Allen edeln Seelen widm' ich dieses Buch, die beym Lesen etwas mehr, als blos Befriedigung der Neugierde, und Beschäftigung der Einbildungskraft suchen. Fast jeder Schriftsteller, und der Dichter besonders – dessen Beruf ich für einen der erhabensten halte – sollte hauptsächlich auf das Herz seiner Leser Rücksicht nehmen. Dadurch bahnt er sich am leichtesten den Weg zum Unterricht und zur Belehrung. Wer Empfindungen erhöht und bessert, der erreicht gewiß einen eben so erhabnen Zweck, als der, welcher blos für den Verstand sorgt. Der letztere Schriftsteller kann auch nicht so ausgebreitet wirken. Er hat immer nur eine kleinere Anzahl von Lesern, weil er Menschen voraussetzt, die schon in den Wissenschaften geübt sind.
Jeder Roman – ein Wort, das, leider! vielleicht durch schlechte Muster verächtlich worden ist – sollte, meinem Ideal nach, zugleich[3] unterrichten. Der Romanschreiber hat sich Leser von verschiednen Ständen, von verschiednem Geschlecht, von verschiedner Denkungsart u.s.w. zu versprechen, daher sollte er, soviel als möglich, Allen alles werden. Daher muß sein Unterricht mannigfaltig, und an keine gewisse Form gebunden seyn.
Jeder Schriftsteller wünscht nach dem Zweck seiner Arbeit beurtheilt zu werden. Ich habe dieses, wegen gewisser Stellen meines Buches, besonders zu wünschen, bey denen man, wenn man billig urtheilen will, am ersten das bedenken muß: für welche Menschen, und für welche Gegenden von Deutschland ich zunächst geschrieben habe. Dann werden viele Einwürfe wegen schon bekannter, oft gesagter Sachen, oder wegen anscheinender Weitschweifigkeiten wegfallen.
Ausgewählte Ausgaben von
Siegwart. Eine Klostergeschichte
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