Neunzehnter Auftritt

[150] Vorige. Die Satire.


FRITZ. Ah, meine teuerste Frau von Satire! Sie kommen wie ein Engel aus der Holzkammer.

SATIRE. Nicht wahr, zu dem Guten klettert man langsam empor, doch im Galopp sinkt man zum Schlimmen herunter!

FRITZ. Wo bin ich denn eigentlich?

SATIRE. Im Hause der Armut, dort sitzt die Hausfrau.

FRITZ. Das ist eine miserable Hausfrau das, die kann g'wiß ihre Parteien nit steigern.

SATIRE. Spiegle dich an ihr, mit Fetzen bedeckt, nagt sie an fleischlosen Beinen, von Zurückweisungen hartherziger Menschen bekleidet sie sich, ihre Nahrung sind die weggeworfenen Bissen der Reichen, und ihre eigenen Tränen sind ihr Getränk.

FRITZ. Und hat denn niemand mit ihr Mitleid?

SATIRE. Sie verdient keines – es ist nicht jene beklagenswürdige[150] Armut, die von Unglücksfällen oder von der Ungerechtigkeit des Zeitalters herrührt, es ist die Armut der Müßiggänger, die im Nichtstun dahindarben und denen daher gerechterweise die Tore des Mitleids verschlossen sind. Jene dort ist die Schande, die leibliche Schwester der Armut, nicht jene Schande, die aus Gewissensreue über vergangene Irrtümer herkommt, sie ist die Tochter des Neides über fremdes Glück; doch bedarf es nur einen Strahl Glückes, und beide Schwestern übernehmen sich in Hochmut und Übermut, diesen beiden bist du, Unglückseliger, auf ewig überliefert.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 150-151.
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