Zweiter Akt.


[288] Szene wie im ersten.

Juda, Naemi vom Thale herauf, aus dem Hause Lea; dann Mattathias, von Jonathan, Johannes, Joarim, Benjamin geführt.


LEA.

Gut, daß mein Bote dich so schnell getroffen.

JUDA.

Dein Bote? Sandtest du nach mir?

LEA.

Die Hand

Des Herrn fiel plötzlich auf sein Haupt –


Sie zeigt auf Mattathias, der eben aus dem Hause kommt.


JUDA.

Was seh' ich?

LEA.

Der Todesengel folgt dem müden Schritt

Schon mit gehobnem Schwert. Bald wird es fallen.

Der Sterbende verlangte nach Naemi,

Der Simeitin –

NAEMI flehend, Judas Unwillen zuvorzukommen.

Zürne nicht der Mutter

Um dieses Wort, Herr –

JUDA.

Hörst du? Mattathias

Verlangt nach Judas Weib. – Geh zu ihm, Demut.


Sie geht nach einem bittenden Blick auf Mattathias zu; Juda und Lea folgen.


MATTATHIAS.

Noch einmal sei mein Stab, du blühend Reis.[289]

NAEMI indem er sich auf sie stützt.

Noch tausendmal, erhört der Herr Naemi.

MATTATHIAS.

Heiß' mich nicht leben. Tagesmüd' bin ich

Und durste nach der Ruh', so wie ein Knecht

Zur Zeit der Ernte nach dem Schatten durstet

Und nach dem Quell der Wanderer sich sehnt.

Hierhin, mein Kind


Zeigt nach der Bank.


hier endet sich mein Weg,

Hier laßt mich sitzen, wo mein brechend Aug'

Die Stätten sieht vom Ruhme Israels,

Dort, wo Sennaherib dem Herrn erlag,

Dort, wo Isais Sohn den Riesen schlug.

Süß wie der Atem einer inngen Braut

Weht hier die Luft, und lieblich wie ihr Mund

Auf ihres liebsten Mund liegt kühler Schatten

Auf dieser Stelle, da ich sterben will.


Sie helfen ihm, sich niederlassen und unterstützen den Sitzenden, um ihn knieend.


Gott Abrahams! wie hast, Barmherz'ger, du

Den Knecht gesegnet; wie so wenig war,

Herr, seines Dienstes, und wie reich sein Lohn!

Herr, zürnst du, daß ich, den du reich gemacht,

Aus eignem Trieb ein armer Bettler war?

Daß ich die Freude, die du täglich reichtest,

Aus meinen Händen gleiten ließ und nach

Dem Jammer griff, mit dem dein Volk du schlugst?

Ach, die einst herrschend saß, die Königin

Der Völker liegt verachtet nun im Staub,

Vor deren Blick die Völker zitterten –

Zerteilung hat sie schwach gemacht; nun ist's

An ihr, zu knien und fremden Hohn zu tragen.

Glied wütet wider Glied; voll Schadenfreude

Lacht nun der Starke, straflos höhnt der Schwache;

Beut sich die Rechte selber doch dem Feind,[290]

Der Linken Kraft zu fesseln, jubelt doch

Der Fuß dem Feinde zu, drängt der das Haupt.

O Schmach, wenn Kinder Einer Mutter sich

Befeinden! Schmach dem Mann, der ohne Scham

Die Schande seiner eignen Mutter mehrt!

Kommt, Söhne, eh' der Tod mein Aug' verlöscht,

Daß ich euch segne. Wo ist Eleazar?

Ist nicht nach ihm gesandt?

LEA.

Schon muß er kommen.

MATTATHIAS.

Und Juda? – Sendet nicht nach ihm. Soll er

Den Sterbenden verhöhnen?

JUDA.

Herr –

MATTATHIAS.

Das ist

Der Arm von Erz, ist meines Juda Arm,

Doch das ist meines Juda Herz nicht mehr.

JUDA.

Herr – soll ich prahlen? – Jetzt?

