[56] In Rom. Offene Halle mit Götterstatuen und Prunkgefäßen, in denen Räucherwerk brennt. Aussicht auf die Apenninen. – In der Mitte eine gedeckte Tafel mit drei Ruhebänken. Adam als Sergiolus, Lucifer als Milo, Catulus, lauter Lüstlinge. Eva als Julia, Hippia und Cluvia, Lustdirnen, leichtfertig gekleidet, schwelgen. Auf einer Tribüne kämpfen Gladiatoren, Sklaven stehen Befehle erwartend umher, Flötenspieler machen Musik. Abend, später Nacht.
CATULUS.
Wie schlau und flink ist, Sergiolus, schau,
Der Gladiator mit der roten Binde!
Möcht' wetten, daß er jenen dort besiegt.
ADAM.
Den nicht, beim Herkules!
CATULUS.
Was, Herkules!
Wer glaubt heut noch an Götter? Schwöre lieber
Bei deiner Julia, dann glaub' ich's eher.
ADAM.
Es sei!
LUCIFER.
Dein Schwur hat wahrlich festen Grund,
Wenn an die Stelle einer falschen Gottheit
Du eine andere falsche Gottheit setzest.
Doch sag', wie sollen wir den Eid verstehn?
Gilt ihre Schönheit, ihre Liebe, oder
Gar ihre Treue uns als Unterpfand?[56]
CATULUS.
Der Liebreiz ist vergänglich, und wenn er
Auch nicht vergänglich wäre, würde morgen
Dir schal erscheinen, was dich heut' entzückt;
Leicht dürfte dich ein minder schönes Weib
Abwendig machen durch den Reiz der Neuheit.
ADAM.
Hab ihre Treu gemeint, denn wer verschwendet
An seine Herzensfreundin mehr als ich?
HIPPIA.
O süße Einfalt! Wärst du denn imstande
Sie unaufhörlich liebend zu umarmen?
Und könntest du's, der du so unersättlich
Nach Wollust schmachtest, und so ganz vergeblich
Umherschwärmst, weil in jedem Weibe du
Nur einen losen Teil der Reize findest;
Indes das höchste Ideal von Schönheit
Und Wollust stets dir unerreichbar vorschwebt?
Wie kannst du wissen, ob nicht eine Laune,
Ein Traum vielleicht auch sie verführen wird?
Die wundbedeckten Glieder eines Fechters.
ADAM.
Wahr, nur zu wahr, nicht weiter Hippia!
Warum lockt uns, gleich Tantalus, die Wollust,
Wenn wir der Kraft des Herkules ermangeln,
Uns nicht wie Proteus schlau verwandeln können,
Und ein verachteter obskurer Sklave
Nach einer martervoll durchlebten Woche
Die Schäferstunde ungesucht genießt,
Nach der sein Herr sich ganz vergeblich sehnt?
Wär' nur ein Wassertrunk die Sinneslust
Dem schier Verschmachtenden, und Tod dem Kühnen,
Der sich kopfüber in die Wogen stürzt?[57]
LUCIFER.
Welch' intressanter Lehrkurs über Sitten,
In schöner Mädchen Schoß, bei Becherklang.
Doch eure Wette?
ADAM.
Nun, wenn ich verliere,
Sei Julia dein Eigen.
CATULUS.
Und gewinnst du?
ADAM.
Gehört dein Roß mir.
CATULUS.
Nach vier Wochen magst
Du sie getrost zurück dir nehmen, oder
Beileib', ich stoße sie in meinen Fischteich.
LUCIFER.
Schau, Julia, den schönen fetten Fisch.
Iß doch, du wirst ja einen andern mästen.
EVA.
Und prassen nicht einst Würmer auch an dir?
Es freue sich wer lebt, so lang er atmet;
Und wer sich nicht des Lebens freuen kann,
Soll wenigstens aus vollem Halse lachen.
Trinkt.
ADAM zum Gladiator.
He, halt dich gut!
CATULUS.
Nur tapfer ausgeholt!
Der Gladiator des Catulus fällt und hebt um sein Leben flehend den Finger. Adam will das Begnadigungszeichen geben. Catulus hält ihm die Hand zurück und streckt die Faust ballend seinen Daumen gegen den Gladiator.
[58] Recipe ferrum! – Feige Memme. Habe
Der Sklaven noch genug, ich bin nicht geizig.
Wer könnt' euch, meine Schönen, diese kleine
Leichtaufregende Scene vorenthalten,
Ist doch der Kuß weit süßer, die Begierde
Viel glüh'nder, wenn ein bißchen Blut geflossen.
Der Gladiator hat unterdessen seinen Gegner umgebracht.
ADAM.
Das Roß ist mein! Komm' teure Julia,
Umarme mich! Den Leichnam schafft hinaus! –
Hei Tänzer! Spielet nun Komödie,
Genug für heut' von diesem.
Der Leichnam wird hinausgetragen, Tänzer nehmen die Bühne ein.
CATULUS.
Cluvia!
So komm' du auch; ich kann's nicht lang mit ansehn,
Wenn andre kosen.
LUCIFER.
Und wir, Hippia,
Woll'n wir nicht auch dem guten Beispiel folgen?
Doch lecke dir die Lippen eher ab,
Ob ihrem Rot kein Gift anhaftet. Recht so! ....
Nun, Schätzchen, können wir uns auch erlust'gen.
ADAM.
Wie pocht dein Herz so ungestüm, ich kann
Daran nicht Ruhe finden, Julia!
Sie flüstern.
LUCIFER.
Hör' nur, der Narr da faselt noch vom Herzen!
CATULUS.
Herzliebchen, sieh, ich lasse dein's in Ruhe.
Du kannst damit ganz nach Belieben schalten,
Wenn ich's nicht weiß, sind sonst nur deine Küsse
Recht feurig und allzeit bereit für mich.[59]
CLUVIA.
Großmüt'ger Gönner, auf dein Wohl! Stoß an!
Trinkt.
CATULUS.
Gut, gut, doch Cluvia, entziehe mir
Nicht deinen weichen Arm und vollen Busen;
Sieh' da, mein Kranz glitt mir bereits vom Haupt.
Zu den Tänzerinnen.
Ach, das ist eine meisterhafte Wendung,
Wie üppig und wie graziös dabei!
CLUVIA.
Ich halte dir die Augen zu, wenn du
Dort suchst, wofür ich auch wetteif're, ohne
Nur den geringsten Lobspruch zu erringen.
Auf Lucifer zeigend.
Betrachte lieber diese Essigmiene!
Was nützt dem Sauertopf die schöne Maid,
Wenn er mit ihr nichts anzufangen weiß,
Und zugiebt, daß sie einschläft, während er
Mit kühlem Blick' hohnlächelnd nur verfolgt
Die hundert süßen, wenngleich närr'schen Dinge,
Die dem gesell'gen Umgang Duft verleihn.
CATULUS.
Fürwahr, ein solches Jammerbild erkältet
Die sangesfrohe Stimmung ganzer Kreise.
Wer des Momentes Zauber widersteht
Und von der Flut sich nicht hinreißen läßt,
Der taugt nicht viel und bleibe nur daheim.
HIPPIA.
Gewiß, gewiß. Ich fürchte fast, den Armen
Hat wirklich schon der schwarze Tod gepackt,
Der in der Stadt jetzt wütet.
ADAM.
Ach, hinweg[60]
Mit diesem düstern Bild! Ein Lied, ein Lied!
Recht lustig! Wer von euch kann wohl das Schönste?
HIPPIA singt.
Die Liebe und den Wein
Lass' nie zu viel dir sein.
Andres Aroma
Hat jeder Becher,
Und wie die Sonne wüste Gräber,
Vergoldet unsern Lebenstag
Der Rausch, der süße Taumel.
Die Liebe und den Wein
Lass' nie zu viel dir sein.
Anderen Zauber
Hat jedes Mädchen,
Und wie die Sonne wüste Gräber,
Vergoldet unsern Lebenstag
Der Rausch, der süße Taumel.
CATULUS.
Das war nicht schlecht. Was kannst du, Cluvia?
CLUVIA singt.
Es waren wohl recht närr'sche Zeiten,
Als einer von den schönsten Leuten
Sich um Lucretia bemühte,
Und sie in Wollust nicht erglühte,
Auch in kein Lupanar gegangen,
Durch eignen Dolch den Tod empfangen.
ALLE.
Freut euch, daß jetzt die Welt gescheiter,
Und ihr drin lebet, heil und heiter!
CLUVIA.
