Martin Luther

Eynn Sermon von dem Ablasz

unnd gnade

Czum ersten solt yhr wissen, dass etlich new lerer, als Magister Sententiarum, S. Thomas und yhre folger geben der puß drey teyll, Nemlich die rew, die peycht, die gnugthuung, unnd wie woll dißer unterscheid noch yrer meynung schwerlich adder auch gar nichts gegrundet erfundenn wirt ynn der heyligen schrifft, noch yn den alten heyligen Christlichen lerernn, doch wollen wyr das itzt ßo lassenn bleyben und nach yrher weyß reden.

Czum andernn sagen sie, der ablas nympt nicht hynn das erst adder ander teyll, das ist die rew adder peycht, sundernn das dritte, nehmlich die gnugthuung.[243]

Czum Dritten. Die gnugthuung wirt weyter geteylet ynn drey teyl, das ist, Beeten, vasten, almußen, also, das beeten begreyff allerley werck der seelen eygen, als leßen, tichten, horen gottis wort, predigen, leeren und der gleychen. Basten begreyff allerley werck der casteyung seyns fleyschs, als wachen, erbeyten, hart lager, cleyder etc. Almußen begreyff allerley gute werck der lieb und barmhertzickeyt gegen den nehsten.

Czum vierden Ist bey yhn allen ungezweyffelt, das der ablas hynn nympt die selben werck der gnugthuung, vor die sund schuldig tzuthun adder auffgesetzt, dann ßo er die selben werck solt all hyn nhemen, blieb nichts gutes mher da, dass wir thun mochtenn.

Czum funfften Ist bey vielen gewest eyn große und noch unbeschloßene opiny, ab der ablas auch etwas mehr hynnehme, dann sulche auffgelegte gute werck, nehmlich, ab er auch die peyne, die gottlich gerechtigkeyt vor die sunde furdert, abnehme.

Czum Sechsten Laß ich yhre opiny unvorworfen auff das mal. Das sag ich, das man auß keyner schrifft beweren kann, dass gotlich gerechtigkeyt etwas peynn adder gnugthuung begere adder fordere von dem sunder, dann alleyn seyne hertzliche und ware rew adder bekerung, mit vorsatz, hynfurder dass Creutz Christi tzu tragenn unnd die obgenanten werck (auch von niemant [Rand: 18, 21. 14–16] auffgesetzt) tzu uben, dann ßo spricht er durch Ezechie: Wan sich der sunder bekeert, unnd thut recht, ßo wil ich seyner sund nit mehr gedencken. Item also hatt er selbs all die absolvirt, Maria Magdalena, den gichtpruchtigen, die eebrecherynne etc. Und mocht wol gerne horen, wer das anders beweren soll, unangesehn das ettlich doctores ßo daucht hatt.

Czum Siebenden. Dass fyndet man woll, das got etlich noch feyner [Rand: 31–34.] gerechtickeyt straffet, aber durch peyne dringt zu der rew, wie ym 88. ps. Szo seyn kyndere werden sundigen, will ich mit der ruthen yhre sunde heymsuchen, aber doch meynn barmhertzickeyt nit von yhnn wenden. Aber diße peyne steet ynn niemands gewalt nach tzu laßen, dann alleyn gottis. ja er will sie nit laßen, sunder vorspricht, er woll sie aufflegen.

Czum Achten. Der halben, ßo kann man der selben gedunckten peyn keynen namen gebenn, weyß auch niemant, was sie ist, ßo sie diße straff nit ist, auch die guten obgenanten werck nit ist.

Czum Neunden Sag ich, ob die Christenliche kirch noch heut beschluß unnd auß ercleret, dass der ablas mehr, dann die werck der gnugthuung hyn neme, ßo were es dennocht tausentmal besser, das keyn Christen mensch den ablas loßett adder begeret, sundernn dass sie lieber die werck theten unnd die peyn litten, dann der ablas nit anderst ist nach mag werden, dann nachlaßung gutter werck und heylsamer peyn, die man billicher solt erwelen dann vorlaßen, wie wole ettlich der newen prediger zweyerley peyne erfunden, Medicativas,[244] Satisfactorias, das ist ettlich peyn tzur gnugthuung, ettlich tzur besserung. Aber wir habenn mehr freyheyt tzuvorachten (gott lob) sulchs und des gleychen pleuderey, dann sie haben, tzu ertichten, dann alle peynn, ja alls was gott aufflegt ist besserlich und tzutreglich den Christen.

Czum tzehenden. Das ist nichts gered, das der peyn unnd werck tzu vill seynn, dass der mensch sie nit mag volnbrengen der kurtz halben seyns lebens, darumb yhm nott sey der Ablas. Antwort ich, das das keyn grund hab und eyn lauter geticht ist, dann got und die heilige kirche legen niemand mehr auff, dann yhm zu tragen muglich ist, alls auch S. Paul sagt, das gott nit [Rand: 1. Cor. 10, 13.] leßt vorsucht werden yemand mehr, dann er mag tragen, und es langet nit wenig tzu der Christenheyt schmach, dass man yhr schuld gibt, sie lege auff mehr, dann wir tragen kunnen.

Czum eylfften. Wan gleych die puß ynn geystlichem recht gesetzt itzt noch gingen, dass vor eyn iglich todsund sieben jar puß auffgelegt were, Szo must doch die Christenheyt die selben gesetzt laßen unnd nit weyter aufflegen, dann sie eynem iglichen tzu tragen weren. Vill weniger, nu sie itzt nicht seyn, sall man achten, das mehr auffgelegt werde, dann yederman woll tragen kann.