LEA.

Herr, reg' dich nicht

So auf. Erheitre dich! Wirkt Eleazar

Doch für dein Volk!

MATTATHIAS.

Für sich, nicht für sein Volk!

Nur für sein Haus, nicht für des Herren Größe.

Was kann des Herren Volke Gutes kommen,

Solang's ein Knecht ist in des Fremden Hand?

Mein Leben frißt der Tod mit meiner Hoffnung,

Daß meine Augen noch den Retter sähn.

Herr, laß sie brechen, denn dein Retter ist

Noch fern. Wie wird mir?


Sinkt in Ohnmacht.
[291]

LEA.

Seht nach Eleazar!

Kommt er noch nicht?

JONATHAN umschauend.

Herrin, er kommt.

LEA.

So heißt

Ihn eilen.

JONATHAN winkt.

Jojakim ist mit ihm.

LEA.

Wer

Hat Jojakim gerufen?

ELEAZAR erst noch in der Szene.

Lebt er noch?


Er tritt auf.


Daß er mich segne.

JOJAKIM tritt auf.

Daß er dich verfluche!

LEA tritt Jojakim in den Weg.

Willst du ihn töten?

JOJAKIM will immer Eleazar folgen.

Besser ist's, er stirbt,

Als daß du länger ihm die Wahrheit birgst.

LEA.

Du nahst ihm nicht!


Hält ihn ab.


ELEAZAR beim Vater kniend.

Schon kehrt sein Geist zu ihm.

MATTATHIAS.

Sind das nicht meiner Söhne Häupter?

ELEAZAR.

Vater!

MATTATHIAS.

Die Stimme meines Eleazars? Ja; ich seh' ihn.

Noch einmal an des Hauses Fenster tritt[292]

Die Seele, eh' sie es für immer läßt. –

Wie steht es unten?

ELEAZAR.

Gnade hat dein Knecht

Gefunden vor dem Aug' Antiochus',

Des Jüngern.

JOJAKIM.

Gnade? Um den Preis der Gnade

Des Herrn.

MATTATHIAS.

Ist das nicht Jojakim?

ELEAZAR.

Mich höre,

Nicht diesen, Herr! Antiochus ist edel.

Und seine Schwester ist ein hehres Weib.

So wie der Grieche seine Here bildet,

Doch süßer Reiz dämpft lieblich ihre Hoheit

Sie steigt von ihrem Thron zu mir herab,

Wie Selenä einst zu Endymion.

LEA.

Wer könnte sich erwehren, ihn zu lieben!

MATTATHIAS.

Mußt du dein Süß in Bitter hüllen? Was

Schmähst du mein Ohr und deinen Mund mit solch'

Unheil'gen Lauten? – Weh! ich seh's, es wird

Die Tochter Syriens sein schwaches Herz

Zu ihren Göttern lenken!

JOJAKIM.

Weh' dir, Mann

Des Todes, stirb, doch fluch' ihm erst. Er hat

Geopfert vor dem Aug' des Syriers. –

MATTATHIAS.

Geopfert?

LEA.

Doch nach unserm Brauch. Siehst du,[293]

Warum der Herr den Starken nicht erwählt?

Er wollte nicht das Schwert. Das Kosen sollte

Sein Bote sein. Er machte, daß das Herz

Der Tochter Syriens nach deinem Sohn

Sich sehnte, Freundschaft goß er in das Herz

Antiochus für deinen Sohn, wie er

In Jonathans für David goß.

JOJAKIM auflachend.

Ha, Freundschaft?

ELEAZAR.

Ja, Freundschaft! Dir zum Trotze und den Deinen,

Dem Neid, der jeden Atem mir belauert. –

Und seines Vaters Tod erharrt er nur,

Der noch die Hand hält über Menelaus,

Damit er mich zum Hohenpriester setze;

Und meine Brüder sollen Fürsten sein.

JOJAKIM.

Vom Dornbusch Feigen, und vom Heiden Freundschaft!

