|
[114] Vorige. Jean. Lottchen.
JEAN. Spazieren Sie nur derweil da herein, bis mein Herr kommt. Für sich. Er mag schauen, wie er die Rivalinnen los wird; ich will von weitem der Bataille zusehen. Ab.
MALCHEN strickt fort. Wer muß denn die Mamsell sein? Das find ich recht keck von einer fremden Person, zu einem jungen Herrn aufs Zimmer zu kommen.[114]
LOTTCHEN setzt sich. Die tut ja nit anders, als wenn sie zu Haus wär, wer die Person sein muß – ich bin nit die erste, die sie anredet.
MALCHEN. Wissen möcht ich doch, wer's ist. Sie niest.
LOTTCHEN. Zur Gesundheit!
MALCHEN. Ich danke. Wenn sie sich nur in einen Diskurs einließe.
LOTTCHEN. Ach was, ich frag sie geradezu, wer sie ist. Darf man fragen, in welcher Absicht Sie sich hier befinden?
MALCHEN. Die Frag ist von Ihrer Seite etwas keck, ich befinde mich hier in der ernsthaftesten Absicht von der Welt; ich bin die Freundin des jungen Herrn.
LOTTCHEN. Die Freundin? So? Ich bin etwas mehr.
MALCHEN. Das wär, da müßt ich auch etwas wissen. Wann ich einmal seine Frau bin, so wird sich das Gegenteil von selber erklären.
LOTTCHEN. Seine Frau? Lacht heftig. So schauen S' just aus!
MALCHEN. Jetzt verlaßt mich mein ganzer Humor. Wer ist denn die Mamsell, daß es ihr nit recht ist, wenn ich seine Frau werde? Schau!
LOTTCHEN. Wir sind nicht in der Türkei; hierzuland dürfen die Männer nur ein Weib heiraten, und die Fritz heiratet, bin ich, verstanden?
MALCHEN. Jetzt muß ich lachen, hat Sie's schriftlich?
LOTTCHEN. Das versteht sich, da steht's!
MALCHEN. Die Sach fangt an, ernsthaft zu werden; wissen S' was, tauschen wir unsere schriftlichen Versicherungen gegeneinander zum Durchlesen aus: Ihnen hat er's gewiß nit so fest versprochen wie mir, da wollt ich halt doch darauf wetten.
LOTTCHEN. Wann Sie einen Brief von denen lesen, die er mir geschrieben hat, so werden Sie gleich einsehen, daß Sie das Feld räumen müssen, hier ist einer aus'm Dutzend!
MALCHEN. Da ist dafür einer von meinen. Sie werden 's klein geben!
LOTTCHEN liest. »Vielgeliebter, über alles preiswürdiger Engel! Erste Inhaberin meines Herzens und kommandierende Generalin in meiner liebenden Brust! Ritterin aller Orden der Liebe und geheime Rätin meiner verborgenen Seufzer und so weiter, und so weiter.«
MALCHEN liest Wort für Wort nach. Na, die Titulatur hat er[115] aus einem Schematismus abgeschrieben, die ist gleich; das tun alle die Leute so, die ihre Briefe aus einem Briefsteller abschreiben.
LOTTCHEN. Jetzt fangt er in Versen an.
MALCHEN. Bei mir auch, es hat sich immer reimen müssen! Sie liest, Lottchen liest immer nach.
»Unter tausend deinesgleichen –
Konnte keine mich erweichen –
Du allein hast mich berückt.
Du allein kannst mich beglücken,
Mich vergnügen, mich entzücken –
Was gewiß sonst keiner glückt.
Was ich auf der Stiege dir –
Unterm Haustor hab geschworen,
Gehet niemals dir verloren!
Darum, Holde, traue mir!«
LOTTCHEN. Das ist zuviel, er hat Ihnen also auch unterm Haustor ein Eh'versprechen gemacht?
MALCHEN. Jetzt geht mir eine Üblichkeit zu! Setzt sich.
LOTTCHEN. Ich kann Ihnen nicht helfen, denn ich bekomme auch meine Krämpfe. Setzt sich auf die entgegengesetzte Seite.
MALCHEN springt auf. Sie haben's zwar auch schriftlich, aber man macht ja öfters sich einen Spaß mit gewissen Personen.
LOTTCHEN. Mit mir darf man nicht spaßen – ich bin in gewissen Punkten entsetzlich ernsthaft und verstehe absolut keinen Spaß. Und wenn ich die Sache recht betrachte, so scheint mir die Mamsell viel eher als ich die G'foppte zu sein; denn Augen hat dieser Fritz – und wenn er noch so gottlos ist.
MALCHEN. Na ja, in hundert Jahren könnt Sie so stolz tun – da wird eine blattermaserige eine Rarität sein – mit solchen Augen, wie ich habe, wird man nit g'foppt.
LOTTCHEN. So sehen die unwiderstehlichen Eroberinnen just aus, das wird sich zeigen, meine liebe Mamsell, ich hab schon andere Bekanntschaften gemacht, die meinetwegen den Verstand verloren hätten, wann's einen gehabt hätten – der englische Reiter zum Beispiel, der hätte sich vorm Jahr richtig den Hals gebrochen, wenn ich noch öfters zu seine Produktionen gegangen wäre.[116]
MALCHEN. Und mein hübscher Komödiant, der die Liebhaberrollen dutzendweis verarbeitet, hat der nit immer, wenn er mich im Theater gewußt hat, wie ein Löwe gebrüllt und herumgefezt, daß dem Parterre völlig angst und bange geworden ist?
LOTTCHEN. Das wird sich alles zeigen – mit mir hat er's gewiß ernsthaft gemeint.
Buchempfehlung
Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
140 Seiten, 7.80 Euro