Zehnte Scene.

[26] Proserpina, Vorige.


PROSERPINA.

Bien,venue, ma chère fille!

EURIDICE.

Ich küss' Ihnen 's Kleid.

PROSERPINA für sich.

Hübsch ist sie nicht, das ist meine einzige Freud.


Laut.


Euridice? nicht wahr?

EURIDICE.

Zu dienen, man nennt mich schlecht weg Ditzel,

PLUTO.

So wie man sagt statt mürben Struzen – Strizel.

EURIDICE.

Euer Gnaden sind gsund, das freut mich zum zerplatzen,

Was macht denn die Familie? die lieben Fratzen?[26]

PROSERPINA in die Scene.

He Nanerl, bring s' d' Kinder her, laß sie das Kochen!

PLUTO.

Aber Schatz, was fällt dir ein, sie sind ja aufm Land seit zwey Wochen.

PROSERPINA.

Richtig? da kann man ein schlechts Gedächtniß recht sehn.

EURIDICE.

Machen Sie sich nichts draus, das ist auf der Welt schon öfter gschehn.

PROSERPINA.

Was bringen S' für Moden mit? was tragt man für Hüt?

Was für Chemiseteln, wie ist der Kleiderschnitt?

Trägt man Schuh, Stiefletten oder Sandalen?

Ich muß Alle haben, was neu ist mein Mann muß bezahlen.

EURIDICE.

Geschieht auch auf der Welt, der Mann muß es kaufen,

Und sollt er am End sich auch müssen ersaufen.

So manchen Todfall, wie wirs auf der Welt wissen,

Haben die Marchandes des modes auf ihrem Gwissen.

PLUTO.

Jetzt kann ich gehn und meine Geschäfte schlichten,

Denn wenn d' Weiber von Moden reden und d' Leut ausrichten,

So kommt kein Mann und kein Gott mehr zum Wort.

Gehts ins Salletl, und plauderts dort fort,

Ich will indeß auf die Parade gehn,

Und die höllischen Truppen manövriren sehn.


Ab.


PROSERPINA.

Spazieren S' voraus.[27]

EURIDICE.

Ich bitt, ich bin ja nur ein Geist,

Was man im Latein einen Spiritus heißt.

PROSERPINA.

Das macht Ihnen Ehr. Es ist sonst ein Defect von großen Geistern,

Daß sie so selten sich selber bemustern.


Beyde ab.


Quelle:
Carl Meisl: Theatralisches Quodlibet, Pesth 1820, S. 26-28.
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»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

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