Unseliger, der nur die Angel ist,

Mit der der Heide fäht nach deinem Volk,

Und die er fallen läßt, hat er den Fisch!

Unsel'ger, der um Flitter, Kindertand

Von Schmeichelei sein eigen Volk verrät!

MATTATHIAS.

Weh' mir! Soll ich dem eignen Kinde fluchen?

LEA tritt dazwischen.

Wenn du mußt thun, was dich der Fremde heißt,

Der Neider, dem der Neid die Seele frißt,

Sei blind; sieh nicht, wie Jesaias Wort:

»Dann wird Ägypten und Assyrien

Zum Herren flehn auf seinem heil'gen Berg«

Durch Eleazar sich erfüllen soll;[294]

Fluch' ihm, der Jesaias Wort erfüllt,

Dem eignen Kind! Was fluchst du nicht? Mußt du

Nicht fluchen! Will's nicht Jojakim?


Stellt sich vor Eleazar.


Wohl! fluch ihm, doch

Mir fluche mit!


Aaron, Simei kommen voll Angst den Felsweg herauf.


AARON.

Der Syrier!

SIMEI.

Weh' uns! der Syrier!

Er kommt!

AARON.

Es kommen Reisige, vom Zorn

Des Syriers ausgesandt!

MATTATHIAS.

Was überschreit

Den Jammer Mattathias'? Häufst du, Herr,

Noch mehr auf einen Sterbenden?

AARON.

Er zieht

Herauf schon gen Modin!

BOAS kommt aus seinem Hause.

Wozu dies Schrei'n?

Ein Haufen Jasoniten, Reisige

Von der Partei des Menelaus, der

Hinabzieht nach Jerusalem. Geht heim

Und fleht in Demut, daß nichts Schlimm'res komme!

AARON ins Thal zeigend.

Herr, sieh sie selbst!

SIMEI ebenso.

Hier sind sie schon. Sie steigen

Herauf –

JUDA hinabsehend.

Nikanor ist's und Gorgias –[295]

ELEAZAR ebenso.

Antiochus des Alten beide Hände.

BOAS.

Ein Durchzug nach Ägypten ist's –

SIMEI.

Wer kommt

Da atemlos?

AARON.

Und gärend wie der Schlauch,

Der zu zerreißen droht sein Inhalt?

AMRI kommt den Thalweg heraufgestürzt.

Er

Ist in Jerusalem –

JUDA.

Wer?

AMRI.

Er – der König –

Der Syrier – der Alte – er hat den Tempel

Erbrochen und entweiht! Er hat das Heiligste

Besudelt mit dem Blut unreiner Tiere.

JUDA zornig.

Er hat – o gut! er hat dem Volke endlich

Aus Herz gegriffen!

AMRI.

Er hat den Schaubrottisch

Geraubt – den Rauchaltar hat er genommen –

Den siebenarm'gen Leuchter weggeführt,

Und aus der Bundeslade hat er das

Gesetz gerissen und hat es zerrissen,

Mit seiner Hand zerriß er das Gesetz.

JOJAKIM.

Der Herr reckt seinen Arm; sein Volk thu' Buße!

AMRI.

Gerissen hat er's aus der Bundeslade

Und hat's zerrissen; mit den eignen Händen

Zerriß er das Gesetz –[296]

JUDA für sich.

Und unsre Ketten,

Wenn dieses Volk noch zürnen kann.


Nikanor, Gorgias mit syrischen Kriegern den Felsweg herauf. Es ist Volk zusammengelaufen. Eine Pause der Erwartung.


GORGIAS.

Hier sorge,

Nikanor, daß der Altar sich erhebt.

Und ich verkünd'ge den Befehl indes.

NIKANOR.

Dort seh' ich Steine haufenweis geschichtet.

Macht euch ans Werk, ihr Krieger!

SIMEI.

Was soll das

Uns werden?

GORGIAS tritt in die Mitte, so oft er den Namen Antiochus nennt, neigen sich die Syrier, die Simeiten und welche im Volk.

