Eilfte Scene.

[183] Die Vorigen. Jerta, Valeros und Otto treten rasch ein.


JERTA fliegt herbei, und fällt ihm in den linken Arm.

Graf! was wollt ihr thun?

HUGO indem er den blutigen Dolch zu ihren Füßen fallen läßt.

Gethan

Ist's; doch schlecht – ihn traf ich besser.


Er sinkt am Sessel nieder, so daß der Oberleib halb aufgerichtet bleibt.
[183]

JERTA ist beim Fallen des Dolchs zurückgetreten, mit tiefem Schmerz.

Oh!

VALEROS.

Mein Sohn! – du trafst mein Leben!

JERTA schnell gefaßt, dringend zu dem Verwundeten.

Ist noch Rettung?

HUGO.

Nein! – Erlösung

Nur durch Schmerzen – von dem Leiden.

OTTO einige Schritte entfernt.

Armer Herr!

JERTA mit erschütternder Klage, die Stirn an Hugo's Haupte.

Mein Freund! – mein Bruder! –

OTTO erblickt Elviren.

Jesu Maria! – die Mutter! O seht –

Seht doch! die Mutter liegt blutend darnieder!


Er kniet neben ihr.
[184]

JERTA.

Gott!

VALEROS heftig.

Wer begann das? – Ein blutiger Stahl

Liegt nur am Boden.

JERTA.

Der Dolch ist Elviren.

VALEROS zu Hugo.

Mensch! Wenn du das auch gethan –!

ELVIRE mit Anstrengung.

Ich – ich selbst!

VALEROS beschwörend.

Ist's so?

ELVIRE halb aufgerichtet, mit sich verklärendem Blicke.

So wahr ich – wie Töne der Harfe –

Die mir zum Lager dient – himmelwärts schwebe!


Sie sinkt sterbend auf die Harfe zurück, die Hand gleitet dabei matt über die Saiten, und man hört einen leisen verhallenden Ton.
[185]

OTTO.

Mutter! – So sah ich im Traum dein Gesicht!


Er beugt sich über sie.


VALEROS zu seinem Sohne.

Otto! Vergieb den Gedanken!

HUGO.

Auf Erden

Wohnt der Verdacht – und die Nacht. Dort – ist Licht.

VALEROS.

Oh! daß ich kam, um dir tödtlich zu werden!

HUGO schwächer.

Schaffet – nach Spanien – die Leichen – zu ihm –

Denn – er vergab uns! –


Mit Vision.


Dem Cherubim

Nimmt er – das rächende Schwert – er winket


Mit erhobener Stimme.


Frei – ist der Geist! – – die Hülle – sinket –


Er fällt sterbend zusammen.
[186]

JERTA mitten auf der Bühne, nach kurzer Stille mit Begeisterung.

Sinke der Leib! ich liebte den Geist,

Den kein Tod dem Herzen entreißt,

Der mir von nun an im Abendstern blinket!

VALEROS.

Ist der Geist nur frei von Qual,

Wenn der Leib fällt; dann, o Stahl,

Komm, und gieb die Freiheit mir!


Er hebt rasch den Dolch auf, Jerta entreißt ihm denselben.


JERTA mit tiefem Ernst.

Ritter! – Seid ein Mann! – Kniet hier

Euer Enkel nicht?

VALEROS.

Könnt ihr

Leben, wenn ihr ihn geliebt?

JERTA.

Ich bin Christin. – Schuld nur giebt,

Oder Schwäche, sich den Tod.

Lebt für diesen, ihm ist's noth.


[187] Valeros beugt sich über Hugo's Leiche.


OTTO sich von der Mutter aufrichtend.

Gott! Warum – warum ist denn

So Entsetzliches geschehen?

JERTA groß und ruhig.

Fragst du nach der Ursach, wenn

Sterne auf und untergehen?

Was geschieht, ist hier nur klar;

Das Warum wird offenbar,

Wenn die Todten auferstehen!


Der Vorhang fällt.

Ende des Stücks.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 2, Braunschweig 1828, S. 183-188.
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