Sechste Scene.

[140] Yngurd. Marduff. Irma und Asla vom Felsen kommend.


MARDUFF.

Herr, Erichson läßt dir –

YNGURD.

Erspar' den Rest:

Alf ist gefolgt, ich soll das letzte wagen.

MARDUFF.

Es spaltet mir die Brust, daß ich's muß sagen:

Es ist umsonst; das Loos des Krieges läßt

Von diesem Tage dich kein Heil mehr hoffen –

Kaum ist der Weg nach Auslo dir noch offen.

YNGURD.

Was ist –

MARDUFF.

Die Höhen, die Graf Biörneland

Besetzt gehalten, sind in Feindes Hand,

Trotz seines Haufens tapferm Widerstand.[141]

YNGURD will fort.

Hält Nös und Egrösund Brunhilden auf,

Nehm' ich sie wieder.

MARDUFF.

Herr! Es giebt im Kriege,

Wo alles gräulich ist, nur einen Gräul: die Lüge,

Die Treue schwört, und sinnt auf Ueberlauf.

YNGURD bestürzt.

Wie? Egrösund –?

MARDUFF.

Der Graf ist mit dem Feind.

YNGURD.

Ha! meine Ahnung!

MARDUFF.

Seine Schaaren brüllen:

»Oskar ist König! Nieder mit dem Bauer!«

Auch Nös kann schier den Aufruhr nicht mehr stillen,

Und deine Krieger schüttelt Fieberschauer.


Yngurd steht unentschlossen, Marduff fährt nach kurzer Stille fort.
[142]

Befiehl den Rückzug durch die Bergschlucht.

YNGURD trotzig den Boden stampfend.

Nein!

Ich hab' gebetet – meine Brust war rein –

Grollt mir der Himmel, mag's der Teufeln seyn,

Der mit mir ficht, die Schmähung mir zu sparen:

Den Yngurd trieb ein wüthend Weib zu Paaren!

IRMA.

Um Gotteswillen, fass' dich, Yngurd, stark

In solchem Aufruhr ist des Menschen Rede.

ASLA.

Nicht dem gewalt'gen Rächer biete Fehde,

Halt aus, mein Vater, alles wird noch gut.

YNGURD.

Weg, Weiber! – Oeffne dich, der Erde Mark,

Und laß mich schauen in der Hölle Glut!

Herauf, ihr Geister, die ihr Böses thut

Zum Zeitvertreib – den Bergmann in dem Schacht

Am Rand des Abgrunds blind und schwindlich macht,[143]

Daß sein Gebein auf ehr'nem Grund zerschelle –

Herauf! Eu'r Handwerk treibt an Tageshelle!

Bethört der Dänen siegestrunkne Haufen,

Daß sie einander in die Schwerter laufen!

Herauf! du, Satan! Was Brunhild' auch bot

Für deinen Dienst, ich will sie überbieten.

Was kann das Weib dir seyn? Mit meinem Tod

Stirbt ihre Wuth, und sie wird wieder fromm.

Ich bin ein Mann, zu meinem Beistand komm,

Und wie mich Gott verlassen in der Noth,

Daß mich die Knechte knechtisch feig verriethen,

Will ich dir treu seyn über's Grab hinaus!

Ist es die Wollust, Satan, die dich kirrt;

So komm fortan zu Auslo's Festgelagen

Willst du dem Unrecht einen Tempel miethen;

Zieh' ein damit


Die Hand auf der Brust.


In dieß gewölbte Haus!

Ich bin ein König, der gefürchtet wird;

Ein Wink von mir, und Norwegs Richter zagen,

Und Unschuld wird vom Henkerbeil erschlagen.

Lockt dich des Krieges sündenreiche Noth,

Die Raub und Mord feil macht um täglich Brot;

[144] Ich kann sie über eine Welt verhängen,

Von ihrem Boden Städt' und Dörfer sengen,

Wie Haar vom Haupt – und muß ich endlich sterben,

So weckt mein Name, von der Jahre Lauf

Schneerein gewaschen, neue Helden auf,

Und stürzt die späte Nachwelt in's Verderben.

D'rum, Satan, brich dem tollen Weib den Kauf,

Und laß dich für den Dienst des Yngurd werben!


Indem er aufbricht, hält ihn der nachfolgende Ruf.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 140-145.
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