Siebzehntes Kapitel.
Der Heer Autor spricht von sich selbst.

[127] Ich habe zwey Freunde ...

»Zwey? Herr Autor, Sie sind ein Prahler!«

Leser, das bin ich nicht. Was könnt es mir, im Fall ich prahlen wollte, auch wohl helfen, mich einer Glückseligkeit zu rühmen, die so wenig Menschen zu schätzen wissen? Dann hätt ich lieber gesagt: ich habe zwey Tonnen Goldes; und du hättest mir das eben so wohl glauben müssen, da du mich nicht kennst, auch, wenn Gott Harpokrates kein Schelm ist, nie kennen lernen wirst, und man zudem so viel Freymuth bey mir finden kann, als wenn ich zweyhundert Tonnen Goldes hätte. Um dir auch zu zeigen, daß ich kein Prahler sey, will ich dirs wohl vertrauen, daß ich weder Vermögen noch Ansehen habe. Aber vergiß nicht, lieber Leser, daß ich dir dieses bloß im Vertrauen sage; du mußt es beyleibe nicht unter die Leute bringen. Man hat so seine Konnexionen mit Fleischern, Weinhändlern und Beckern, und die müssen dergleichen nicht erfahren. Was den Schneider betrifft, der mags immer erfahren, denn dieses Kleid, das ich anhabe, kann für einen Autorrock noch immer seine vier oder fünf Jahre aushalten. Es ist auf beyden Ellenbogen noch ganz, und hat überall außer der Farbe, die, wie du weißt, zur Haltbarkeit des Tuches nichts beyträgt, eben nicht viel verlohren. Und da hängt auch noch auf den äußersten Nothfall mein Bratenrock von seinem Couleur de puce, welches aber kein guter Autorornat ist. So wenig Verdienste ich habe, mag ich mich doch lieber mit ihnen behelfen, weils meine eignen sind, als daß ich mit fremden Verdiensten prunken sollte, die ich alle Abend ausziehen müßte. Es ist so schön, wenn ein Mann darinn seiner Sache gewiß ist, daß, wer den Hut vor ihm abzieht, bloß seine Person[128] grüße. Siehst du, trauter, lieber Leser! zum Prahlen halt ich mich zu gut.

Ich habe zween Freunde; und weil ich die habe, kann ich mich durchaus nicht entschließen, diese Erde für einen so schäbigen, klatrigten, garstigen Lumpenplaneten zu halten, als manche Leute draus machen wollen. Nein, das könnte ich nicht, wenn ich auch lebenslang in einem Kerker wohnen müßte, und dort zwiefach vom Hypochonder und zwiefach von Schwindsucht geplagt würde. Ich würde mich meiner Freunde freuen, und, wenn sie mich besuchen dürften, sie auf mein gutes Brodt und reines Wasser zu Gaste bitte – (denn so hart wird keine Majestät unter der Sonne die die große ewige Majestät scheinen läßt, seyn, daß sie einen armen unschuldigen Gefangnen schlechtes schimmlichtes Brodt und trübes Pfützenwasser geben lassen sollte,) und meine Freunde würden, bey allen ihren Glücksgütern den armseligen Bissen und den irdnen Krug ihres Freundes nicht verschmähen, und sich seiner im Kerker nicht schämen. Und dürften sie mich nicht besuchen, so würd' ich doch des Gedankens mich freuen, zween Freunde ausser meinem Kerker zu haben. Nun weiß jedermann, daß eine Erde auf welcher ein armer Gefangner sich freuen kann, unmöglich ein Bettel von Planeten ist.

Ich bin, was das anlangt, so gut als irgend jemand ein Autor, daß ich meine Kinder für wohl so hübsche Jungen halte, als andrer Leute Knaben, ob ich gleich gern der erste bin zu gestehen, daß sie hier und da eine unvergängliche Pockennarbe verunzieret, und daß sie manches Muttermaal mit auf die Welt gebracht habe, – und ich glaube, es ist eine große Narrheit, dergleichen Fehler mit Schönpflästerchen belegen zu wollen. – Aber das bey Seite gesetzt. So gern ich also die Kindlein leiden mag, so pflege ich mich doch vor der unartigen[129] Schwachheit, sie in allen Gesellschaften zu produciren sorgfältig genug in Acht zu nehmen. Wenn ich aber eben dabey bin, einen neuen Jungen zur Welt zu bringen, und es kömmt gerade einer von meinen beyden Freunden in meine Manufaktur, so pflege ich ihm ein Ohr oder eine Fußzehe davon zu zeigen, und damit laß ichs gut seyn. Sonderlich gilt dieses von dem Freunde, dem sein Stand an jedem Tage der Woche ein farbiges Kleid erlaubt; denn der andre kann mich nicht oft noch lange besuchen. Vorigen Sonntag aber macht ichs häßlich. Der eine von meinen Freunden, den ich wegen der stillen Größe, dem Hauptzuge seines Charakters ehre, so wie ich an beyden das edle, gute, warme Herz, die unbescholtnen Sitten, die Festigkeit des Charakters, die feine Denkart, den muntern Witz, die lächelnde Laune, das glückliche Talent dem unbedeutendsten Histörchen Leben und Anmuth geben zu können, nebst hundert andern schönen Seiten des Herzens und der Seele schätze und liebe: – der eine, sag ich, besuchte mich, und traf mich gerade als ich mit Herrn Bartholomäus Schwalbe auf Reisen war. Er nahm etliche meiner Hefte, und kuckte hinein. Und siehe da! der Herr Autor war so höflich, und legte ihm alle die übrigen in gehörige Ordnung. Ehrenhalben konnt er nun nicht anders als alle durchsehen; und so war der herrliche Nachmittag verdorben. Wie er weggegangen war, besuchte mich mein andrer Freund. Da macht ichs noch ärger: dem las ich gar ein ganzes Heft vor, ob ich gleich vermuthen konnte, daß er keine Stunde bey mir bleiben würde. Meine Freunde rächten sich dadurch, daß sie nichts zu tadeln fanden, so sehr ich auch bat, als daß der eine statt eines Komma, irgendwo ein Semikolon haben wollte, und der andre ein aus Versehen zweymal geschriebnes Wort bemerkte. Und[130] ich strafe mich, indem ich meine Thorheit hiermit, jedem Autor zum warnenden Exempel, öffentlich zur Schau stelle, und dem Herrn Lektor freygebe, mir eine Lobrede zu schreiben.

Quelle:
Johann Gottfried Müller: Siegfried von Lindenberg. Hamburg 1779, S. 127-131.
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Siegfried von Lindenberg. Komischer Roman