Zweites Kapitel

[87] Wie sich Lazaro in Cartagena einschiffte.


Ohne Schuld hatte ich also diesen meinen Herrn verloren und wurde von allen, die mich sahen, verlacht und verspottet. Einige sagten zu mir: Es steht nicht schlecht, das Hütchen mit der falschen Tür; es sieht aus wie eine flamländische Weiberhaube! – Andere: Das Röckchen ist recht nach der Mode; es gleicht einem Schweinestall, vorzüglich wenn Eur Gnaden darin stecken. – Ein Troßbube sagte zu mir: Herr Lazaro, bei Gott! in Euern Strümpfen habt Ihr eine recht schöne Wade, und Eure Schuhe sind auf apostolische Art gemacht. – Das ist deshalb, weil der Herr den Mauren predigen will, entgegnete ein Häscherhauptmann.

So erging es mir, und ich war beinahe entschlossen, wieder nach Hause zurückzukehren. Ich tat es aber nicht, weil ich glaubte, daß der Krieg sehr schlecht sein müsse, in dem man nicht mehr gewinnen könne, als ich verloren hatte. Wir schifften uns also ein. Anfangs ging die Fahrt sehr gut, bald aber erhob sich ein fürchterlicher Sturm, der die Wellen bis zu den Wolken schleuderte. Die Matrosen und Piloten hielten uns für verloren. Das Weinen und Schluchzen war so groß, daß ich glaubte, wir wären in einer Passionspredigt. Einige liefen dahin, andere dorthin, wie Kesselflicker. Alle beichteten, wo sie nur konnten, viele bei einer alten Kupplerin, die die Absolution so gut erteilte, als wenn sie schon hundert Jahre dieses Amt versähe.

Im Trüben ist gut fischen! dachte ich, stieg in den Schiffsraum hinab und fand daselbst einen großen Überfluß von Brot, Wein, Zwieback und Eingemachtem, worum sich jetzt niemand bekümmerte. Ich fing an, von allem[88] zu essen und meinen Magen zu füllen, um bis zum Tage des Gerichts Vorrat zu haben, und als ich genug gegessen hatte, machte ich mich an eine Tonne guten Weins und trank davon so viel, als nur mein Magen fassen wollte. Darüber vergaß ich den Sturm und auch mich selbst.

Das Schiff scheiterte, und das Wasser drang von allen Seiten herein. Wie es zu meinem Munde kam, rief ich ihm zu: Zu einer andern Tür; diese öffnet sich nicht! Hätte sie sich aber auch geöffnet, so hätte es doch nicht hineindringen können; denn mein Körper war so voll vom Weine, daß er einem vollen Weinschlauche glich. Beim Krachen des Schiffes kam eine große Menge Fische herbei. Sie fraßen von dem Fleische der jämmerlich Ertrunkenen, gleich als ob sie auf einer Gemeintrift weideten. Auch an meine Person wollten sie sich machen; ich legte aber Hand an mein Schwert, und ohne mit diesem elenden Gesindel viel Worte zu wechseln, schlug ich um mich herum wie der Esel im grünen Rocken. Zischend sagten sie zu mir: Wir wollen dir ja kein Leid zufügen, sondern wir möchten nur wissen, ob du einen guten Geschmack hast! – In weniger als einer halben Viertelstunde hatte ich mehr als fünfhundert Thunfische getötet, die sich von diesem Sünderfleische einen Schmaus bereiten wollten. Die lebendigen Fische ätzten sich nun von den toten und verließen die für sie unvorteilhafte Gesellschaft des Lazaro.

Ich sah mich jetzt Herr des Meers, ohne irgendeinen Widerspruch, begab mich da und dort hin und erblickte daselbst unglaubliche Dinge. Ich sah eine unzählige Menge Menschengerippe und Leichname; auch fand ich eine große Anzahl Kisten voller Edelsteine und Gold, viele Waffen, seidne und linnene Zeuge und Spezereien. Begierig, mich durch diese Schätze zu bereichern, füllte ich eine große[89] Kiste mit Dublonen und den kostbarsten Edelsteinen, dann knüpfte ich mehre Seile aneinander und machte ein so langes daraus, daß es mir bis an die Oberfläche des Wassers zu reichen schien.

So kann ich, sagte ich bei mir selbst, diese Schätze von hier heraufziehen, und es wird dann kein Garkoch in der Welt anzutreffen sein, der sich gütlicher tut als ich. Ich werde Häuser bauen, Renten stiften und Gärten kaufen; mein Weib wird Donna und ich Eur Herrlichkeit tituliert werden, und meine Tochter werde ich mit dem reichsten Pastetenbäcker meiner Vaterstadt verheiraten. Alle werden kommen, mir Glück zu wünschen, und ich werde ihnen dann erzählen, wie es mir viel Arbeit gekostet hat, es herauszuziehen, nicht aus den Eingeweiden der Erde, sondern aus dem Innersten des Meeres, und nicht naß vom Schweiße, sondern eingeweicht wie ein Stockfisch.

In meinem ganzen Leben bin ich nicht so vergnügt gewesen als damals, und es fiel mir gar nicht ein, daß ich, wenn ich nur den Mund öffnete, hier in alle Ewigkeit mit meinem Schatze begraben bleiben würde.

Quelle:
Mendoza, D. Diego Hurtado de: Leben des Lazarillo von Tormes. Berlin 1923, S. 87-90.
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