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[88] Gut ist und schön, ein Jahr Soldat zu sein.

Man lebt so länger. Und man freut sich doch

Mit jedem Funken Zeit, den man dem Tod entreißt.

Dies arme Hirn, zerfetzt von Städtersehnsucht,

Blutig von Büchern, Leibern, Abenden,

Trostlos betrübt und aller Sünden voll,

Dreiviertel schon zerstört – kann nun

Beim Stillestehen und beim Aufmarschieren,

Beim Armerollen und beim Beineschwingen

In einer Ecke des Schädels sanft verrosten.


O, der Gestank in einer Marschkolonne.

O, Laufschritt über holdes Frühlingsland.

Quelle:
Alfred Lichtenstein: Gesammelte Gedichte. Zürich 1962, S. 88.
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