Czum tzwelfften. Man sagt wol, dass der sunder mit der uberigen peyn inß fegfewr ader tzum ablas geweyßet fall werdenn, aber es wirt wol mehr dings ann grundt unnd bewerung gesagt.

Czum dreytzehenden. Es ist eyn großer yrthum, das yemand meyne, er wolle gnugthun vor seyne fund, so doch got die selben altzeit umbsunst auß unschetzlicher gnad vortzeyhet, nichts darfur begerend, dann hynfurder woll leben. Die Christenheyt furdert woll etwas, alßo mag sie und sall auch dasselb nachlassen und nichts schweres adder untreglich auff legen.

Czum Viertzehenden. Ablaß wirt tzugelassen umb der unvolkomen und faulen Christen willen, die sich nit wollen kecklich uben yn guten wercken ader unleydlich seynn, dann ablas furdert niemant tzum bessern, sundern duldet und zu leßet yhr unvolkommen, darumb soll man nit widder dass ablas redenn, man sall aber auch niemand dar tzu reden.

Czum funfftzehenden. Vill sicherer unnd besserer thet der, der lauter umb gottis willenn gebe tzu dem gebewde S. Petri, adder was sunst gnant wirt, dan das er ablas darfur nehme, dann es ferlich ist, das er sulch gabe umb des ablas willen und nit umb gottis willen gibt.

Czum Sechtzehenden. Vill besser ist das werck eynem durfftigen ertzeygt, dann das tzum gebewde geben wirt, auch vill besser, dann der ablas dafur gegeben, dan, wie gesagt, Es ist besser eyn gutes werck gethan, dann vill nach gelaßen. Ablas aber ist nachlassung vill gutter werck, ader ist nichts nach glassen.

Ja das ich euch recht underweyße, ßo merckt auff: du salt vor allen dingen (widder sanct Peteres gebewd, noch ablas angesehen) deynem nechsten[245] armen geben, wiltu etwas geben. Wan es aber dahyn kumpt, das niemand ynn deyner stad mehr ist, der hulff bedarff (das ob got will nymer gescheen sall) dan saltu geben, ßo du wilt, zu den kirchen, altern, schmuck, kilch, die yn deiner stad seyn. Und wen das auch nu nit mher not ist, dann aller erst, ßo du wilt, magstu geben zu dem gebewde S. Peters adder anderwo. Auch saltu dennoch nit dass umb ablas willen thun. dann sanct Paul spricht: [Rand: Tim. 5, 8.] Wer seyn haußgenoßen nit wol thut, ist keyn Christen und erger dann eyn heyde. und halt darfur frey, wer dyr anders sagt, der vorfurt dich adder sucht yhe deyn seel yn deynem Beutell, und fund er pfenig darynne, das wer ym lieber dann all seelen.

Szo sprichstu: Szo wird ich nymer mehr ablas loßen. Antwort ich: das hab ich schon oben gesagt, das meyn will, begirde, bitt und rad ist, das niemand ablas loße, laß die faulen unnd schlefferigen Christen ablas loßen, gang du fur dich.

Czum sibentzehenden. Der ablas ist nicht geboten, auch nicht geraten, fundernn von der dinger tzall, die tzu gelaßen und erleubt werden: darumb ist es nit eyn werck des gehorsams, auch nit vordinstlich, sundernn eyn außtzug des gehorsams. Darumb wie wol man niemant weren soll, den zu loßen, szo solt man doch alle Christen darvon tzihen und tzu den wercken und peynen, die do nachgelaßen, reytzen und sterckenn.

Czum acchttzehenden. Ab die seelen aufz dem fegfewr getzogen werden durch den ablas, weyß ich nit, und gleub das auch noch nicht, wie wol dass ettlich new doctores sagen: aber ist yhn unmuglich tzubeweren, auch hatt es die kirche nach nit beschlossen. darumb tzu mehrer sicherheyt, vill besser ist es, dass du vor sie selbst bittest und wirckest, dann disz ist bewerter und ist gewisz.

Czum Neuntzehenden. In dissen puncten hab ich nit tzweyffel, und sind gnugsam yn der schrifft gegrund. Darumb solt yr auch keynn tzweyffell haben, unnd last doctores Scholasticos scholasticos seyn, sie seyn allsampt nit gnug mit yhren opinien, das sie eine prediget befestigenn solten.

Czum tzwentzigsten. Ab ettlich mich nu wol eynen ketzer scheltenn, den sulch warheyt seer schedlich ist ym kasten, Szo acht ich doch sulch geplerre nit grosz, syntemal das nit thun, dann ettlich finster gehyrne, die die Biblien nie gerochen, die Christenliche lerer nie geleßen, yhr eygen lerer nie vorstanden, sundern yn yhren lochereten und tzurissen opinien vil nah vorwesen. dann hetten sie die vorstandenn, szo wisten sie, dass sie niemant soltenn lesternn unvorhort unnd unuberwunden: doch gott geb yhn und uns rechtenn synn. Amen.

Quelle:
Martin Luther: Werke. 120 Bände, Band 1, Weimar 1888 ff., S. 243-246.
Erstdruck: Wittenberg (Joanne Grunenbergs) 1517.
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