiche gelassen! Wer weiß, wo mir sonst ein Glück aufgehoben ist. Wenn du willst, Werner, so komm mit. Wir wollen wieder Dienste nehmen.

WERNER. Wahrhaftig? – Aber doch wos Krieg gibt, Herr Major?

VON TELLHEIM. Wo sonst? – Geh, lieber Werner, wir sprechen davon weiter.

WERNER. O Herzensmajor! – Übermorgen? Warum nicht lieber morgen? – Ich will schon alles zusammenbringen – In Persien, Herr Major, gibts einen trefflichen Krieg; was meinen Sie?

VON TELLHEIM. Wir wollen das überlegen; geh nur, Werner! –

WERNER. Juchhe! es lebe der Prinz Heraklius! Geht ab.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 684-685.
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