Unser Herr Antiochus,

König von Syrien und Babylon,

Armenien, Mesopotamien,

Assyrien, Bithynien, Israel,

Von Paphlagonien, der Herr von Pontos,

Von Kappadokien und Pergamos

Und von Galatia wie von Ägypten,

König von Indien, Antiochus,

Der unser aller Herr, thut euch zu wissen.

»Nachdem es mir gefallen hat, daß alle,

Die in dem Schatten lagern meines Stuhls,

Hinfür zu meinen Göttern beten sollen,

Also sollt ihr auch, Männer von Judäa

Und Israel, in euern Städten, sollt

Auf euern Bergen steinerne Altäre

Errichten, meinen Göttern da zu opfern.«

NIKANOR.

So spricht der König, unser Herr und eurer.

Gehorcht ihm denn, ihr Männer dieser Stadt.[297]

Helft Steine tragen und den Altar schichten.

Greift an!

SIMON tritt vor.

Herr, das sei fern von uns. Denn unser

Gesetz verbeut uns, irgendwo 'nen Altar

Zu haben, außer in dem Tempel zu

Jerusalem; wie unser Gott, der Herr,

Ein einz'ger ist, und keiner neben ihm,

Und hier nicht wohnt und sonst auch nirgendwo

Als nur im Tempel zu Jerusalem.

GORGIAS.

Im Tempel zu Jerusalem wird Zeus

Olympios wohnen; in dem Tempel, der

Sich hier erheben wird, die herrschende

Athenä.

SIMEI.

Hier ein Tempel?

AARON.

Hier ein Altar?

NIKANOR.

Murrt ihr, Verstockte, wider euern Herrn?

Meint ihr, der Herr der halben Welt entsendet

Uns in dies Ländchen, um mit seinem Knecht

Zu handeln? Er befiehlt. Der Herr gebeut,

Der Sklav' gehorcht. Greift an!

MATTATHIAS.

Herr Zebaoth,

Laß uns so tief nicht sinken!

GORGIAS.

Welcher hier

Ist Mattathias?

ELEAZAR.

Hier der Sterbende.

SIMON.

Herr, laß ihn ruhig sterben; sprich mit uns![298]

GORGIAS.

Ihr seid die Söhne Mattathias'?

SIMON.

Herr,

Du sagst es.

GORGIAS.

Und du heißest?

SIMON.

Simon, Herr.

GORGIAS.

Nun wohl denn, Simon, Mattathias' Haus

Ist angesehn beim Volke dieser Stadt

Vor allen; weise geh's denn allen vor

Mit gutem Beispiel, sich und sie zu retten

Vorm Zorn Antiochus'.

SIMON.

Herr, schlimmer wäre

Der Stadt des Herren Zorn als der des Königs.

NIKANOR.

Du zeichnest selbst dich als des Königs Feind?

Er wird dich finden.

GORGIAS.

Euch, ihr übrigen,

Geb' ich Bedenkzeit, bis das Werk vollendet.


Auf der Rasenbank links vorn Mattathias, von Naemi und Benjamin gehalten, das Haupt zurückgesunken an des hinter ihm stehenden Joarim Brust; die Seinen um ihn gruppiert und zwischen ihm und dem Vorgang geteilt; ganz vorn Juda; dann Eleazar und Lea; rechts Simei, Amri, Boas und Verwandte beratend; in der Mitte hinter dem Altar, den die Krieger errichten, Gorgias und Nikanor; sowie der Altar fertig, stehn die Krieger im Halbkreis hinter ihnen. Das Volk, darunter rechts ganz vorn Aaron, hinter ihm Anhänger Simeis, auf der rechten Seite Issaschar, Usiel und andere Anhänger des Hauses Mattathias, umgiebt die drei Gruppen im Halbkreis.


JUDA.

Halt' an dich, Herz! nicht unreif reiß' die Frucht

Vom Baum der Rettung! Jonathan! Du, eil'

Zu meinem Haufe bei den Terebinthen;

Voll ist's von Waffen, bring' sie her; und du,

Johannes, mit Posaunen ruf' das Volk[299]

Der Stadt hierher, und auf dem Wege sprich

Mit tausend Feuerzungen zu dem Volk –

JONATHAN.

Herr –

JUDA bittend.

Fort.

JOHANNES.

Bedenke –

JUDA.

Erst helft mir's vollbringen

Dann widerratet – dann will ich bedenken.


Jonathan, Johannes ab.


LEA zu Eleazar.

Siehst du die Augen glühn? den Atem stocken?

Die Fäuste, die sich unwillkürlich ballen?

Die Hände, die nach Waffen in der Luft

Schon suchend greifen, eh' der Kopf noch weiß,

Wozu? Nur eines Wort's bedarf's,

Das diesem Zorn, der nach dem Ausdruck ringt

Und ihn nicht finden kann, die Zunge leiht,

Den dumpfen Drang sich selbst verstehen lehrt –

Und hingerissen sind sie wie im Sturm

Über sich selbst aus dem gewohnten Dulden

Zu einer That, die kein Besinnen un-

Gethan mehr machen kann und schwanker Reu'

Den Weg abschneidet, je zurückzukehren;

Und was nicht Mut, das wird Verzweiflung enden.

Der Herr hat selbst den Augenblick gesandt.

Groß sollst du sein durch dich, nicht durch die Gunst

Des Syriers; du sollst der Frommen Zweifel

An dir beschämen, sollst –

ELEAZAR.

Doch denkst du auch,

Israel ist der Saum nur am Gewand

Des Syriers? ein Nichts vor seiner Macht?

Dem Syrier gehorcht die Welt. Und nur[300]

Der Alte ist's, der uns bedräut. Und wird

Er ewig leben? Ein Gewitter braust er

Vorbei, und Heitre bringt sein milder Sohn.

GORGIAS.

Schon wendet thränenschwer ihr mildes Antlitz

Die Gnade. Einmal noch winkt ihre Hand.

NIKANOR.

Weh' euch, weicht sie dem Zorn, eh' ihr gehorchtet!

SIMEI der sich lebhaft mit den Seinen beratet.

Was thu' ich?

AMRI.

Folg' dem Syrier, so bewahrst du

Des Volkes Leben vor Verderben; so

Hebst du dein Haus vor Mattathias' Haus.

BOAS.

Demütig beug' dich vor des Herren Hand,

In der der Syrier nur die Rute ist.

SIMEI.

Der Mensch will leben, wenn er sonst nichts will!

GORGIAS.

Vollendet steht der Altar; hebt das Bild,

Das segenbringende, der Göttin drauf!

JOJAKIM sich wegwendend, das Gesicht ins Gewand verhüllt. Viele thun desgleichen.

Das Auge müsse nie das Heilige

Mehr schaun im Tempel zu Jerusalem,

Das diesen Greul gesehn!

MATTATHIAS.

Herr, schlag' mein sterbend Aug'

Mit Blindheit!

GORGIAS.

Jammert keinen dieser Stadt

Verderben, daß er opfre, sie zu retten?[301]

NIKANOR.

So hört, ihr Rasenden: Wer noch von nun

Israels alten Gott verehrt, muß sterben!

Wer unsers Königs Götter höhnt, muß sterben!

LEA.

Noch immer wählst du?

ELEAZAR kämpfend.

Wozu willst du mich

Hinreißen!

JUDA.

Halt'! o halt' an dich, mein Herz!

NIKANOR.

Wenn nicht von diesem Altar Opferduft,

Von einem dieser Stadt entzündet, steigt,

Eh' dieses Stundenglases Sand verrann,

Soll von Antiochus und seiner Rache

Die Stätte pred'gen bis zum End' der Zeiten,

Das Stoppelfeld vom abgehaunen Trotz,

Und fern im Schweiß vor des Ägypters Pflug

Die Witwen euch der Knechtschaft Sonne sengen.

JUDA für sich.

Herr Zebaoth, laß keinen ihm gehorchen!

O Waffen! Waffen! Eil' dich, Jonathan!

SIMEI sich Gorgias nähernd.

Halt' ein!

JUDA ihm in den Weg.

Was willst du?

SIMEI.

Opfern will ich, retten!

JUDA.

Verderben! – Und mein eigner Ohm! Herr, halt' ihn

Zurück. Soll einer gehn, so sei's ein andrer!

SIMEI.

Geh aus dem Weg mir.

JUDA.

Herr, ich fleh' dich, geh' nicht![302]

AMRI.

Was will der Thor? Geh, Herr, wer darf dich hindern?

JUDA.

Ich. – So wahr Gott lebt, leben soll der nicht,

Der geht, um diese Bubenthat zu thun.


Die Simeiten stehen unentschlossen.


LEA zu Eleazar.

Siehst du sie zagen? Was ein Mann vermag!

Und kannst es tragen, daß du keiner bist?

ELEAZAR kämpfend für sich.

Ihm nachthun? – Eher trag' ich Vaterfluch,

Eher vergäß' ich Volk und Gott! Er soll

Der Erste wieder sein, und Eleazar –

NIKANOR.

So wählt ihr eurer Stadt und eu'r Verderben –

SIMEI.

Du hört'st den Drohenden –

GORGIAS.

Antiochus

Vermag nicht, den Gehorsam zu beschützen?

Umgebt ihn schirmend, Krieger, der dem Altar

Gehorchend naht –

NIKANOR.

Und haut den Rasenden,

Der ihn zu schrecken wagt, in Stücken!

NAEMI zwischen Juda und Simei, indem die Krieger mit Doppelreihen eine Gasse zu dem Altar bilden.

Herr,

Geh' nicht. Sieh meine Angst! Geh' nicht, mein Ohm!

O hör' Naemis Stimme! Wenn du gehst,

Wer kann dann wissen, wo es endet? Hör' mich!

Und hör' auch du mich, Herr!


Sie sinkt Juda ohnmächtig in die Arme.


JUDA.

Hör' sie![303]

SIMEI.

Hör' du sie!

JUDA.

Dein eigner Ohm verwirft dich, armes Weib.

Geh –


Er wirft sie Simon zu.


SIMEI.

Herr, ich gehe schon –

JUDA.

In dein Verderben!

MATTATHIAS.

Ein Jude geht! So nimm mich zu dir, Herr!

SIMEI.

Laß deinen Diener Gnade finden, Herr;

Wenn er will opfern – wie vollendet er's?

Nie sah er einen deines Glaubens opfern.

GORGIAS.

Knie' hinter dem Altar und heb' die Hände.

AMRI, AARON, BOAS.

Er kniet. Gesegnet, der das Volk errettet!

JOJAKIM sich krümmend.

Thut Buße! Seine Hand ist ausgereckt!

JUDA.

So sei sein Blut auf ihm! Ich kann nicht anders.

GORGIAS.

Nun heb' die Augen zu der Göttin auf,

Dann bete für dein Volk –

JUDA hineilend, durch die Doppelreihe der Krieger brechend.

Bete für dich,

Abtrünniger! So eiferte Pinehas

Für das Gesetz des Herrn –


Er hat einem Krieger das Schwert aus der Scheide gerissen und ersticht Simei, der hinter den Altar fällt; dann zerstört er mit den Füßen den Altar.


[304] SIMEI sinkend.

Ich sterbe.


Einen Augenblick Stille der Überraschung.


AMRI auf Juda zu, von dessen Blick auf halbem Wege festgebannt.

Nieder mit

Dem Mörder!

ELEAZAR der Juda einige Schritte nachgeeilt, kann jetzt erst sprechen.

Was thust du?

NIKANOR vor Überraschung einen Schritt zurückgetreten; die Krieger sind vor Juda auf die Seite gewichen.

Was unterfängst du dich?

Verwegener!

JUDA hat die Statue heruntergeworfen, daß sie zerbrach; mit einem Fuß auf der Statue stehend, das Schwert in der Rechten über seinem Haupte schwingend. Posaunen in der Szene immer näher, in die folgenden Reden.

Der Herr ist Gott allein,

Der Herr, der war, der ist, der ewig sein wird,

Israels Gott, er, der lebend'ge Gott,

Der Gott, der nicht von Menschenhand gemacht,

Der Mächt'ge, der auf Feuersäulen wandelt,

Und alle Himmel beben, wenn er schilt,

Er spricht: »Ich bin dein Gott, und sonst ist's keiner!

Anbeten sollst du keinen Gott als mich.« –

Was ich mich unterfange, fragst du, Heide?

Ich setze meinen Fuß auf deinen Gott.

Er liegt zertrümmert. Wo ist seine Macht?

Kann er sich selbst nicht helfen, und soll's euch?

O arme Beter! ärmrer Gott!

NIKANOR.

Zu lang'

Schon dulden wir des Buben Schmähn. Greift ihn!

Reißt ihn in Stücken!

JUDA.

Volk von Israel,

Ich bin ein einzelner. Was bäumt denn diese

Zurück unsichtbar? überfüllt ihr Auge[305]

Mit Schrecken, der die ehrnen Arme lähmt?

Das ist der Gott Jehovah Zebaoth,

Der mich umkreist mit seines Fittichs Schrecken.

Er will's! der Herr will's! Wenn der Herr es will,

Wer widerstrebt?

JOJAKIM.

Er will's!

SIMON, ISSASCHAR, USIEL.

Er will's! Er will's!

VOLK anwachsend.

Er will's! Der Herr will's! Ja, er will's! er will's!

NIKANOR.

Auf, Krieger.

JUDA.

Heran, ihre Götzenknechte, kommt!

Ich bin ein Einzelner; was zagt ihr denn?

Ich höhne eure Götter, – kommt heran!

Ich diene noch dem alten Gotte Jakob,

Dem Gotte, der sein Volk erretten wird.

Er schüttelt meinen Arm, und bleicher Tod

Fällt von ihm nieder wie die Frucht vom Baum,

Und Jammer rauscht wie Hagel von ihm nieder!

VOLK immer näher drängend.

Er will's!

USIEL.

Bringt Waffen!


Es werden von hier an Waffen auf einen Haufen zusammengetragen, die das Volk aufrafft, sich zu bewaffnen.


VOLK.

Waffen! Waffen! Waffen!

NIKANOR.

Scheucht ein Verrückter euch den Mut davon?

Greift ihn! Ha, Schande! Seid ihr Krieger? seid

Ihr Buben? Muß ich selber euch beschämen?[306]

VOLK während die, welche schon Waffen aufgerafft, sich um Juda scharen.

Ha, Waffen! Waffen! Steht zu ihm! Gott will's.


Jonathan, Johannes, Priester mit Posaunen, Volk.


GORGIAS Nikanor mit Gewalt zurückhaltend.

Wirfst du umsonst dein Leben hin?

NIKANOR.

Schmach! Schmach!

GORGIAS.

Die Schmach zu tilgen, laß uns leben.

NIKANOR.

Und

Es kommt der Tag!

JUDA.

Ihr geht?

GORGIAS.

Ja, doch wir kehren

Mit Hunderttausend.

JUDA.

Gott allein ist Tausend

Mal Tausend!

NIKANOR.

Bebt dem Zorn Antiochus'!

JUDA.

Er soll nur kommen, soll nur holen seinen

Zerbrochnen Gott!

GORGIAS.

Du spottest bald nicht mehr.

NIKANOR.

Jetzt höhnst du, doch du bebst einst, wenn wir kehren.

JUDA.

Vor Lust, ja, wie ein Baum im Regen bebt.


Die Syrier in's Thal hinab, ab. Boas, Aaron, Amri tragen Simeis Leiche, Weh und Rache rufend, nach ihren Häusern zu.

