Von dem Bauren-Stand.

[564] Ehedessen war der Feld- und Garten-Bau eine Beschäftigung grosser Leute: Fursten waren Hirten und Helden pflantzten Bäume. Heut zu Tage ist der Land-Mann die armseligste unter allen Creaturen: Die Bauern sind Sclaven, und ihre Knechte sind von dem Vieh, das sie hüten, kaum noch zu unterscheiden.

Man kommt auf Dörffer, wo die Kinder halb nackend lauffen, und die Durchreisende um[564] ein Allmosen anschreyen. Die Eltern haben kaum noch einige Lumpen auf dem Leib, ihre Blöse zu bedecken. Ein Paar magere Küh müssen ihnen das Feld bauen und auch Milch geben. Ihre Scheuren sind leer, und ihre Hütten drohen alle Augenblick über einen Hauffen zu fallen: Sie selbst sehen verkahmt und elend aus; und man würde noch mehr Mitleiden mit ihnen haben, wann nicht ein wildes und viehisches Ansehen ein so hartes Schicksal an ihnen zu rechtfertigen schien. Wehe den Fürsten! die durch ihre grausame Tyranney und durch ihre üble Haußhaltung den Jammer so vieler Menschen verursachen.

Der Bauer wird wie das dumme Vieh in aller Unwissenheit erzogen; Er wird unaufhörlich mit Frohn-Diensten, Boten-Lauffen, Treib-Jagen, Schantzen, Graben und dergleichen geängstiget: Er muß von Morgen bis Abend die Aecker durchwühlen; es mag ihn die Hitze brennen, oder die Kälte starr machen. Des Nachts liegt er im Felde, und wird schier ein Wild, um das Wild zu scheuen, daß es nicht die Staat plündere: Was dem Wild-Zahn entrissen wird, nimmt hernach ein rauher Beamter auf Abtrag der noch rückständigen Schoß- und Steuer-Gelder weg.

Wann nun hier der nicht minder boshafte als gequälte Bauers-Mann, seinem Herrn etwas unterschlagen und mit List entweden kan, so thut er solches mit dem besten Hertzen von der Welt; und bildet sich ein, die Gerechtigkeit sey nur ein ausgedachter Vortheil der Grossen,[565] damit sie alles sich zueignen könten; wenn ihm also die Furcht der Straffe nicht bang machte, so würden die zehen Gebotte ihn schwerlich von den gröbsten Missethaten zurück halten.

Solche traurige Beschaffenheit hat es heutiges Tages mit demjenigen Stande, der an und vor sich selbst der allerunschuldigste und nützlichste ist. So sehr aber darinn wider alle natürliche Billigkeit gehandelt wird, da man durch eine unumschränckte Gewalt den grösten Theil der Menschen ins äusserste Elend stürtzet, so wenig Vortheil entstehet auch daraus dem Staat. Ein armes Land ist gleich den magern Feld-Gütern, die kaum die Helft so viel Nutzen ihrem Herren abgeben, als wenn sie in gehörigem Bau unterhalten werden.

Ein grosser Fürst, dessen Weißheit ihn noch mehr als seine Crone erhoben hatte, pflegt ehedessen zu sagen: Er hätte weder Mangel an Geld, noch an Soldaten, so lange seine Bauern noch silberne Knöpffe auf den Kleidern trügen. Was kan richtiger seyn als dieser Schluß? So lang der Unterthan etwas im Vermögen hat, so lang kan er auch sein Haußwesen ordentlich, bestellen, seiner Nahrung nachgehen, seine Felder mit Nutzen bauen, und von allem die Gebühr seinem Landes-Herren desto ordentlicher entrichten.

Versiehet er etwas gegen die Gesetze, so hat er etwas, daß man ihn dafür bestraffen kan; ohne daß man ihn deßwegen darf von seiner Nahrung wegnehmen und ins Gefängniß sperren; Bedrohet ein feindlicher Einbruch das[566] Land zu verheeren, so hat er etwas dabey zu verlieren: Er ergreifft selbst die Waffen, um sein Vatterland, seinen Herren und sein eigen Gut zu verthaidigen. Braucht der Fürst Geld, so kan er solches bey seinen eigenen Unterthanen aufnehmen, und hat nicht nöthig Land und Leute dafür mit hohen Zinsen und grosser Gefahr an seine Nachbarn zu versetzen. Endlich, hat der Unterthan etwas im Vermögen, so kan er seinen Kindern auch etwas lernen lassen; Er kan auf diese Weise dem Staat vernünftige Einwohner, getreue Bürger und gute Haußhälter erziehen.

Diese wichtige Gründe wollen heut zu Tage wenig Fürsten mehr einsehen: sie plündern ihr eigen Land; sie folgen jener Königin, welche zu sagen pflegte: Der Bauer sey reich genug, wenn er eine aus Binsen geflochtene Matrazze zum Lager, und einen groben leinenen Kittel zur Kleidung hätte; weil er sonst als die boshaftigste von allen Creaturen nicht zu bändigen wär; allein was richtete sie damit aus, als daß ihre Bauern endlich den Pflug verliessen, dem Raub und dem Plündern nachgiengen, und das gantze Land unsicher machten.

O unselige Fürsten! die ihr euch Helden, Schutz-Engel und Landes-Väter nennen lasset; seyd ihr nicht vielmehr, wann ihr solchen grausamen Regungen folget, und eurer Unterthanen Schweiß und Blut, eurem Ubermuth, eurer Wollust, und eurer Uppigkeit aufopffert: der Bezüchtigung jenes Räubers unterworffen, der dem Macedonischen Alexander[567] vorwarff, er sey noch ein weit grösserer Räuber, als er. Solte nicht, wenn ihr ja noch einen GOtt glaubet, die Vorstellung desjenigen Gerichts euch erschüttern, da nach dem gerechtesten Maas einem jeden soll vergolten werden, was er hier in dieser Welt gutes und böses gethan habt?

Die Verbesserung eines Staats ist mit nichten so schwer, als man sich solche einbildet. Ein kluger Regente darf nur vom Mitleyden gerühret werden, so viele Menschen unter feiner Bottmäßigkeit im Elend zu sehen; so ist diese Empfindung schon genug, ihm gute Rathschläge an die Hand zu geben.

Quelle:
Johann Michael von Loën: Der redliche Mann am Hofe. Frankfurt am Main 1742., S. 564-568.
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