Dritte Scene.

[166] Saal in Yngurds Burg. Yngurd, ungewappnet, doch das Schwert an der Seite, tritt rasch ein. Irma folgt ihm.


IRMA.

Ich lass' dich nicht, ich folge dir, wohin

Du immer siehst, wie mich verfolgt die Angst!

YNGURD.

Weib, mit dem ewig wandelbaren Sinn,

Du hast kein Wort für das, was du verlangst,

Und suchst ein Ohr doch, das dein Bitten höre?

IRMA.

Laß meiner Ahnung Frist, sich zu gestalten

Zur Furcht, die ihren Gegenstand erkennt.

Nur Aufschub, Yngurd – Aufschub nur gewähre!

YNGURD.

Gebeut dem Feuer, das den Wald verbrennt,

Damit bequem wir's löschen, still zu halten.

IRMA.

Du hast gesiegt. An Ostlands Gränze wich[167]

Das Dänenheer. Was treibt zum Frieden dich

Mit solcher Eil'? Vor wem hast du zu beben?

YNGURD finster.

Vor mir. – Den Satan rief ich an um Sieg;

Er gab ihn mir, wie Satan pflegt zu geben:

Den Namen statt der Sache, um das Haupt

Den Lorbeer, um die Brust der Schlange Knoten.

Der Sieg hat mir zum Krieg den Muth geraubt,

Ich beb' im Traum vor blutbefleckten Todten.

IRMA.

Yngurd, verwirrt des Abgrunds dunkle Macht

Die Sinne dir?

YNGURD.

Ich war in dieser Schlacht

Mehr oder weniger, als Mensch: ich fühlte

Neunfache Kraft in meines Armes Sehnen,

Und in mir Glut, die sich im Blute kühlte,

Gleichviel, ob von Normannen oder Dänen.

Ich focht nicht mehr mit Alf; ich rast' im Fieber.

Die Menschheit stand mir feindlich gegenüber.[168]

Mit ihr, so wähnt' ich, hatt' ich's auszufechten,

Mit ihr um Egrösunds Verrath zu rechten,

Und um des Normanns unbeständ'gen Sinn,

Der darin nur beharrlich ist, zu merken,

Daß ich aus niederm Stamm entsprossen bin,

Und daß mein Recht beruht auf meinen Werken.

Vor diesem Feu'r, das mir die Hölle lieh,

Wich Danlands Macht bestürzt zurück; doch nie –

Nie wieder mag ich Sieg zu solchem Preise.

Denn als ich rückwärts ritt, das Leichenfeld

Zu überschauen nach gewohnter Weise –

– Still lag es, schräg vom Mondeslicht erhellt,

Das, ein durchsichtig Tuch, den Gräu'l bedeckte –

Da war's, als wenn mein Hufschlag Stimmen weckte,

Die links und rechts bald Held, bald Henker grüßten.

Bang' schnob der Rapp', von Furcht gehoben schwoll

Die Mähn' empor, der Brandung Tosen scholl

Graunvoll herüber von den nahen Küsten,

Und markdurchschauernd trieb ein blind Entsetzen[169]

Zur Flucht mich, wie das Wild die Rüden hetzen.

IRMA.

Halt ein, ich bitte dich! Ich bin ein Weib.

YNGURD.

Wohl dir, daß du kein Mann bist! Mit dem Leib

Erstarkt das Herz auch zu den grausen Dingen,

Die Könige bestimmt sind zu vollbringen

Weh' ihnen, regt sich Zweifel in der Brust,

Daß Aerg'res sie gethan, als sie gemußt.

IRMA.

Willst du mein Herz in neue Banden legen,

Du edler Leu, den Tapferkeit gereut?

O, daß ich noch zum Höchsten dich bewegen –

Bewegen könnt', aus diesem Kronenstreit

Siegreich zu gehen – ohne Norwegs Krone!

YNGURDS rasch.

Nein! – Was ich mag auf deiner Väter Throne

Gekündigt haben, wird nicht gut gemacht

In träger Ruh'. Ich war vor dieser Schlacht

Ein guter Fürst, der nie von Gott ich wandte.

Die Schmach allein, dem tollen Weib zu weichen,[170]

Trieb mich, die Hand dem bösen Geist zu reichen

Zum Kriegerbund, eh' Ourdal Botschaft sandte.

Der Held nur strauchelte, der König nicht,

Drum weiche Heldenruhm der Königspflicht.