Bis zu Ende des Aktes Waffenbringen und Waffnen, wobei Frauen und Kinder helfen, Abschiednehmen, immer noch Zuströmen des Volkes und näher und ferner Posaunen und der Ruf: Er will's! in der Szene.
[307]

JOJAKIM von einigen aus dem Volke gefolgt, hinter den Syriern her.

Laßt sie nicht fliehn! Ergreift sie! Tötet sie!

ELEAZAR will ihn halten.

Unsinnige! Ruft sie zurück –

JUDA.

Weh' dem,

Der meine Boten an den König kränkt!


Sie gehorchen ihm; er reißt seinen Mantel ab und in Stücken, die er den Nächststehenden zuwirft, die damit, nachdem sie nach seinem Gebote gethan, abgehen.


Taucht diese Stücke in des Frevlers Blut,

Tragt sie durchs Land, mit lauter Stimme rufend:

»So that der Juda dem Abtrünnigen.

Wer denkt wie er, der sammle sich zu ihm.

In Judas Felsenwüste harrt der Aar,

Bis ihm zum Flug die starken Schwingen wachsen.«

Johannes bleibt euch, Frauen von Modin,

Der Herr und dieser Felsenfeste Schutz.

Nun, Männer, reißt das Liebste von dem Herzen,

Denn wen der Herr erwählt, den will er ganz.

LEA.

Hört Mattathias, denn der Geist des Herrn

Ist über ihm.

MATTATHIAS mit Hilfe der Nächsten stehend.

Juda, mein Sohn! mein Herz

Dröhnt wie die Harfe unter Spielers Hand.

Der Herr rührt mich mit seinem Jubel an,

Daß ich erzittre wie das Blatt im Sturm,

Und klinge, wie der Harfe Saiten klingen.

Zeuch hin, mein Juda, Streiter Gottes, zeuch!


Juda kniet vor ihm; der Alte legt seine Hände auf Judas Haupt.


Er schickt den Sieg vor deinen Scharen her.

Folgt ihm, ihr Söhne, den Sein Atem treibt,

So wie ihr Juda folgt, folgt euch mein Segen,

Doch wer von Juda läßt, der sei verflucht!


Eleazar, der sich von der ihn zurückhaltenden Lea losgemacht und reden wollend sich ihm genähert, wankt einen Schritt zurück.


Du hast mir deinen Retter noch gezeigt –[308]

ELEAZAR.

Laß mich! Herr, stirb nicht, bis du mich gehört –

MATTATHIAS.

Nun laß, Herr, deinen – Diener ziehn in –


Er stirbt.


JUDA knieend über ihn gebeugt.

Frieden

Mit dir, mein Vater!

LEA.

Fliehst du?

ELEAZAR.

Muß ich nicht?

Treibt mich sein Fluch nicht fort und euer Eifer?


Für sich.


Den ich verdienen muß, da er mich traf. –

Das Volk zu retten kehr' ich einst, das ihr

Verderbt –

JUDA aufstehend.

Und ew'gen Haß dem Syrier,

Und uns nicht Ruh', eh' uns der Sieg sie gönnt!


Usiel reicht ihm eine Lanze und einen Helm.


ELEAZAR zu Lea.

Es kommt der Tag, da ich dich fragen komme:

»Ist Juda noch der Größere?«

JUDA setzt den Helm auf.

Nun tönt,

Posaunen, in das Kriegsgeschrei: »Er will's!«

DIE BEWAFFNETEN sich rangierend.

Er will's! Der Herr will's!

JUDA hebt den Speer.

Schwert des Herrn und Juda!


Posaunen; die Gewaffneten, Juda, Simon, Jonathan, Usiel an der Spitze, ab; Eleazar reißt sich von Lea los und eilt den Felsweg hinab; indem die Zurückbleibenden Anstalt machen, Mattathias' Leiche aufzuheben, fällt der Vorhang.



Ende des zweiten Akts.


Quelle:
Otto Ludwig: Werke. Leipzig und Wien [1898], S. 288-309.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Makkabäer
Die Makkabäer

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon