Erster Auftritt


[293] Szene: in den Kreuzgängen des Klosters.

Der Klosterbruder und bald darauf der Tempelherr.


KLOSTERBRUDER.

Ja, ja! er hat schon Recht, der Patriarch!

Es hat mir freilich noch von alle dem

Nicht viel gelingen wollen, was er mir

So aufgetragen. – Warum trägt er mir

Auch lauter solche Sachen auf? – Ich mag

Nicht fein sein; mag nicht überreden; mag

Mein Näschen nicht in alles stecken; mag

Mein Händchen nicht in allem haben. – Bin

Ich darum aus der Welt geschieden, ich

Für mich; um mich für andre mit der Welt

Noch erst recht zu verwickeln?

TEMPELHERR mit Hast auf ihn zukommend.

Guter Bruder!

Da seid Ihr ja. Ich hab' Euch lange schon

Gesucht.

KLOSTERBRUDER.

Mich, Herr?

TEMPELHERR.

Ihr kennt mich schon nicht mehr?

KLOSTERBRUDER.

Doch, doch! Ich glaubte nur, daß ich den Herrn

In meinem Leben wieder nie zu sehn

Bekommen würde. Denn ich hofft' es zu

Dem lieben Gott. – Der liebe Gott, der weiß

Wie sauer mir der Antrag ward, den ich

Dem Herrn zu tun verbunden war. Er weiß,

Ob ich gewünscht, ein offnes Ohr bei Euch[293]

Zu finden; weiß, wie sehr ich mich gefreut,

Im Innersten gefreut, daß Ihr so rund

Das alles, ohne viel Bedenken, von

Euch wies't, was einem Ritter nicht geziemt. –

Nun kommt Ihr doch; nun hats doch nachgewirkt!

TEMPELHERR.

Ihr wißt es schon, warum ich komme? Kaum

Weiß ich es selbst.

KLOSTERBRUDER.

Ihr habts nun überlegt;

Habt nun gefunden, daß der Patriarch

So Unrecht doch nicht hat; daß Ehr' und Geld

Durch seinen Anschlag zu gewinnen; daß

Ein Feind ein Feind ist, wenn er unser Engel

Auch siebenmal gewesen wäre. Das,

Das habt Ihr nun mit Fleisch und Blut erwogen,

Und kommt, und tragt Euch wieder an. – Ach Gott!

TEMPELHERR.

Mein frommer, lieber Mann! gebt Euch zufrieden.

Deswegen komm' ich nicht; deswegen will

Ich nicht den Patriarchen sprechen. Noch,

Noch denk' ich über jenen Punkt, wie ich

Gedacht, und wollt' um alles in der Welt

Die gute Meinung nicht verlieren, deren

Mich ein so grader, frommer, lieber Mann

Einmal gewürdiget. – Ich komme bloß,

Den Patriarchen über eine Sache

Um Rat zu fragen ...

KLOSTERBRUDER.

Ihr den Patriarchen?

Ein Ritter, einen – Pfaffen?


Sich schüchtern umsehend.


TEMPELHERR.

Ja; – die Sach'

Ist ziemlich pfäffisch.

KLOSTERBRUDER.

Gleichwohl fragt der Pfaffe

Den Ritter nie, die Sache sei auch noch

So ritterlich.

TEMPELHERR.

Weil er das Vorrecht hat,

Sich zu vergehn; das unser einer ihm

Nicht sehr beneidet. – Freilich, wenn ich nur

Für mich zu handeln hätte; freilich, wenn

Ich Rechenschaft nur mir zu geben hätte:[294]

Was braucht' ich Euers Patriarchen? Aber

Gewisse Dinge will ich lieber schlecht,

Nach andrer Willen, machen; als allein

Nach meinem, gut. – Zudem, ich seh nun wohl,

Religion ist auch Partei; und wer

Sich drob auch noch so unparteiisch glaubt,

Hält, ohn' es selbst zu wissen, doch nur seiner

Die Stange. Weil das einmal nun so ist:

Wirds so wohl recht sein.

KLOSTERBRUDER.

Dazu schweig' ich lieber.

Denn ich versteh den Herrn nicht recht.

TEMPELHERR.

Und doch! –

(Laß sehn, warum mir eigentlich zu tun!

Um Machtspruch oder Rat? – Um lautern, oder

Gelehrten Rat?) – Ich dank' Euch, Bruder; dank'

Euch für den guten Wink. – Was Patriarch? –

Seid Ihr mein Patriarch! Ich will ja doch

Den Christen mehr im Patriarchen, als

Den Patriarchen in dem Christen fragen. –

Die Sach' ist die ...

KLOSTERBRUDER.

Nicht weiter, Herr, nicht weiter!

Wozu? – Der Herr verkennt mich. – Wer viel weiß,

Hat viel zu sorgen; und ich habe ja

Mich Einer Sorge nur gelobt. – O gut!

Hört! seht! Dort kömmt, zu meinem Glück, er selbst.

Bleibt hier nur stehn. Er hat Euch schon erblickt.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 2, München 1970 ff., S. 293-295.
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