[247] Der Schauplatz bildet ab des Senece Gemach.
Seneca. Martius Festus. Paulina.
MARTIUS FESTUS.
So läßt uns Seneca in Noth / sich in Gefahr.
SENECA.
Natal hat euch entdeckt was zu entschlüßen war.
MARTIUS FESTUS.
Wie wird Epicharis nicht diesen Schlag empfinden.
SENECA.
Die alles überwand darf nichts mehr überwinden.
MARTIUS FESTUS.
Der Blutthund blüht / da ihr doch Krafft und Geist gebricht.
SENECA.
Die Tiranney wiech ihr / sie dem Tyrannen nicht.
MARTIUS FESTUS.
Daß Grimm und Hencker könn aufs neue mit ihr spielen.
SENECA.
Sie und ein Weiser kan die minsten Schmertzen fühlen /
Schleuß ihn schon Phalaris in glimmen Ochßen ein.
MARTIUS FESTUS.
Des Zeno Glieder sind auch fleischern / nicht von Stein.
SENECA.
Brennt aber gleich sein Leib / so sigt doch sein Gemütte.
MARTIUS FESTUS.
Dis alles lehnt nicht ab die so gerechte Bitte.
SENECA.
Was euch vergünftigt ist / ist Senecen nicht recht.
MARTIUS FESTUS.
Wie reimt sichs Weise seyn / und ein Tyrannen-Knecht?
SENECA.
Ein Weiser bleibt auch frey in Feßeln des Tyrannen.
MARTIUS FESTUS.
Doch freyer / der ins Joch die Tyranney hilft spannen.
SENECA.
Der dient Begierden schon / wer die nicht dulden kan.
MARTIUS FESTUS.
Der Himmel nimmt sich selbst gerechter Rächer an.
SENECA.
Kein Recht vergönnt mir mich am Nero zu vergreiffen.
MARTIUS FESTUS.
Läßt die Natur nicht zu auf Mörder Mordwehrn schleiffen?
SENECA.
Wie daß die Furcht den Hirsch / die Flucht die Taube schützt?183
MARTIUS FESTUS.
Wie daß dem Löwen sie so Zahn als Klauen spitzt?
SENECA.
Am Menschen aber ist nicht Klau und Zahn zu schauen.
MARTIUS FESTUS.
Die Waffen der Vernunft bezwingen Löw und Klauen.
SENECA.
Der hat Vernunft / der Mord und Unheil nicht spinnt an.
MARTIUS FESTUS.
Noch mehr der welcher sich erhält / im Fall er kan.
SENECA.
Wir sollen ohne Mord uns der Gefahr entziehen.
MARTIUS FESTUS.
Es schafft mehr Ruhm der Noth begegnen / als sie fliehen.
SENECA.
Verscharrn auch Thiere doch den Fuß-Pfad umb ihr Nest.184
MARTIUS FESTUS.
Doch ist den Furchtsamen dis oft ihr Grab gewest.
SENECA.
Kein beßer Schild ist nicht als seiner Unschuld trauen.[248]
MARTIUS FESTUS.
Kommt nicht das Reh ins Wolf- die Taub ins Habichts Klauen?
SENECA.
Meist schafft der Vorwitz Noth / und Sicherheit Gefahr.
MARTIUS FESTUS.
Wie? Daß selbst Seneca für ihm nicht sicher war.
SENECA.
Was hat der Fürst erpreßt / und was ist mir genommen?
MARTIUS FESTUS.
Du bist von Hof und Gunst nach Hauß in Ungunst kommen.
SENECA.
Der Fall ist mir ein Glück und der Verlust Gewien.
MARTIUS FESTUS.
Was aber muß für Schmertz solch Undanck nach sich zihn?
SENECA.
Auch dem Vertheidigten reckt Cicero den Nacken.185
MARTIUS FESTUS.
Es wird auch ein Popil dir noch den Kopf abhacken.
SENECA.
Nichts ist so herb / aus dem ein Weiser nicht schöpft Trost.186
MARTIUS FESTUS.
Auch wenn der Undanck sich auf die Verdienst' erbost?
SENECA.
Auch / wenn dem Socrates Athen schon Gift einschäncket.
MARTIUS FESTUS.
Es ist Natürlich: Daß uns Leid und Unrecht kräncket.
SENECA.
Man kan dem Weisen Leid und Unrecht nicht thun an.187
MARTIUS FESTUS.
Der Blutthund Nero lehrt / was Boßheit wagen kan.
SENECA.
Sie wagt viel / sonder Frucht; ja wenn der Abgrund stürmet /
So bleibt ein Himmlisch Geist doch durch sich selbst beschirmet.
Der Demant machet stumpf den Stahl / der Felß die Flutt /
Und Salamandern ist noch viel zu kalt die Glutt.
Laß jenen Wütterich den Tag mit Pfeilen schwärtzen /188
Nicht einer trifft den Zweck der güldnen Himmels-Kertzen;
Und Xerxes / deßen Wahn das Meer mit Rutten streicht /
In Abgrund Ketten wirft / lernt: Daß sein Arm nicht reicht /
Dem Waßer weh zu thun / und den Neptun zu binden.
Ja / wie die Götter selbst nichts schmertzliches empfinden /
Wenn man ihr Bild zerbricht / die Tempel äschert ein:
So / weil die Weisen ja auf Erden Götter seyn
Und Geister über Sonn und Sternen in sich nehren /
Kan Unfall zwar den Leib ihr bloßes Bild verzehren /
Nichts aber Irrdisches dem Geiste Schaden thun.
Weil in nicht außer ihm so Schatz als Wesen ruhn.
Das Glück ist ihm ein Weib / das nichts hat zuzubringen /
Und / wenn es mit ihm kämpft / ihm nichts weiß abzuringen;
Weil Flamm und Schiffbruch nicht sein unbeschadet Gutt[249]
Die Tugend rauben kan. Als Megara durch Glutt /
Des Stilpons Hauß durch Brand /189 sein Geld durch Raub vergangen
Er samt den Töchtern selbst vom Feinde war gefangen /
Ja selbst der Tempel Last auf ihre Götter fiel /
Rief er: Poliorcet erhebe wie er wil
Des armen Siegs Gewien / und daß itzt sein Gelücke
Auf meine Meister spielt und tausend andre drücke:
Daß Ehrgeitz dort sein Ampt / der Geitz sein Geld beweint;
Ich habe nichts verlohrn. So / da es nunmehr scheint:
Daß Nero mir nicht mehr die armen Gütter gönne /
Hat er: Daß Seneca den Tand verrathen könne /
Und das geschenckte Nichts ihm wieder bitten190 an /
Fürlängst von mir gelernt. Weil ja kein Glücks-Gutt kan
Besitzthumbs würdig seyn / nach dem das Hertz uns henget /
Das Ruh und Schlaff uns stört / so bald man es empfänget
Und das man für Verlust / wenn mans verlohrn hat / schätzt.
Wird unter den Vatin auch Cato gleich gesätzt /
Vom Pöfel angespien / sein Rock ihm abgerißen /
Hat er vom Richterstul und Ampte steigen müßen;
So tritt ihm Cæsar doch den Thron der Tugend ab /
Ja mit ihm leget sich die Freyheit in sein Grab.
So / und noch minder darf ein Seneca sich schämen /
Wenn Tigillin für mir den Vorsitz ihm darf nehmen.
Solch Schimmer / durch den sich der Ehrgeitz bländen läßt /
Gleicht Blasen / die ein Kind aus Seif und Waßer blaßt.
Läßt denn ein Wütterich uns gar das Liecht außblasen /
Und durch sinnreiche Pein auf Hals und Glieder rasen /
Wenn Hencker und Tyrann am schärfsten wil gebahrn /
So läßt der Seele Kern des Leibes Schale fahrn /
Entschlippt der Folterbanck / so wie die Luft den Streichen;
Ja / wenn / was irrdisch lebt und Knecht ist / muß erbleichen
So blüht das Himmlische / der Geist wird Feßel-frey
Und Tod und Todfeind legt uns Ruhm und Siegs-Krantz bey.
MARTIUS FESTUS.
Pröxaspes heuchelt dir /191 und liebkoost dem Tyrannen /
Wenn er mit Lachen sith Cambysens Bogen spannen
Auf seines Sohnes Hertz / und der scheint dir befleckt /[250]
Dem an des Königs Tisch der Kinder Fleisch gut schmeckt;192
Und du gibst Lachen drein / darfst recht und weis' es loben /
Mit starrem Auge sehn auf Recht und Unschuld toben /
Gewiß: Wer's Vaterland nicht rettet wenn er kan /
Steckt Furien ein Licht /Tyrannen Weyrauch an;
Stürtzt Völcker in Verterb / hilft Freinden auf die Baare
Und baut mehr als Busir den Göttern Mord-Altare.
SENECA.
Es scheint nichts Neues mir: Daß Unschuld Schuld muß seyn.
Kan Cleonicus mir kein Gift-Glaß bringen ein /
So schäumt Suillius auf mein unschuldig Leben193
Verläumbdungs-Gifft und Jäscht. Am Seneca muß kleben
Mehr Boßheit / als er nie verdammt in Schriften hat
Und andern fürgerückt. Bald sol er haben Rath
Zum Bruder-Mord ertheilt / bald sich mit Agrippinen
Durch geile Brunst befleckt.
MARTIUS FESTUS.
Dis alles kan dir dienen
Zur Warnung: Daß wer nur Tyrannen Pflaumen streicht /
Bey ihnen keinen Danck / bey andern Spott erreicht.
Die Nachwelt / sichre dich / wird noch den Nero rühmen /194
Und seiner Laster Schmach durch deine Schuld verblümen /
Des Mutter-Mörders Dolch dir mahlen in die Hand.
SENECA.
Nichts Wunder / weil Busir auch eine Lob-schrift fand /195
Daß meine Unschuld muß auch Nerons Schuld weiß brennen.
Doch kan kein frembder Wahn den Glantz von Tugend trennen /
Ob blöden Augen schon ihr Schön-seyn nicht gefällt.
Bey uns stehts / was wir sind / nicht was man von uns hält.
Gesätzt: Daß andre nun uns wiedrig urtheiln mögen /
Der Lauf der Sternen kehrt sich auch der Welt entgegen /196
So / was der Pöfel schilt / hält meist ein Weiser werth;
Und lacht des Lästerers. Auch Socrates verkehrt
In Lachen197 und in Schertz / so / wenn Xantipp ihm fluchet /
Als wenn in offnem Spiel ein Narr ein Gauckler suchet
Ihn stachlicht aufzuzihn. Kurtz / wie die Welt bewand
Ist über Mond / und Luft /198 so ist des Weisen Stand /
Gesätzt / daß Wolck und Feind sonst Blitz und Kwal außschütte /
Ihm scheinet Sonn und Luft doch immer im Gemütte.
PAULINA.
Mein Licht! ach nun wirds wol umb uns geschehen seyn![251]
SENECA.
Was sicht / mein Schatz / dich an?
PAULINA.
Ins Hauß dringt Kriegs-Volck ein.
MARTIUS FESTUS.
Was ich dir wahrgesagt / ist leider! gegenwärtig.
SENECA.
Ein Weiser hält sich stets auf ieden Zufall fertig.
Cotuald ein deutscher Hauptmann. Seneca. Paulina. Statius Annæus. Martius Festus. Etliche deutsche Soldaten von der Käyserlichen Leib-Wache. Dyphax und etliche andere Knechte des Seneca.
COTUALD.
Der Fürst wil Senecen nicht lebend wißen mehr.
SENECA.
Vollbringe was er schafft. Ich sehne mich so sehr
Nach Angst und Leben nicht / und wenig Kummer-Jahren.
COTUALD.
Der Käyser läßt dir noch die Gnade wiederfahren
Daß du dir einen Tod willkührlich magst erwehln.
PAULINA.
Muß man den Sterbens-Zwang noch unter Gnaden zehln?
COTUALD.
Nur sags: Ob du nicht selbst dein Urtheil wilst erfüllen?
SENECA.
Nicet gib mir den Dolch / Palur den letzten Willen.199
COTUALD.
Den letzten Willen ist zu schlüßen es nicht Zeit.
SENECA.
Dis ist der letzte Wunsch und Trost der Sterbligkeit.
COTUALD.
Die Gütter sind verfalln / die du meinst zu vermachen.
STATIUS ANNÆUS.
Man nimmt mit Schimpfe weg vorhin geschenckte Sachen.
COTUALD.
Der Käyser lernt an dir: Daß kleine Wolthat Gunst /
Zu große Feinde macht.
SENECA.
Durch diesen blauen Dunst
Wird Nero aller Welt Gesichte nicht verbländen.
COTUALD.
Viel minder du durch Schein verdiente Straff abwenden.
SENECA.
Dem Weisen ist der Tod auch Armuth keine Pein.
STATIUS ANNÆUS.
So gehts / Tyrannen muß ihr Wol-thun Wucher seyn /
Die Diener nur ein Schwamm / dem sie Vermögen gönnen:
Daß sie aus ihm zur Zeit auf einmal drücken können /
Was Sorgen und Verdienst und Zeit gesamlet hat.
MARTIUS FESTUS.
Was ist des Senece so große Mißethat?
Die Leib und Gutt verwirckt? Den Opfern / die man schlachtet /
Nimmt man den Schmuck sonst nicht.
SENECA.
Hier wird für Recht geachtet:
Daß des Erwürgten Kleid dem Hencker stehe zu.
Glaubt aber: Daß solch Raub am minsten weh mir thu.[252]
Des Lebens Reif' ist aus / was ist der Vorrath nütze?
Die Bürde drückt nur mehr. Ja / weil ich was besitze /
Was einen Tigillin vielleicht ins Auge sticht /
Geschicht es: Daß man mir so bald den Hals abspricht.
Doch hett ich ohne Zwang ihm wieder heim gegeben /
Was seine Aegeln reitzt. Gold / an dem Seelen kleben /
Ist schon nicht sein / weil es das Kupfer schnöder Luft
Als schlimmen Beysatz hat. Der Weißheit ist bewust:
Daß dieser nur sey reich / der Reichthum weiß zu haßen /
Und / wenn es Unlust schafft / kan wieder fahren laßen.
Weil ich / ihr Freinde / denn euch sonst nichts laßen kan /
So nehmt mein Ebenbild des Lebens von mir an /
Das / ist es anders nicht zur Tugend Gipffel kommen /
Sein Absehn doch stets hat auf diesen Zweck genommen.
