Siebente Scene.

[191] Yngurd. Marduff im Hintergrunde.


YNGURD in wildem Ausbruch.

Ha! Fluch der Qual der Qualen! Fluch dem Zwange,

Der in der Brust den Willen überfällt,

Ihn still und stark umwindet, wie die Schlange,

Und bis er stirbt, ihn fest und fester hält.

Fall' meinen Leib an, Haß! Entwaffne mich!

Wirf mich zu Boden! Feßle mir die Glieder!

Ich lache dein: die Freiheit rettet sich

Aus Arm und Fuß, und kehrt zum Herzen wieder.

Der Trieb geht unter in der Ohnmacht; Macht,[191]

Von Furcht gezähmt, ist ein Geschenk der Hölle,

Des Lebens Trunk vergiftend an der Quelle,

Den Mann zum Kinde machend, das zur Nacht

Gespensterscheu nicht Luft zu schöpfen waget

Und unter Angstschweiß harret, bis es taget.

Mir tagt es nicht mehr! Abfall und Verrath

Umstellen mich. Mein Wort und meine That,

Des Busens Willen nicht mehr unterthänig,

Sind meiner Feigheit Diener worden. Ich

Muß buhlen um die Gunst des Volkes, mich

Mild stellen, wo ich rasen möchte! – – »König?«

Der Hohn nur kann noch so mich grüßen. »Herr?«

Hast du's vernommen, Marduff, wie der Nam'

Aus dieser Knechte stolzem Munde kam?

Oh, daß ich Bauer, wie mein Vater, wär'!

Daß ich mein dankbar Vieh zur Weide führte,

Und meinen Pflug statt dieses Volks regierte!

Der Saam', in das gefurchte Land gestreut,

Bringt funfzigfältig Früchte: was ist mir,

Der Thaten sä'te auf das Feld der Zeit,

Die mit Bewunderung die Welt durchrangen –

Was ist daraus für Frucht mir aufgegangen?[192]

Der Haß, der Neid, die giftige Begier,

Vom Firmament den Stern herabzureißen,

Weil fremde Zonen ihn den ersten heißen.

MARDUFF.

Herr, sorge nicht, das werden sie nit enden.

Es giebt noch Herzen g'nug, die meinem gleichen,

Das von dem Helden Yngurd nicht kann weichen.

Ja, ob sie auch den Scepter dir entwänden,

Der Lorbeer bleibt.

YNGURD rasch einfallend.

Du kennst die Welt so schlecht,

Wie ich die Hölle, die mich hat betrogen

Mit dem unsel'gen Glücksfall in der Schlacht.

Wär's Gottes Sonne nicht am Himmelsbogen,

Die Thoren fragten sie nach ihren Recht,

Zu wärmen und zu glänzen. Wäre nicht

Beim Untergang am größten ihre Pracht,

Beim Himmel! sie vergäßen über Nacht,

Daß sie der Quell war von des Tages Licht.

Wer kleiner stirbt, als er gelebt, ist hin

In dieses flüchtigen Geschlechtes Sinn.[193]

MARDUFF.

Du stirbst nicht so. Der Nord liebt Waffenthaten,

Er kann um Oskar Yngurd nicht entrathen.

YNGURD in großem, innerlichen Kampfe.

Wenn dem so wär', was nützt es mir? – Ich bin

Krank, Marduff – krank, und werde nicht gesund,

Bis dieser Knabe – – Hab' ich nicht vorhin

Von Furcht geredet?

MARDUFF.

Ja; in deinem Mund

Ein seltnes Wort –

YNGURD rasch einfallend.

Ein Wurm, der um die Frucht

Herumkriecht, und den Weg zum Kerne sucht.

Er wird den Muth in meiner Brust verzehren;

Feig, wie ein Weib werd ich dem Egrösund

Entgegen ziehn, zurück mit Schande kehren.

Du wirst dich schämen, mir gedient zu haben!

D'rum – tödt' ihn![194]

MARDUFF.

Wen? Den Wurm der Furcht?

YNGURD gedämpft.

Den Knaben!

MARDUFF entsetzt zurücktretend.

Wie, Herr? Jch soll zum Mord

YNGURD fällt dringend ein.

Ich hab' ein Leben

An dir zu fordern! – Euch den Tod zu geben,

Euch Schotten, die der Normann würde fangen,

Euch in den Felsabgruud zu werfen, war,

Weil euer Feldherr Aehnliches begangen,

Des hocherzürnten Ottfried streng Gebot.

Dem Ritter, der's verletzte, drohte Tod;

Ich that's um dich, ich log ihm von Gefahr,

Die mir gedroht, und der du mich entrissen.

Was schwurst du damals zu des Retters Füßen?

Bedenke das!

MARDUFF.

Herr, du befiehlst die That?

YNGURD.

Befehlen? That? Nein. Aber klugen Rath[195]

Ersinne, daß ein Fall – ein Unglücksfall –

– Gelegenheit zum Unglück beut die Hölle

Freigebig dar –


Er fährt furchtsam zusammen.


Still! Keine Antwort! Schall

Von Tritten hör' ich an des Saales Schwelle.

Es geht vorüber. – – Marduff, ich befehle

Dir nichts, hörst du? gar nichts. Doch ich vertraue

Den Entschluß dir, daß ich den Tag nicht schaue,

Wo zwischen mir und ihm soll Wahl seyn. – Wähle

Du statt des Reichs! – Ich leg's auf deine Seele.


Durch den Haupteingang ab.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 191-196.
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