Vierter Auftritt

[19] Georg allein.


GEORG. Das will ich auch hoffen, denn obwohl ich meiner Profession nach eigentlich vom Amboß stamme, so möchte ich doch all die Strapazen nicht umsonst mitgemacht haben! Jetzt will ich erst anfangen zu leben, zu genießen! Das heißt aber: mit Verstand, nicht wild in den Tag hinein! Ich will mir das Leben schon angenehm machen!

Nr. 2. Arie


Man wird ja einmal nur geboren,

darum genieße jedermann[19]

das Leben, eh es noch verloren,

so viel als er nur immer kann.

Doch muß man, wahrhaft froh zu leben,

sich mit Verstand der Lust ergeben.

Ich hab den Wahlspruch mir gestellt:

Man lebt nur einmal in der Welt!


Der keusche Joseph in der Bibel –

ich führ ihn nur als Beispiel an –

er war von Aussehn gar nicht übel

und ein gar tugendhafter Mann.

Doch seine Keuschheit ganz alleine

hätt nimmer ihn mit Ruhm bedeckt –

die Schlauheit half ihm auf die Beine!

Drum hab ich vor dem Mann Respekt.

Er lebt in Freuden,

von allen Seiten

ward Gold und Weihrauch ihm gestreut.

Er war gescheit!

Man wird ja einmal nur geboren,

darum genieße jedermann

das Leben, eh es noch verloren,

so viel als er nur immer kann.

Doch muß man, wahrhaft froh zu leben,

sich mit Verstand der Lust ergeben.

Ich hab den Wahlspruch mir gestellt:

Man lebt nur einmal in der Welt!


Man hat schon in den frühsten Tagen

durch List und Schlauheit viel erreicht;

wenn auch die Leute immer sagen,

den Dummen sei das Glück geneigt.

Die Dummheit bietet selten Zinsen,

sonst leistete ja Esau nicht

für eine Schüssel dicker Linsen

auf seine Erstgeburt Verzicht.

Viel Leute leben ohne Sorgen

so grad nur in den Tag hinein;

ich will genießen,

jedoch auch wissen,[20]

warum ich mich der Lust geweiht.

Darum gescheit!

Nur stets gescheit!

Man wird ja einmal nur geboren,

darum genieße jedermann

das Leben, eh es noch verloren,

so viel als er nur immer kann.

Doch muß man, wahrhaft froh zu leben,

sich mit Verstand der Lust ergeben.

Ich hab den Wahlspruch mir gestellt:

Man lebt nur einmal in der Welt!


Er geht ab.


Quelle:
Albert Lortzing: Der Waffenschmied. Stuttgart 1963, S. 19-21.
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