Es waren wohl recht närr'sche Zeiten,
Als Brutus für das Volk zu streiten[61]
Zum Schwerte griff, wie Söldner thun,
Und konnte schön daheim doch ruhn.
Hat auch für solche Narrenspossen
In heißer Schlacht sein Blut vergossen.
ALLE.
Freut euch, daß jetzt die Welt gescheiter
Und ihr drin lebet, heil und heiter!
CLUVIA.
Es waren wohl recht närr'sche Zeiten:
Ein Hirngespinst konnt' Helden leiten;
Die hielten heilig, was zum Lachen.
Ein solcher Thor wär' für den Rachen
Der Bestien im Cirkus heute
Zu grausem Schauspiel seltne Beute.
ALLE.
Freut euch, daß jetzt die Welt gescheiter,
Und ihr drin lebet, heil und heiter!
LUCIFER.
Ach Cluvia, hast Hippia besiegt!
Ich wollt' ich wär's, der dieses Lied gedichtet.
ADAM.
Du singst nicht, Julia? Warum so traurig?
Um uns ist alles lustig, voller Freude.
Thut dir nicht wohl an meiner Brust zu ruhn?
EVA.
Ach wohl, sehr wohl! Doch mußt du mir verzeihn,
Wenn ernst mein Glück mich stimmt. Ich glaube wirklich
Ein lachend Glück ist gar kein wahres Glück.
Es mischt in uns're süßesten Momente
Ein Tropfen sich von unnennbarem Weh,
Wir ahnen wohl, daß solche Augenblicke
Nur Blüten sind, – die bald verwelken.[62]
ADAM.
Gerade
So ist es mir zu Mute.
EVA.
Und besonders
Wenn ich ein Lied hör', wenn Musik erklingt.
Da lausch' ich nicht dem engbeschränkten Worte,
Es wiegt der Töne Schwall mich, wie ein Kahn;
Mir ist's, als läg ich träumend da und flöge
Auf den harmon'schen Schwingungen der Töne
Zurück in eine ferne ferne Zeit,
Wo unter sonn'gen Palmen ich gewandelt
In Unschuld, kindlich froh, und meine Seele
Zu Großem, Reinem, Edlem war berufen.
Verzeih', es ist nur tollen Traumes Zauber,
Ich küsse dich schon wieder, – ich erwache.
ADAM.
Hört auf mit der Musik, dem Tanz'! Es widert
Dies Meer endloser Süßigkeit mich an.
Mein Herz verlangt nach etwas Bitterem:
Wermut in meinen Wein, und einen Stachel
Auf die Korallenlippen, Sturm ums Haupt!
Die Tänzer entfernen sich, von draußen hört man Wehgeschrei.
Welch' Weheruf dringt so durch Mark und Bein?
LUCIFER.
Man kreuzigt eben ein paar Hirnverbrannte,
Die da von Recht und Brüderlichkeit träumten.
CATULUS.
Geschieht den Narren recht, sie hätten fein
Zuhause bleiben, sorgenlos genießen,
Und um sich her die Welt vergessen sollen.
Was mußten sie sich auch um andre kümmern?
LUCIFER.
Zum Bruder wünscht den Reichen sich der Bettler;
Verwechsle sie, und dieser kreuzigt jenen. –[63]
CATULUS.
So laßt uns über Elend, Macht und Pest,
Die unsre Stadt gerade decimiert,
Wie der erzürnten Götter Ratschluß lachen.
Neuer Weheruf.
ADAM für sich.
Mir ist's, als läg ich träumend da und flöge
Auf Schalles-Schwingen in vergangne Zeiten,
Wo meine Seele, ach, noch unverderbt
Zu Großem, Reinem, Edlem war berufen.
Sagtest du nicht so, Julia?
JULIA.
Ja wohl!
Unterdessen ist es finster geworden. An der Halle zieht ein Leichenzug vorüber mit Tibien, Fackeln und Klageweibern. Die ganze Gesellschaft versinkt auf einige Zeit in starres Schweigen.
LUCIFER auflachend.
Euch ist die Lust vergangen, wie ich merke.
Giebt's keinen Wein mehr, oder fehlt's an Witz,
Daß selbst der saure Herr es satt bekommt?
Am Ende ist hier einer unter uns,
Der Angst hat, oder sich bekehren will.
ADAM indem er seinen Becher nach ihm schleudert.
Zum Henker auch! mir das zu bieten!
LUCIFER.
Na,
Ich lade einen neuen Gast zu uns,
Vielleicht kehrt neue Lust mit ihm hier ein.
He! Knechte, bringt den Wanderer herein,
Der da mit Fackelglanz des Weges zieht!
Wir bieten ihm doch einen frischen Trunk? – –
Man bringt den Leichnam in offnem Sarge herein und setzt ihn auf die Tafel. Sein Gefolge bleibt im Hintergrunde. Lucifer trinkt ihm zu.
Trink Bruder! heute dir und morgen mir![64]
HIPPIA.
Vielleicht ist dir ein Küßchen lieber?
LUCIFER.
Küss' ihn,
Und stiehl den Obolus ihm aus dem Munde.
HIPPIA.
Warum nicht, wenn ich deinesgleichen küsse?
Küßt den Leichnam. Apostel Petrus tritt aus dem Gefolge hervor.
APOSTEL PETRUS.
Die Pest, Verwegne, atmest du da ein!
Zurückschaudernd erheben sich alle von ihren Plätzen.
ALLE.
Die Pest?! – wie schrecklich! – fort von hier, fort, fort!
APOSTEL PETRUS.
Du feig' Geschlecht, du elendes Gezücht!
So lang dir Glück und Freude lächelt, gleich
Den Fliegen in der Sonne, unverschämt,
Das Gott und Tugend dreist mit Füßen tritt;
Doch wenn Gefahr an deine Thüre pocht,
Der wucht'ge Finger Gottes dich berührt,
Sich feig verkriecht und jämmerlich verzweifelt.
Fühlst du denn nicht, wie schwer des Himmels Strafe
Schon auf dir lastet? Schau nur, schau dich um,
Die Stadt verödet, rohes fremdes Volk
Zertritt die goldnen Saaten, alle Ordnung
Ist aufgelöst, niemand befiehlt und niemand
Gehorcht. Mit hocherhobnem Haupte schreiten
Durch stille Friedensstätten Raub und Mord,
Entsetzen, bleiche Sorge hinterher.
Und Himmel, Erde, Allewelt versagt
In diesen Nöten Mitleid, Hilfe dir.
Nicht wahr, vermagst mit geilem Sinnesrausch
Nicht einzuschläfern jene ernste Stimme,[65]
Die alle Tiefen deines Innern aufwühlt
Und dich zu bess'rem Ziel vergeblich drängt?
Nicht wahr, du fühlest nicht Befriedigung,
Nur Ekel weckt die Wollust dir im Herzen?
Du schau'st dich ängstlich um, die Lippen stammeln .....
Umsonst, an deine alten Götter mangelt
Der Glaube dir, sie sind zu Stein geworden.
Die Götterstatuen zerfallen in Staub.
Ihr Bild zerfällt in Staub, und nimmer findest
Du eine neue Gottheit, die aufs neue
Dich aus der Schlacke reinigend erhöbe.
Schau dich nur um, was wütet in der Stadt
Verheerender noch als die Pest? Unzähl'ge
Erheben sich von ihrem weichen Pfühl,
Um mit verwilderten Anachoreten
Die Wüsten der Thebais zu bevölkern,
Dort suchend, was noch ihre stumpfen Sinne
Erregen könnte, sie erheben möchte.
Du wirst, o ausgeartetes Geschlecht,
Spurlos vom Schauplatz dieser Welt verschwinden.
HIPPIA.
O wehe mir, welch' fürchterliche Pein!
Eiskalter Schweiß, des Orkus Flammenglut.
Das ist die Pest, die Pest, ich bin verloren!
Will mir denn keiner beistehn von euch allen,
Die ihr so viel Genuß mit mir geteilt?
LUCIFER.
Ja heute dir, und morgen mir, mein Schatz!
HIPPIA.
So tötet mich, soll euch mein Fluch nicht treffen.
APOSTEL PETRUS zu ihr tretend.
O fluche nicht, mein Kind, verzeihn ist edler!
Ich will dich stützen und der große Gott,
Der ew'gen Liebe einzig wahrer Gott.
Erhebe dich zu ihm, durch dieses Wasser[66]
Wird deine Seele von der Sünde Schlacken
Gereinigt und geht ein in seinen Himmel.
Tauft sie aus einem Gefäße, das er von der Tafel nimmt.
HIPPIA.
Mein Vater, o wie fühl ich mich erleichtert!
Stirbt.
CATULUS bricht auf.
Ich reise heute noch in die Thebais.
Es ekelt diese Sündenwelt mich an.
CLUVIA.
Verweile Catulus, ich geh' mit dir.
Gehen hinaus.
ADAM in Gedanken verloren, tritt in den Vordergrund. Eva folgt ihm.
Und du hier Julia? was suchst du da,
Wo Todeshand die Freude ausgerottet?
EVA.
Und ist an deiner Seite nicht mein Platz?
Ach Sergiolus! welcher Reichtum edler
Gefühle war in dieser Brust zu finden,
Wo du vergängliches Gelüst nur suchtest!
ADAM.
Und auch in mir. Wie schade, daß es so ist!
Zu Grunde gehen, elend, eng, erbärmlich,
Und leiden bis dahin. O lebt ein Gott,
Kniet nieder und hebt die Hände zum Himmel.
Sorgt er für uns, beherrscht er unser Dasein,
So mag er neue Völker und Ideen
Erstehen lassen; jene um das träge
Blut aufzufrischen, diese, daß das Edle
Spielraum gewinne hoch emporzustreben.
Ich fühle klar, wie alles abgenützt ist,
Was unser war, und daß zu neuem Schaffen[67]
Die Kraft uns mangelt. Gott, erhöre mich!
Am Himmel erscheint in Glorie das Kreuz. Hinter den Bergen sieht man den Feuerschein brennender Städte. Von den Höhen steigen halbwilde Horden herab. Von weitem ertönt andächtiger Hymnus.
LUCIFER für sich.
Kalt läuft mir's übern Rücken bei dem Anblick.
Doch ist es nicht der Mensch, mit dem ich ringe?
Was mir nicht möglich, thut er selbst für mich.
Hab' solchen Spaß schon oft mit angesehn.
Ist mit der Zeit die Glorie verschwunden,
Bleibt immer aufrecht noch das blut'ge Kreuz.
APOSTEL PETRUS.
Der Herr hat dich erhört. Schau nur um dich,
Die faule Erde rings wird neugeboren.
Die bärenhäutigen Barbarenkrieger,
Die Feuerbränd' in stolze Städte werfen,
Die Saaten friedlicher Jahrhunderte
Ruchlos zerstampfen, und für ihre Rosse
Zur Stallung jüngst verlass'ne Tempel küren,
Sie bringen frisches Blut in die verschrumpften,
Schon ausgedorrten Adern. Und die dort
Im Cirkus fromme Hymnen singen, während
Des Tigers Zahn ihr Eingeweid' zerfleischt,
Sie sind die Träger mächtiger Ideen
Von Nächstenlieb' und gleichen Menschenrechten,
Die bis zum Grund die Welt erschüttern werden.
ADAM.
Mein Sinn steht wohl nach andrem, wie ich fühle
Als zu genießen faul auf weichem Pfühle;
Des warmen Bluts allmähliches Entweichen
Ist eine Wollust, wahrlich ohnegleichen!
APOSTEL PETRUS.
So sei dein Ziel denn: Herrlichkeit für Gott,
Arbeit für dich! des Menschen Geist ist frei,
Kann gelten lassen alles, was in ihm,
Es bindet ihn nur ein Gebot: die Liebe.[68]
ADAM.
Auf, auf! zu streiten für die neue Lehre,
Begeistert eine neue Welt zu schaffen,
Die ihre Blüte in der Rittertugend
Entfalten soll, und deren Poesie
Am Hochaltar dem hehrsten Ideale
Verklärter Weiblichkeit in Andacht huldigt!
Bricht, sich auf Petrus stützend auf.
LUCIFER.
Unmögliches, Adam, begeistert dich!
So schickt für einen ernsten Mann es sich.
Gott ist's gefällig, weil's dem Himmel kürt,
Dem Teufel lieb, weil's zur Verzweiflung führt.[69]
Ausgewählte Ausgaben von
Die Tragödie des Menschen
|
Buchempfehlung
In ihrem ersten Roman ergreift die Autorin das Wort für die jüdische Emanzipation und setzt sich mit dem Thema arrangierter Vernunftehen auseinander. Eine damals weit verbreitete Praxis, der Fanny Lewald selber nur knapp entgehen konnte.
82 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro