Vorwort

[205] Wie gütig ist das Schicksal doch zuweilen! So erlaubte es mir, der Hochbetagten, mit Euch noch den Tag zu feiern, der Euch das Siegel auf fünfundzwanzig Jahre eines edlen Glücks drückte und mir die trostreiche Hoffnung gab, daß auch ferner gute Sterne über Euch leuchten werden, wenn meine Augen sich schon für alles Irdische geschlossen haben.

Warum ich Euch an dem Tag diese Blätter zur Erinnerung weihte, das war, weil sie Erlebtes und Gedachtes aus den Jahren enthalten, in denen ich nur teilweise mit Euch vereint war und wo das hier Erzählte Euch fremd blieb.

Warum ich nun noch einmal in die Öffentlichkeit damit trete, das ist, weil ich so über alles Erwarten liebevolle Teilnahme in der unbekannten Menge fand und daher voraussetzen darf, daß alle diese guten Freunde gern noch einmal einen Gruß von mir empfangen.

Möge es denn so sein! Von Euch bin ich dessen getrost, aber möge mir auch wieder ein zustimmendes Echo von nah und fern die Gewißheit geben, daß es eine weitverzweigte Gemeinde gibt von solchen, die sich nie gekannt, nie gesehen, und die doch fest verbunden sind durch das gleiche Streben nach dem Guten, nach dem Ideal, nach der äußeren und inneren Vollendung des Lebens.

Sie allein werden zuletzt recht behalten![205]

Quelle:
Malwida von Meysenbug: Gesammelte Werke. 5 Bände, Band 2, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1922, S. 205-206.
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