Jedoch das Wollen ist in großen Sachen viel /
Ja die Begierd allein zu kommen an ihr Ziel /
Hat schon der Eitelkeit den Vorthel abgerennet.
Die Buhlerin hab ich vom Nahmen nur gekennet;
Der Weißheit grösten Theils gewiedmet meine Zeit /
Zu welcher ihr mir selbst ein Licht gewesen seidt.
Und / wolte Gott / daß ich verwiesen blieben wehre /
In Cyrnos Einsamkeit umbringt von Felß und Meere /
Doch Meister des Gelücks und im Gemütte frey /
Entfernt von Hof und Neid und strenger Tiranney;
Daß Agrippine mich nicht mehr geschätzet hette
Als Cajus / was ich schrieb /200 daß ich niemals am Brette
Gewest beym Käyser war. Ich hette nie verspürt /
Was der so süße Hoff für Wermuth bey sich führt;
Noch was die Ehrfucht kan in einer Agrippine;
Auch nie den Halß verdient der geilen Meßaline.
Ja Nero hat die Zucht so sauer mir gemacht /
Als den / der Tyger zähmt / ein Drachen-Nest bewacht /
Nicht seine Müh kommt an. Noch wil der Argwohn schlüßen:
Ich hett ihm allzu sehr den Zügel laßen schießen;
Wenn ich: Umb daß er nicht Rom preßte Thränen aus[253]
Ihn ließ die Harffe spieln. Itzt nun Poppe' sein Hauß
Und Tigillin bestellt / ist Unzucht / Brand und Morden
Des Käysers Zeit-Vertrieb / der Römer Schauspiel worden.
Sein Raub lehrt auch den Neid / der mir mein Gutt wirst für:
Er hab es nicht geschenckt nur eingesätzt bey mir /
Umb selbtes zu verwahrn für seinen Pflaumen-Streichern
Und durch Freygebigkeit sich selber zu bereichern.
PAULINA.
Itzt gibt sein Grausam-seyn der Wolthat ihren Danck /
Und Unschuld fühlet Straff und Tugend Noth und Zwang.
SENECA.
Der Tugend Frühlings-Lust ist Hagel / Sturm und Flamme.
Sie hat zur Mutter Schweiß / und Elend zu der Amme
Das Unglück handelt sie wie Phidias Porphier
Und macht durch Feil und Brand erst ein schön Bild aus Ihr;
Ja all ihr Schmuck besteht in Thränen / Blutt und Aschen.
So wird die Perle schön durch scharffe Flutt gewaschen /
Der Wellen Saltz-Schaum gibt Korallen ihren Schein
Und Stahl und Feuer macht so Gold als Demant rein;
Und unser Sonnenschein besteht in Blitz und Wettern.
Der Wollust Nattern spieln in sanften Rosenbettern /
Sie findt auf Seide kaum / wir auch auf Disteln Ruh;
Wir heiln die Wunden uns mit Myrrh und Eßig zu /
Sie kan Jaßminen-Oel kaum auf dem Schaden leiden.
Wir laßen Lung und Brust uns aus den Brüsten schneiden
Und fühlen minder Pein als Hencker / die vollzihn
Was Rach und Blutt-Durst heist. Die zwey / glaubt / henckern ihn
Viel ärger / als er mich / der / wenn ers gnädig meinet /
Spricht Halß und Leben ab.
COTUALD.
Der Käyser selbst beweinet
Daß er den / den er liebt / muß sünd- und strafbar schaun.
STATIUS ANNÆUS.
Die Thränen die ein Feind läßt aus den Augen thaun
Ist Waßer / wie ein Bild aus Marmel von sich spritzet /
Und das bey Hitz und Brand aus feuchtem Holtze schwitzet.
Ist ein bluttgierig Hertz nicht von Empfinden frey /
So glaubt: Daß / wenn es weint / es voller Feuer sey
Und Mord und Rache koch.
SENECA.
Ich wünsche zu erblaßen /
Weil es der Käyser heißt / die Götter es zulaßen /[254]
Und das Verhängnüs rufft. Hat doch mein Schatten mir
Im Leben ieden Tag den Tod gebildet für;
Und iede Nacht gelehrt: Daß alles muß erkalten.
Ich hab auch bey der Luft Egyptisch Tisch gehalten /
Ein abgefleischt Geripp in letzter Tracht gesätzt
Zum Schaugerichte für; mit Töpffen mich ergetzt
Von Todten-Asch erfüllt. Wer / was ich schrieb / wird lesen /
Wird urtheiln: Daß der Tod mein Mittel-Punct gewesen /
In dem Gedanck und Schrift als Striche sich verlohrn /
Die aus dem Zirckel warn der Eitelkeit gebohrn.
Mein Licht der Wißenschafft ward dieser Nacht geweihet /
Und alle Blumen hab auf Gräber ich gestreuet /
Wormit die Weißheit prangt. Nun sol das Werck thun dar /
Ob sichs so muttig stirbt so keck die Rede war.
Gewis wer nur begreift: Daß wir durch Tod und Sterben
Des Lebens Unlust fliehn / wo nicht mehr Luft erwerben /
Daß man die Seele nicht sätzt mit dem Leibe bey /201
Der weiß schon: Daß sonst nichts am Tode schrecklich sey /
Als nur die Furcht für ihm; Daß / was man nicht kan meiden /
Nicht fürchten / sondern nur erwarten sol zu leiden.
Zu dem / wir sterben ja schon vom Geburthstag an /
Wie daß der letzte Tropf'202 uns erst so lieb seyn kan?
Da doch das minste Theil der Sand-Uhr unsers Lebens
Lauft nun empfindlich aus. Wir flihn den Schluß vergebens /
Den das Geburts-Licht uns ins Himmels-Buch schreibt ein /
Mit Ziffern / welche selbst Chaldeern frembde seyn /
Die Gott nur lesen kan / und Weise nur verstehen.
PAULINA.
Wie daß Tyrannen es nicht pflegt so arg zu gehen?.
Und mag ein Tod von Schimpf und Wehmuth bleiben frey /
Wenn Todten man ins Grab legt grause Laster bey?
SENECA.
Pauline / Nero wird so froh wie wir nicht sterben.
Er fühlt die Furien ihm schon den Tod erherben /
Der Freinde Thrän und Wunsch dient zur Ergetzung mir /
Ihm stellt der Mutter Geist sich zur Erinnys für /
Und ieder Schatten wil sich seinem Hencker gleichen.
Ja ein gewaltsam Tod ist itzt der Unschuld Zeichen.[255]
Was schmertzt mein Tod euch denn? Wir leben in der Pest
Der Zeit / da wer sich nicht zum Werckzeug brauchen läßt
Der Boßheit / wird ihr Ziel; Da / gleich als Wölff- und Beeren
Die Bürger in der Welt / die Tyger Fürsten wären /
Da säufzend Angst-Geschrey gemeines Athemhohln /
Mordthaten Kurtzweil sind. Bleibt also Gott befohln /
Ihr Freinde / die ich nun zu gutter Nacht gesegne;
Der helffe: Daß euch nicht was Schmertzlichers begegne.
Pauline / mäßige / mein Schatz / mein Licht / dein Leid /
Beginne mit Vernunft / was andre mit der Zeit.