Vom Liebsten will ich mich, von Asla, trennen,

Damit die Söhne derer Friede haben,

Die Yngurds Kriege vaterlos gemacht.

Der Normann soll fortan mich Vater nennen,

Und Vater will ich seyn dem holden Knaben,

Dem ich nach mir den Scepter zugedacht.

Ich will die Kunst ihn lehren, zu befehlen,

Und Königssinn mit Milde zu vermählen.

IRMA.

O, süßer Traum! – – Warum so fürchterlich

Durchschauert mitten in des Wahnes Lust

Der Ahnung Frost die mütterliche Brust?

YNGURD.

Die mütterliche? Asla nannte sich

Beglückt, dem Reich den Frieden zu bewahren;

Ist frei nicht mehr ihr junges Herz von Liebe?

Hat sie sich mir verhehlt? Laß mich's erfahren.

Fern sei's vom Vater, daß er Hartes übe[171]

An dieser Blüte seiner Jünglingstriebe.

IRMA.

Bis auf die Sehnsucht ohne Gegenstand,

Die unzertrennlich ist von ihren Jahren,

Weiß ich sie frei. Doch, Yngurd, ist dieß Band,

Das mich so früh von meinem Kinde trennet,

– So ungleich dem, das mir das Glück gegönnet –

Ist's unumgänglich?

YNGURD.

Danland will ein Pfand

Für Oskar, der in Norweg bleiben muß.

IRMA.

Muß? Warum muß er? Aendre den Beschluß;

Sein Bleiben furcht' ich mehr, als Asla's Scheiden.

YNGURD.

Haßt Ottfrieds Tochter Ottfrieds zarten Sohn?

IRMA lebhaft.

Seit Oskar athmet, wanket Yngurds Thron!

Ich haßt' ihn, ja, schaamroth muß ich's gestehen,

Ich haßt' ihn, eh' er noch das Licht gesehen,[172]

Denn noch im Mutterschooß vermehrt' er schon

Der Feindin Macht bei'm Vater, und mein Leiden.

Und dieser Knabe, der in stetem Bangen

Um dich mein Herz gehalten, zieht gefangen

In Auslo ein, und – siegreich in mein Herz.

Vergessen ist der jahrelange Schmerz,

Und König Ottfrieds mild verjüngtes Bild

Umschlingt die Feindin mit der Liebe Banden.

Das, Yngurd, ist's, was mich mit Furcht erfüllt;

Send' Oskar weg mit Danlands Abgesandten.

YNGURD.

Du sprichst in Räthseln, eile sie zu lösen.

IRMA.

Entging es dir, daß dieses Zauberwesen,

Das aller Herzen Meister ist, von dir

Die Neigung der Normannen wendet? Hier

In Auslo giebt's nur Augen noch für ihn.

Wo er sich zeigt, seh' ich die Blicke glühn

Von Wünschen, die nur Furcht vor Yngurd bindet.

Willst du in Norweg Herr seyn, laß ihn ziehn!

In diesem Kampf ist er's, der überwindet.[173]

YNGURD.

So glaub' ich selbst, und darin liegt der Grund,

Warum ich ihn in Norweg muß behalten.

Der Aufruhr wächst mit Macht; Graf Egrösund,

Der Yngurd kennt, wenn er Verräther richtet,

Will dadurch leben, daß er mich vernichtet.

Gestiftet hat er einen Oskarbund;

So weit er kann, läßt er das Reich verwalten

Im Namen Oskars; Danlands Kanzler, der

Durch Alf regiert, schickt Geld und läßt im Meer

Die Oskarfahne freien Handel treiben.

So machten sie das Volk dem Knaben eigen,

Ihn will's zum Herrn, und soll es Yngurd bleiben,

So muß er Hoffnung zur Erfüllung zeigen.

Oskar, von mir als Reicheserb' erkannt,

Entwaffnet es, und dient in meiner Hand

Für innern Frieden mir zum Unterpfand.

IRMA.

Und Braunhild, Yngurd – bleibt auch sie im Land?

YNGURD.

Ich denke nicht. Des Dänen Briefe schweigen[174]

Von diesem Punkt. Man spricht von Augenzeugen,

Die ausgesagt, sie sei nicht bei Verstand.

IRMA erschüttert.

Unglückliche! Mag Gott sie so nicht strafen

Für das, was sie an Ottfried that und mir!


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 166-175.
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