XI. Komische Darstellung einer homerischen Dichtung.

[335] Xanthus und Thalassa.


XANTHUS. Nimm mich auf, Thalassa! man ist entsetzlich mit mir umgegangen! Lösche meine Brandwunden, ich bitte dich!

THALASSA. Was ist dir begegnet, Xanthus? wer hat dich so übel zugerichtet?

XANTHUS. Vulkan – O ich Unglückseliger! Ich bin beinahe zur Kohle ausgebrannt! Ich bin lauter Glut!

THALASSA. Aber warum hat er dich denn in Brand gesteckt?

XANTHUS. Dem Sohne der Thetis zu Gefallen. Wie ich diesen ein so gräßliches Blutbad unter den armen Phrygiern anrichten sah, bat ich ihn flehentlich, von seinem Grimm abzulassen: weil er mich aber nicht hören wollte und immer fortfuhr, meinen Strom mit Leichnamen zu verstopfen, so trat ich endlich aus Mitleiden mit den Unglücklichen aus und stellte mich, als ob ich ihn ersäufen wollte: aber bloß um ihn zu schrecken und den bedrängten Trojanern Luft zu machen. Plötzlich kam Vulkan, der eben in der Nähe war, mit allem Feuer, glaube ich, wovon er Herr ist und was er aus dem Ätna und aus der ganzen Welt zusammenraffen konnte, über mich her, zündete meine Ulmen und Tamarisken an, röstete alle meine unglücklichen Fische und meine schönen Aale und machte mich selbst so entsetzlich überstrudeln, daß er mich beinahe völlig aufgetrocknet hätte. Doch, du siehest ja aus den Brandblasen, womit ich überdeckt bin, wie es um mich stehen muß.

THALASSA. Du bist in der Tat sehr trüb und heiß; und wie könnt es anders sein, da du mit so vielen blutigen Leichen angefüllt bist und ein solches Feuer ausgestanden hast. Aber es geschah dir recht, Xanthus! Warum ließest du dir auch beigehen, meinen Enkel anzufallen, ohne zu bedenken, daß er der Sohn einer Nereide ist?[335]

XANTHUS. War es denn nicht meine Schuldigkeit, mich meiner armen Nachbarn, der Phrygier, anzunehmen?

THALASSA. Und Vulkan hätte sich des Sohnes seiner alten Freundin Thetis nicht annehmen sollen?

Quelle:
Lukian: Werke in drei Bänden. Berlin, Weimar 21981, Band 1, S. 335-336.
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