Ob deine Thränenbach zwar dein Geschlecht entschuldigt /
So weise doch: Daß du der Weißheit hast gehuldigt /
Die nichts Empfindlichs hat / daß du die Seule bist /
Die doch gerade bleibt / wenn sie gesenckt gleich ist;
Daß / wie behertzt ich sterb / auch du den Schlag empfindest /
Und mitten in der See des Unglücks / Hafen findest.
Daß / wenn man Senecen gleich tödtet und begräbt /
Sein Ebenbild doch noch in der Pauline lebt.
PAULINA.
Was für Gesätze wil mein Schatz Paulinen schreiben?
Sol Seneca vergehn / Pauline lebend bleiben?
Sol / die in Glück und Lust sein halbes Theil sich prieß
Im Hause Senecens / das Stoa war und hieß /
Aus seinen Lehren / nichts als Furcht gelernet haben?
Und sol sein Todten-Topf die Asche nicht begraben
Derselben / die in ihm gelebt hat / nicht in ihr?
Mahlt sein Exempel uns nicht / was zu thun sey / für?
Die Würmer können nur halb sterben und halb leben /
Solln die nun unsrer Seel ein falsches Vorbild geben?
Der Rath ist Senecen nicht ernst- auch ähnlich nicht.
Denn / wer das Leben rühmt / mahlt mit der Kohl ein Licht;
Und den der Tod erschreckt / der fürchtet sich für Schatten.
Wil mir nun Seneca zu sterben nicht verstatten /
Der mir dis Thor selbst hat zur Freyheit aufgethan?
Verschrenckt man mir mit Fug die selbst erwehlte Bahn?
Nein! Nein! Paulin entschleust was Senecen gebührte.
Ja da die Zagheit auch uns auf den Irrweg führte /[256]
Würd uns der Wütterich / der die / die ihn gebahr
Zur Welt und auf den Thron / und zweymal Mutter war /
So wie den Lehrer itzt bluttdürstig aufgerieben /
Den Mord-Spruch über uns drey Tage wol verschieben?
SENECA.
Was hetzt auf sie ihn an?
PAULINA.
Es ist der Boßheit Brauch:
Verletzten Feind zu seyn. Gesätzt / daß Nero auch
Das Leben möchte mir so wie ein Gunst-Recht gönnen /
Würd ich die bluttge Faust als gnädig küßen können /
Die durch des Bruders Hertz / der Mutter Därmer fährt?
Des Silla Wirth wil nicht des Lebens seyn gewehrt
Von ihm / umb daß er so auf andre Bürger wüttet:
Und ich soll / nun er Rach und Mord hat außgeschüttet /
Auf dich mein halbes Ich / umbs Leben ihn flehn an;
Die / wenn mein Seneca stirbt / nicht mehr leben kan?
SENECA.
Das Leben zeugt ich dir / sein Wermuth nur zu schmecken /
Wie Mütter / die die Brust zwar ihren Kindern recken /
Die Wartzen aber schmiern mit bittren Säften ein
Wenn sie der Mutter-Milch nunmehr entwehnt solln seyn.
Wiß auch: Daß ich den Tod darumb nicht rathen wolte /
Daß sie ihn von sich selbst so keck erwehlen solte.
Gewiß Pauline stirbt so rühmlicher als ich.
Sie fleucht das Leben recht / das Leben aber mich;
Sie kiest freywillig aus / ich nur aus Zwang die Baare:
Sie opfert Blüth und Kern / ich nur den Schaum der Jahre.
Pauline / nun ists Zeit zu sterben. Dyphax schneid
Uns Flachs' und Adern auf.
DYPHAX.
Herr / solch ein Hertzeleid
Kan nicht mein Auge sehn / nicht meine Faust beginnen.
SENECA.
Du wirst so Ruhm als Danck durch diesen Dienst gewinnen.
Kom schneid der Adern Drat / der Seele Kett entzwey /
Und schaffe daß dein Herr dein Freygelaßner sey.
DYPHAX.
Ich wolt eh selbst den Dolch in meinem Blutte färben.
SENECA.
Dein Kleinmuth lehret mich: Daß / wer begehrt zu sterben
Zu Glück und Tode nicht geborgter Armen darf.
Gib mir dein Meßer her. Ists spitzig auch und scharf?
Mir und dem Cato ists nicht schimpflicher /203 das Leben
Zu bitten / als den Tod. Zorn und Begierde geben
Den Stahl sonst in die Hand / mir reicht die Tugend ihn.[257]
Die Adern sind zerkerbt. Nun brauch ihn auch Paulin.
PAULINA.
Laß uns den edlen Dolch in seinem Purper küßen!
Nun ist der Lebens-Drat mein Feßel auch zerrißen /
Das Thor zur Ewigkeit geöfnet durch die Wund.
SENECA.
Erwünschter Freyheits-Tag! Verlangte Freuden-Stund!
An welchem Tiranney und Tugend wird vergnüget.
Danckt / ihr Soldaten uns: Daß ihr ein Mittel kriget
Den schlimsten Hencker-Dienst von euch zu lehnen ab.
Mich / denckt die Zeit: Daß Rom euch aufzuheben gab
Den Fürsten und sein Heil / itzt / nun die Hofe-Raben
Die Adler unter lieh / die Welt zum Aaße haben /
Nachdem des Burrhus Ampt ein Tigillin nimmt ein /
Müst ihr der Lader Schirm / des Blutthunds Schergen seyn;
Poppeens geilen Mund / den andrer Scham beschämet /204
Das Wort euch geben hörn.
COTUALD.
Wer sich der Zeit bekwemet /
Der Fürsten Rath nicht forscht / ist frey von Mißethat.
Du mache / daß es einst mit dir ein Ende hat.
STATIUS ANNÆUS.
Meinstu: Daß Angst und Furcht der Adern Röhr verstopffen?
Sein fast versiegen Kwäll des Bluttes rinnt mit Tropffen /
Weil Sorgen Kräfte fehln / dem Alter Blutt gebricht.
SENECA.
Der Fürst läscht durch mich aus ein schon verglommen Licht /
Versänckt ein morsches Schiff / das schon fing an zu sicken.
PAULINA.
Gewiß / weil Nero nichts als Blutt gewohnt zu trincken /
Wird sein gefüllter Wanst ein reicher Spring-Brunn seyn /
Wenn er sein Hencker ihm den Dolch wird stoßen ein.
SENECA.
Der Tod pflegt Furchtsame nur zeitlich zu bestricken /
Wer ihms Gesichte kehrt / dem weiset er den Rücken;
Mein Wunsch zu sterben preßt vergebens Seel und Blutt.
Wie oder fehlet Luft: Daß die versperrte Flutt
Nicht sein Behältnüs läßt? Laßt uns mehr Luft ihr machen.
Den Dolch her!
COTUALD.
Wer wil nicht der zarten Wunden lachen?
Habt ihr / wie ihr euch rühmt / so sehr zu sterben Luft
So stost den kalten Stahl ins Hertze durch die Brust /
Und kürtzt euch Schmertz und Tod.
SENECA.
Wer Wermuth nicht verdeuen[258]
Und Schmertz verschmertzen kan / verschlingt nur ohne Keuen
Die Artzney herber Pein. Mir schmeckt nichts bitter nicht.
Denn / wenn die Marter gleich den Leib den Knecht ansicht /
So sith die Seele doch so froh die Glieder zittern /
Als wenn ein Sieger hört der Sclaven Feßel schüttern /
Singt / wenn der dürre Leib am Schwefel-Pfale glüht /
Wie Nero / wenn Rom brennt / ein lustig Sieges-Lied.
Nur diesen Schmertz fühl ich / den du / Pauline / leidest;
Weil du die Seele mir mehr als dein Fleisch durchschneidest /
Ja mein so langsam Tod die Pein dir größer macht.
Du schweigst! Sie werde bald ins andre Zimmer bracht.
Ihr Götter / aber was ist Senecens Verkerben:
Daß / wenn ein Wütterich ihm nicht verwehrt zu sterben /
Ihr ihm den Tod mißgönnt? Der nur von hinten zu
Ist schrecklich / wenn er fleucht. Mein Freind Anneus / thu
Uns doch den Libes-Dienst / hilf ab so schwerem Leben
Durch Gift / weil du mir nicht kanst beßer Artzney geben /
Die auch dem Geiste dient.
STATIUS ANNÆUS.
Ach! mutte mir nicht an /
Was Henckern kaum gebührt / kein Freind beginnen kan.
SENECA.
Die Liebe zückt zur Zeit so wol als Zorn den Degen /
Egnatz entschleust sich Stahl und Hand an Sohn zu legen /205
Der stößt den Vater durch / eh als der Feind sich sol
Mit ihrem Blutte kühln. Wer Arrien spricht wol:
Daß sie den bluttgen Dolch206 aus Wund und Brüsten reißet /
Dem Ehman ihn stellt zu / ihn ihr es nachthun heißet
Wer Senecen traut zu: Daß er Paulinen libt /
Wenn er den Stahl ihr schon zum Aderlaßen gibt /
Der wird als einen Artzt dich erst in Himmel heben /
Wenn du durch Gift mir wirst das wahre Heil eingeben /
Was nimmermehr erkranckt.
STATIUS ANNÆUS.
Ich folge doch aus Zwang!
SENECA.
Willkommen! süser Saft! Wahrhafter Götter-Tranck!
Ich sehe Socraten mir diesen Kelch zutrincken /
Ja aus den Sternen mir den großen Geist zuwincken.
Da auch mein Schatten nicht so einer Sonne gleicht /
Genung: Daß Seneca wie Socrates erbleicht.[259]
STATIUS ANNÆUS.
Verlangstu schnellen Tod und Linderung der Schmertzen /
Begib / weil sonst das Gift nicht dringen wird zum Hertzen
In die mit heißer Flutt gefüllte Wanne dich /207
Daß das erstarrte Blutt in Adern rege sich.
SENECA.
Viel / die den Riesen sich an Muth und Kraft verglichen /
Sind oft durch einen Ball in Schertz und Spiel erblichen.208
Des Aeschilus sein Haupt erschellt ein Schnecken-haus /
Mit dem Anacreon machts eine Weinbeer aus;
Speusippus find den Sarch in geilen Weiber-Hüften;
Und Flutt / Gift / Meßer kan nicht meiner Seele lüften
Die Außfahrt aus der Kwal.
STATIUS ANNÆUS.
Der Sturm-Wind zwingt oft nicht
Den Nachen / wenn der West ein Orlog-Schiff zerbricht:
Doch muß zuletzt ein Kahn auch seinen Wirbel finden.
SENECA.
Es scheint: Daß mir nunmehr so Aug als Licht verschwinden /
Die Welt-voll Menschen dünckt ein Ameiß-Hauffen mich /
Die Häuser baun aus Staub / und umb ein Senfkorn sich
In Schlachten laßen ein / ins Waßer Furchen graben /
Und weil sie Wind aus-feen; nur Rauch zu erndten haben.
Mein Geist legt nunmehr Schal und Leib und Feßel hin /
Und freut sich; Daß ich frey von Eitelkeiten bin /
Und aus der See der Welt in Sterbens Hafen lende.
Ihr Freinde gutte Nacht! Mein Leben hat ein Ende.
Erlöser Jupiter nimm dis mein Opffer an /209
Die Hand voll Blutt / weil ich dir sonst nichts opffern kan.
Der Schauplatz stellet der Verurtheilten Mord-Platz für.
Vejanus Niger. Subrius Flavius. Fenius Rufus. Etliche Soldaten und Hencker.
FENIUS RUFUS.
Ach! ist der Schimpf-Platz uns zum Leich-Stein außgestecket?
SUBRIUS FLAVIUS.
Die Tugend wird durch Schimpf und Hencker nicht beflecket.
VEJANUS NIGER.
Stehts schön: Wenn man den Leib ins Grab zu Aeßern legt?[260]
SUBRIUS FLAVIUS.
Ja / wenn ein Adler nur den Geist in Himmel trägt /
Der Tugend güldne Schrift nicht schwartz wird außgestrichen;
Mag Kröt und Fleder-Mauß der Glider Staub bekrichen
Die Asch in Strom gestreut / der Kopf gepfälet seyn.
FENIUS RUFUS.
Die Sterbens-Arth jagt auch Behertzten Schrecken ein.
SUBRIUS FLAVIUS.
Das Gold verzuckert nicht die Wermuths-bittern Pillen;
Laß deines Todes Bild in Perl und Sammet hüllen /
Den Sarch mit Wurm-Gespünst und Purper überzihn /
Du wirst umbsonst die Furcht dich zu verbannen mühn /
Wenn einst schon deinen Geist des Todes Schatten schrecket.
Wo aber Redligkeit und Hertz im Hertzen stecket /
Macht ihr die Tyranney durch keine Hencker nicht /
Durch grauser Larven Kunst kein schrecklicher Gesicht.
VEJANUS NIGER.
Ihr werdet unverlängt ihr schönes Antlitz sehen.
FENIUS RUFUS.
Sol meiner kleinen Schuld so viel als dem geschehen?
Natal hat mich ins Garn durch Zauberey gefällt /
Ein wächsern redend Bild zum Engel fürgestellt /
Das mir viel großes Ding hat fälschlich fürgelogen /
Ja mir Vernunft und Blutt aus Seel und Ohr gesogen210
Durch einen schlimmen Biß / und itzo sol ich mehr
Als jener strafbar seyn! Wie? sind ich kein Gehör?211
Ihr Götter! Die ihr selbst müßt meiner Unschuld zeugen.
VEJANUS NIGER.
Nur fort! Das Recht läßt sich nicht durch das Winseln beugen.
FENIUS RUFUS.
Ja; nur den Schuldigsten gehts ungenoßen aus;
Verfluchtes Recht! Der Blitz verschont ein Huren-Hauß
Und schlägt in Tempel ein; Der Mehltau trifft die Saaten
Der Frommen; Wenn man sith der Bösen Frucht gerathen.
An Felßen berstet offt der Unschuld Kahn entzwey /
Bey dem ein Raubschiff sich macht Feind- und Schiffbruchs frey.
Der / der vom Kirchen-Raub Augusten gab zu eßen /212
Höhnt noch die Götter aus. Ein ander lacht vermeßen:
Daß sein beladen Schiff mit Eßculapens Barth
Und Jupiters Gewand / hat selbst gewünschte Fahrt.
SUBRIUS FLAVIUS.
Hört mir dis feige Weib den kurtzen Tod beklagen!
Du bist nicht werth gewest das güldne Schwerd zu tragen /[261]
Die Hauptmanschafft zu führn / nun du dein Leichentuch
Mit Thränen fleckicht machst.
FENIUS RUFUS.
Solln Sterbende durch Fluch
Und Pochen noch mehr Leid auf ihr Geschlechte ziehen?
SUBRIUS FLAVIUS.
Solln Sterbende noch viel für ihren Henckern knien?
VEJANUS NIGER.
Fort fort! es ist nunmehr hier nicht mehr Zanckens Zeit.
Faßt die Verdammten an.
FENIUS RUFUS.
Bin ich doch schon bereit
Zum Sterben. Aber / ach! darf ich den Trost noch faßen:
Daß man mein Testament wird giltig bleiben laßen!
Verbitte / Niger / mich beym Käyser noch so viel.
VEJANUS NIGER.
Stirb / und versichre dich: Daß ichs erbitten wil.
Der Meyneyd lägt den Kopf zu seiner Knechte Füßen.
Und wir betreten ihn / den wir vor ehren müßen.
Thut nun dem Subrius durch gleichen Tod sein Recht.
SUBRIUS FLAVIUS.
Wilstu nicht selber sein des Blutthunds Hencker-Knecht?
VEJANUS NIGER.
Man muß die Lästerung verdammten Buben gönnen.
SUBRIUS FLAVIUS.
Habt ihr die Grube nicht geräumer machen können?213
VEJANUS NIGER.
Macht ihr ihm noch nichts recht; nun er gleich über euch
Nichts mehr zu schaffen hat?
SUBRIUS FLAVIUS.
Steht Henckern schon ein Streich
Auf Halß und Unschuld frey / so hat ihr strenges Wütten
Auf freye Geistern doch kein Haar breit zu gebitten.
VEJANUS NIGER.
Erdulde nun behertzt vom Niger Tod und Schlag.
SUBRIUS FLAVIUS.
Ich wünsche: Daß er nicht verzagter schlagen mag.
VEJANUS NIGER.
Des Meyneyds zehes Gift ist unschwer zu erkennen /
Weil anderthalber Streich214 kaum kan die Schlange trennen.
Der Schauplatz stellet für den Kercker.
Nero. Epicharis. Lucanus. Tigillinus. Sabina Poppæa. Scevinus. Quinctianus. Senecio. Natalis. Cervarius Proculus. Soldaten von der Leibwache. Etliche Hencker.
NERO.
Ist hier der Nattern Hauß / der Basilisken Nest /
Der Drachen Aufenthalt / das Sonn und Käyser bläßt
Mit Gift und Meyneyd an? Ihr solt nun stracks empfinden:
Daß Boßheit sich der Straff umbsonst müht außzuwinden.
Sind Hencker / Flamm und Stahl für die Verdammten dar?[262]
Welch herrlich Opfer wird Rom auf das Rach-Altar
Der heilgen Nemesis durch dis ihr Schand-blutt liefern.
Stracks / Hencker / nähert euch den giftgen Ungeziefern
Mit Schwefel / Strang und Mord.
EPICHARIS.
Blutt-ägel / Hund /Tyrann /
Ertz-Mörder / Wütterich / sags was für Kwal noch kan
Uns frembd und übrig seyn? nach was dich mehr kan dürsten /
Nun uns kein Blutt mehr regt? Schaut mir den Kern der Fürsten /
Der Käyser Außbund an; den bis in Kerckers Nacht
Die Mord-Begierde treibt / der als ein Sclave wacht
Umb der Gefangnen Band' und der Verdammten Ketten.
NERO.
Kanstu / vergifter Wurm / dem schon der Kopf zertretten
Der jedes Bein zermalmt / dem jedes Glied zerfleischt /
Der von der Pein der Geist / von Glutt das Fleisch gekreischt /
Noch von der schwartzen Zung auf uns Verläumbdung schäumen?
Laß schaun: ob kein Gebieß das freche Maul kan zäumen
Ob ihr kein Brandmal kan Erkäntnüs drücken ein /
Bekäntnüs preßen aus! Stracks schraubt den Kieselstein
Auf Stul und Folterbanck / bis sie wird Angst-schweiß schwitzen /
Bis ihre Beine Marck / die Adern Blutt außspritzen;
Bis daß ihr Hertze Gift / ihr Leib die Seel außspeit.
EPICHARIS.
Versichre / Blutthund / dich: Daß deiner Grausamkeit /
Die mir nur süsse schmeckt / Epicharis wird lachen;
Daß meine Unschuld nicht dein Fluch zur Schuld kan machen;
Die als ein ärtzten Bild bey Glutt / Flutt / Stahl bleibt stehn
Das Feilen machen glatt / Brand gläntzend / Regen schön.
So viel der Schaum der Perl / die Stürme Palmen schaden /
Das Saltz Korallen nimmt / die stets in Wellen baden;
Der Hammer Diamant / ein Amboß Gold abnützt:
So viel kan Marter dem / den sein Gewißen schützt /
Den Tugend warnet aus / den große Thaten krönen /
Ohnmächtgen Abbruch thun. Laß auch den Pöfel höhnen
Den / den der Hencker schimpft / den Sclav und Bub anbelln.
Der Wahnwitz kan den Glantz der Sternen nicht verstelln /
Wenn sie die Einfalt schon als Beeren / Hund / und Drachen
Ans Himmels Abriß mahlt.
TIGILLINUS.
Wilstu zur Tugend machen /
Du Außwurff der Natur / du Schaum der Dienstbarkeit /[263]
Was Weißheit Laster heißt. Die Fürsten sind geweiht
Zu Göttern dieser Welt / für die die Sternen kämpffen;
Und dich dünckts Heyligthumb so große Sonnen dämpfen /
Für derer Strahlen dir solt Aug und Licht vergehn?
Gibt nicht ein einig Blick des Käysers zu verstehn
Des Fürsten Majestät / der Julier Geblütte?
EPICHARIS.
In wie viel Fürsten steckt ein knechtisches Gemütte?
Hof-Heuchler / Henckers-knecht; Ja tausend Sclaven sind
Viel edler / als ihr Herr. Er bleib ein Helden-Kind
Ich eines Grichen Magd! Ist minder Weg verschrencket
Zur Tugend: ihm zur Schmach? Die Kraft des Stammes sencket
Sich in den Propffern ab. Wer Thal und Berg anschaut /
Siht dort mehr Zedern blühn / hier wächst kaum Farren-Kraut.
SABINA POPPÆA.
Laßt uns die Mißgeburth die Heßlichste der Erden /
Den garstgen Wurm anspein; die Stand / Gestalt / Gebehrden
Verrathen: Daß in ihr nur Schand und Greuel steckt.
EPICHARIS.
Schaut mir die Sonne stehn / die nirgends ist befleckt /
Die gar kein Waßer trübt! Solln deiner Schönheit Strahlen
Den Schandfleck des Gemütts / der dich verstellt / schön mahlen?
Nein / sicher! Purper-Farb ist Ros' und Mah gemein;
Krönt Disteln / Kraut und Klee: Der Schwantz-Gestirne Schein
Sticht rechte Sternen weg / nichts minder muß man schauen:
Daß oft ein Hurenbalg / wie du bist / keuscher Frauen
Gestalt und Trieb beschämt. Zu dem / so glaube fest:
Es sey Epicharis so schön als du gewest /
Eh als der Sorgen-Brand die Blumen so versänget /
Die Hencker sie vertilgt.
SABINA POPPÆA.
Wie? Daß der Fürst enthenget /
Durch Aufschub ihres Tods: Daß sie des Käysers Ohr
So keck verletzen mag?
NERO.
Die Schlange muß zuvor
In ihrer Freinde Tod ihr herbes Sterben schmecken.
Fahrt fort mit Schraub und Stock mit Stricken sie zu recken;
Doch / wenn die Ohnmacht kommt / kühlt sie zu neuer Kwal.
Lucan / dir laßen wir im Sterben noch die Wahl;
Daß man des Käysers Gnad auch in der Straff erblicke.
LUCANUS.
Wen das Verhängnüs preßt / dem ist solch Tod ein Glücke.
Die Adern zu zertheiln reicht mir ein Meßer her.[264]
EPICHARIS.
Recht so / Lucan / der Tod ist Furchtsamen nur schwer.
Behertzte Seelen denckts nur Kurtzweil so zu sterben /
Weil solche Schnitte nur uns Haut und Fleisch zerkerben /
Den Henckern aber's Hertz. Versichre dich: Es beißt
Dein unverzagter Stoß mehr des Tyrannen Geist
Als deiner Glieder Eiß der Wunden Kitzel fühlet.
LUCANUS.
So ists Epicharis / die Tyranney verspielet /
(Weil Asche keinen Brand / Stein keinen Schmertz nimmt an /
Der Leib / der Moder ist / nichts schlechters werden kan /
Was Hencker nicht versehrn / doch Faul und Würmer freßen)
Zeit / Arbeit / Kosten / Zeug; wenn sie den Leib wil preßen.
Ja unsre Todten-Asch ein Schaum der Sterbligkeit /
Der Winde Gauckelspiel / wird heylig eingeweiht /
Mit Narden angenetzt / in Helffenbein verwahret /
Wenn Rache / Feind und Grim aufs schrecklichste gebahret
Auf unsre Tugend hat. Dis Blutt mahlt eine Schrifft /
Die meines Bürger-Kriegs Abbildung übertrifft;
Ja die in Sand und Staub verspritzte Purper-Tinte
Wird / wenn Euterpe nicht auf mein Gedächtnüs sinnte /
Ins Buch der Ewigkeit doch schreiben den Lucan.
Ich sterb! und seh itzt gleich des Kriegs-Knechts Bildnüs an /215
Den meine Feder hat so-sterbend abgerißen.
Der Adern Brunn müht sich des Lebens Oel zu gißen
Durch hundert Röhren aus; die Seele macht sich frey
Und reißt der Sinnen Band / der Glieder Joch entzwey /
Der Leib wird Eiß / und auf der Zung erstirbt das letzte
Wort.
EPICHARIS.
Thut dirs / Blutthund weh? Daß der kein Auge netzte /
Ja ohne Zucken starb: und dir träumt / leider / schon:
Tyrannen vergesellt auf / in / und von dem Thron
Angst / Zittern / Marter / Furcht / ja in den Todten-Hölen
Plagt ander' ihr Gespenst / die Teufel ihre Seelen;
Die mehr als Furien im Leben sind gewest.
TIGILLINUS.
Ein Molch speits Gift vor weg / eh er den Geist außbläßt /
So meint auch dieser Wurm geschwinder zu erkalten /
Weil er nichts giftiges im Hertzen wil behalten.
NERO.
Nein! Wo ihr Fluch den Tod sol fördern / irrt ihr Wahn.[265]
Sie sol durch Augenschmertz zu sterben fangen an.
Daß dem Senecio der Kopf werd abgeschlagen.
SENECA.
Was nicht zu endern ist muß man behertzt ertragen.
Wie aber hebt der Fürst dis / was er uns versprach /
Der Straffen Nachlaß auf
TIGILLINUS.
Kein Fürst kan laßen nach
Das Urthel / das Gesätz und Recht auf Laster sprechen.
SCEVINUS.
Der selbst Gesätze macht und sagt: Dis ist Verbrechen /
Dis Tugend / hat Gewalt / zu straffen / wenn er wil.
TIGILLINUS.
Ja / eh als dis und das zu sätzen ihm gefiel.
SENECA.
Auch nach gesätztem Recht ist ihm kein Arm gebunden.216
TIGILLINUS.
So sind die Rechte nur zum Gauckelspiel erfunden.
SCEVINUS.
Was Richtern ist verschrenckt / ist Käysern doch erlaubt.
TIGILLINUS.
Sie sind ein Glied der Stadt.
SENECA.
Doch auch der Bürger Haupt.
TIGILLINUS.
Ein Weiser sol die Schuld auch schuldig bleiben laßen.
SCEVINUS.
Genade darf nicht bald der Boßheit Schutzschwerd saßen.
TIGILLINUS.
Wer Unkraut nicht reißt aus / von dem wirds selbst gebaut.
SENECA.
Viel Bäume wachßen mehr / je mehr man sie behaut.217
So pflegt ein Fürst ihm meist mehr Feindschaft nur zu sämen
Durch viel verspritztes Blutt. Ein Käyser muß sich schämen
Nichts minder als ein Artzt / dem man viel Schnitt' und Brand
Und Leichen zehlet nach. Mehr als erbärmlich Stand!
Wo / daß man uns nicht würgt / man muß so viel erwürgen
TIGILLINUS.
Der Ertzt-Verräther Köpf auf Pfälen sind die Bürgen
Für großer Fürsten Heil; Erblaßter Mißethat
Ein recht Medusen-Haupt; Das Kraft und Würckung hat /
Der Boßheit schnelle Faust in starren Stein zu wandeln.
EPICHARIS.
Der Hund schreibt Lehren für / nach der Tyrannen handeln.
TIGILLINUS.
Dis ist Verläumbdungs-Arth. Doch schmeht der Straffe Knecht
Den Richter ohne Frucht. Der Minos heißt gerecht /
Und Appius wird viel bey rechten Bürgern gelten218
Wenn den gleich Wucherer / und jenen Räuber schelten.
Von Nerons Gütte wird die Nachwelt ein gantz Buch219
Durchlesen.
QUINCTIANUS.
Das der schrieb / der endlich Schmach und Fluch
Auf dich / du Blutthund / warf / nachdem die schönen Blüthen
Der Jugend und sein Fleiß so schändlich mißgeriethen.
SABINA POPPÆA.
Solln wir den Lästerern für Straffe Gnad außtheiln?[266]
TIGILLINUS.
Ein Artzt muß Seuch und Krebs mit Seg' und Schwefel heiln
Weist er gleich Anfangs Oel und Balsame dem Krancken.
Das allgemeine Heil sätzt schon gewiße Schrancken
Dem / was ein Fürst sagt zu /220 wo dis kommt in Gefahr
Der Fürst sich übereilt / ist kein Verbindnüs dar.
Zu dem stehts Richtern frey / umb hinter die Verbrechen
Zu kommen /221 auf den Schein Genade zu versprechen.
QUINCTIANUS.
Vermaledeyter Rath / der Galg und Raht zum Port /
Betrug zum Ancker hat!
NERO.
Macht mit den Hunden fort!
SABINA POPPÆA.
Ein linder Herscher heißt dem Volck ein alber Götze.
NERO.
Daß man dem Quinctian zu erst das Beil ansetze.
EPICHARIS.
Schau / was die Heucheley bey Menschen-Henckern nützt.
