Zweiter Auftritt.


[14] Robert. Vorige.


ROBERT. Guten Morgen, liebe Mutter. Guten Morgen, Marie.

FÖRSTERIN. Guten Morgen, Herr Bräutigam in Hoffnung.

ROBERT. Wie ich mich freue, Sie so heiter zu sehn. Aber du, Marie? Du bist traurig, Marie? Und ich bin so froh. So überfroh! Den ganzen Morgen schon bin ich im Wald. Wo die Büsche am hellsten funkelten vom Tau, da drängt' ich mich durch,[14] daß die feuchten Zweige mir ins glühende Gesicht schlagen mußten; da warf ich mich ins Gras. Aber es litt mich nirgends. Mir war, als könnte mir nichts helfen, als wenn ich laut weinte. – Und du, sonst so frisch und munter wie ein Reh – du bist traurig? heute traurig?

FÖRSTERIN. Sie freut sich gewiß, lieber Robert, aber Sie kennen sie ja von klein auf – wo andre laut werden, da wird sie still.

MARIE. Nein, Robert; traurig bin ich gewiß nicht; mir ist nur so feierlich. Den ganzen Morgen schon. Wo ich geh' und steh, als wär' ich in der Kirche. Und –

ROBERT. Und –

MARIE. Und daß nun bald das Leben wie hinter mir abreißen soll, wie unter mir versinken und ein neues angehn soll, ein so ganz neues – sei nicht böse, guter Robert; – das ist mir so eigen, so ängstlich –

ROBERT. Ein neues Leben? Ein so ganz neues Leben? Es ist ja noch immer das alte Leben, Marie, nur schöner. Es ist ja noch immer der alte liebe Baum, unter dem wir sitzen, nur daß er blüht.

MARIE. Dann, daß ich den Vater verlassen soll! – und die Mutter. Das Alte seh' ich vergehn, das Neue seh' ich nicht kommen; das Alte muß ich lassen, und das Neue kann ich nicht erreichen –

ROBERT. Mußt du denn den Vater lassen? Bleiben wir nicht alle beisammen? Hat nicht deshalb mein Vater das Gut Düsterwalde gekauft?

FÖRSTERIN. Das ist die Angst, die man im Frühjahr hat, man weiß nicht woher? und nicht warum? Und im Frühjahr weiß man doch, daß es nur immer noch schöner werden muß, und fürchtet sich doch. Man fürchtet sich eben vor dem Glück. Nun sollen sich meine liebsten Wünsche erfüllen und – geht mir's denn anders? Kann ich mir nicht ordentlich wünschen, es wär' ein Braten verbrannt oder es zerbräch' etwa von den feinen[15] Tellern einer? Glück ist wie Sonne. Ein wenig Schatten muß sein, wenn's dem Menschen wohl werden soll. Ich will nur nachsehn, ob's in der Küche nicht ein wenig dergleichen Schatten gesetzt hat. Ab links.

MARIE nachdem sie und Robert einige Augenblicke schweigend gegenübergestanden. Fehlt dir was, Robert?

ROBERT. Mir? Nein. Vielleicht –

MARIE. Du bist noch auf deinen Vater böse? Und er ist so gut!

ROBERT. Daß er so gut ist! Daß seine Güte fast schwerer zu tragen ist als seine heftigen Launen! Sein Zorn verletzt nur, seine Güte demütigt. Seinem Zorn setz ich meinen Stolz entgegen – aber was seiner Güte?

MARIE. Und du wolltest fort, du böser Robert, und uns alle verlassen!

ROBERT. Ich wollte, aber ich bin ja noch da. Oh, das war eine böse Zeit! Ich war an allem irr, an dir, Marie, an mir selbst. Aber das ist ja nun alles vorbei. Ein wenig Schatten muß sein, aber nur nicht zuviel. Komm, Marie. Hier im Haus ist's so schwül. Die Musikanten sollen uns das fröhlichste Stückchen aufspielen, das sie können. Sie wollen ab.


Quelle:
Otto Ludwig: Werke. Leipzig und Wien [1898], S. 14-16.
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