QUINCTIANUS.
Versichre dich / das Blutt / was Quinctian verspritzt /
Wird ins Tyrannen Kleid viel schwärtzre Flecke machen
Als auf das Hencker-Klotz.
TIGILLINUS.
Ich muß der Thorheit lachen:
Daß ein Verdammter wil von Richtern Urthel fälln.
SABINA POPPÆA.
Itzt wird der todte Hund mehr nicht den Mond anbelln.
NERO.
Laßt dem Senecio nun auch sein Recht geschehen.
EPICHARIS.
Ja Recht! Das rechtes Recht verfluchen muß und schmehen.
SENECA.
Ein freyer Geist erblaßt für Tod und Hencker nicht.
Dis ist das einige / was meinen Geist ansicht /
Mein Antlitz schamroth macht: Daß ich vermocht zu glauben:
Der Blutthund würde nicht uns Halß und Gütter rauben;
Und daß dem Wolfe man noch sanffte Pflaumen striech.
EPICHARIS.
Senecio / nun lieb / und rühm und schätz ich dich.
SABINA POPPÆA.
Itzt nun sein bloßer Kopf die giftgen Zähne blecket.
EPICHARIS.
Ja euers Dreuens lacht / und seine Hencker schrecket.
SABINA POPPÆA.
Und dich als Buhlerin liebreitzend lächelt an!
EPICHARIS.
Wol! reicht das schöne Haupt mir / daß ichs küßen kan;
Daß sein wolriechend Blutt mit meinem sich vermische;
Daß meine Freuden-Thrän ihm Koth und Sand abwische!
NERO.
Reichts hin der Rasenden zu sehn / was Wahnwitz thut.
EPICHARIS.
Mein lächsend Mund erkwickt sich durch so kräftig Blutt.
NERO.
Wir wolln solch Labsal dir bald mehr zu kosten geben.
Haut den Scevin auch ab.
SCEVINUS.
Ich halte Leib und Leben[267]
Für wenigsten Verlust / die Baare für Gewien.
TIGILLINUS.
Man wird Meyneydiger dir Baar und Gruft entziehn.
SCEVINUS.
Beerdigt mich kein Mensch / wird mich die Zeit begraben.222
EPICHARIS.
Die Sternen aber wird der Geist zur Wohnung haben.
SCEVINUS.
Ist kein bequemer Klotz für einen Rathsherrn dar?
SABINA POPPÆA.
Dem Zärtlinge taug nicht / was andern tauglich war?
EPICHARIS.
Er wird nichts schmertzlicher darumb den Geist außblasen.
Man stirbt auf Teppichten nichts linder als auf Rasen;
Ein Seid' und Hanffen Strick / ein güld- und rostern Schwerdt /223
Gift in Schmarragd und Thon / ist eines Tittels werth /
Hat eine Würckungen.
NERO.
Daß man's Klotz näher rücke.
EPICHARIS.
Daß sein behertztes End Epicharis erblicke.
SABINA POPPÆA.
Daß das vergifte Blutt ihr ins Gesichte spritz.
EPICHARIS.
Itzt wandelt Tyranney sich erst in Aberwitz.
SCEVINUS.
Mein Freind Natal / hilf mich zum letzten mal entkleiden.
TIGILLINUS.
Darzu sind Schergen dar.
SCEVINUS.
Sol dis ein Rathsherr leiden!
Mich sol ein Scherg anrührn / dem Luft und Stadt verschrenckt.224
EPICHARIS.
Sey sicher: Daß sein Arm dem keinen Fleck anhenckt /
In deßen Brüsten gläntzt ein Schwanenrein Gewißen.
SABINA POPPÆA.
Habt schwartzen Meyneyd ihr nicht selbst gestehen müßen?
EPICHARIS.
Den Vorsatz zu vollziehn ein Werck / das Göttern Lust /
Den Menschen Wohlfahrt schafft.
TIGILLINUS.
Den Göttern ist bewust /
Den Sterblichen bekand des frommen Fürsten Gnade.
SCEVINUS.
Wol! wiße: Daß ich ihn für Minos Richtstul lade.225
EPICHARIS.
Versichre dich: Es sol nicht Jahr und Tag vergehn /
Wird sein verzweifelt Geist mit Zittern dir gestehn /
Und fühln: Daß seine Seel auch dort noch Hencker finde /
Ob sein Gewißen sie schon itzt in sich empfinde.
TIGILLINUS.
Man lacht ohnmächtgen Dreuns / verdammter Ungeduld.
NERO.
Cervar / und dir Natal erlaßen wir die Schuld.
NATALIS. CERVARIUS.
Es müße Glück und Heil stets unsern Käyser krönen!
EPICHARIS.
Du suchst hierdurch umbsonst die Götter zu versöhnen!
SABINA POPPÆA.
Schaut wie die Natter-Zucht des Käysers Gütte kränckt.
NERO.
Du Milichus solst sein recht Käyserlich beschenckt.226
Daß man ihm / Tigillin / zehn tausend Pfund außzähle.[268]
Hier aber diesen Wurm aufs allerlängste kwäle.
EPICHARIS.
Kanstu du Blutthund nicht dem Foltern mehr sehn zu?
Er gibt nun selber nach: Daß es ihm weher thu
Auf Pfal und Folterbanck sehn meine Tugend siegen:
TIGILLINUS.
Ja Boßheit / welche Fluch von aller Welt wird kriegen.
EPICHARIS.
Ein Weib hat zu Athen:227 Daß dem Tyrannen sie
Nach außgelachter Kwal die Zung ins Antlitz spie /
Ein ertzten Ehrenbild im Tempel ihr erworben:
So / wenn Epicharis schon längst wird seyn gestorben /
Wird sich die Nachwelt ihr zu einem Tempel weihn
Und ihr Gedächtnüs-Bild ein ewig Nahme seyn /
Und wenn man mich und dich wird auf den Schauplatz heben /
Wird Nero nur durch Schmach / ich durch die Tugend leben.
Ja deine Tyranney sol auch noch hier verspieln /
Die sich noch lange meint durch meine Pein zu kühln.
Schau aber Blutthund her / hier in der Folter-binden228
Wird itzt Epicharis des Sterbens Hafen finden.
NERO.
Verwehrt es / sie wil sich erwürgen.
HENCKER.
Sie ist fort.
NERO.
Der Meyneyd fällt in Grund / der Käyser hat den Port /
Die Götter haben selbst den wilden Schwarm zertrennet.
Fortan sol Milichus Erhalter seyn genennet.229
Des Tigillinus Bild230 setzt für des Käysers Hauß.
Dem Heere theilet Geld / dem Volcke Weitzen aus.
Hinfort sol der April des Nero Monath heißen /231
Scevinus Wohnung muß man bis in Grund abreißen;
In eine Marmel-Seul232 ihr Schelmstück graben ein.
Dem Rächer Jupitern Scevinens Dolch hier weihn /
Dahin / wo er ihn stahl / dem Heile Tempel bauen /
Auf Ceres Fest hinfort mehr Pferde-rennen schauen /
Der Sonne Gottheit ehrn / die uns erfreut entdeckt /
Was in der schwartzen Nacht vergister Hertzen steckt.
Erkwicket Welt und Rom mit tausend Freuden-Zeichen /
Den Göttern opfert Vieh / der Tyber diese Leichen.[269]
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