[91] ARIOPHILUS zu einem Barbirs-Gesellen. Mein Herr / die Noht dringt mich / ehrliche Leute um Hülfe anzusprechen. Bitte derowegen gantz[91] demütig / mir etwas um Gottes willen mit zutheilen / und mich / wenn es seyn kan / mit einem paar Hosen / die er abgeleget / oder mit einem Wamse / oder mit einem paar Schu und Strümpfen / oder mit einem Caputgen zu versehen.
BARBIRSGESELL. Wer seyd ihr / unverschämter Flegel / daß ihr mich auff offener Gassen so unverschämet anlauffet? Mit Gelde / das ich nicht bey mir habe / kan ich euch nicht helffen. So wolte mir auch nicht anstehen / so ich meine Schuhe / Strümpfe / Hosen oder Wammes außziehen / und euch mittheilen solte. Aber ein gut Caput kan ich euch wohl zustellen / wenn euch ein Dienst darangeschicht. Denn schämt ihr euch nicht / daß ihr / ein so schöner / frischer / gesunder / und starker Mensch / betteln gehet? könnet ihr nicht den Rükken und die Feuste dran strekken / und euer Bißlein Brod erwerben? Vnd hiermit habt ihr ein Caput. Wollet ihrs besser haben / so sagts / als denn sollt ihrs besser und grösser bekommen.
ARIOPHILUS. Mein Herr / ich begehre weder dieses / noch ein grössers Caput. Nur ein alt abgenützt Caputgen hatte ich begehret und gebeten. Mein Herr hat mich nicht recht verstanden.
BARBIRGESELL. Was wolt ihr Bauerflegel mit einem Caputgen machẽ? Eine rohte Juppe oder Wöllin Hemde stünde euch besser an / als ein Caputgen.[92]
ARIOPHILUS. Mein Herr / er vergebe mir. Ich bin kein Bauerflegel. Mein Herr Vater ist ein vornehmer Handelsmann zu Trient / und ich bin / mit thörichter Hofnung / ein General zu werden / in den Krieg gerahten. Nach dem ich es aber im Kriege viel anders befunde / als ich mir eingebildet hatte / bin ich / damit ich meinem Herren nichts verhalte / neben viel andern neugeworbenen Völkern heimlich durchgegangen. Damit ich aber nicht vor einen Soldaten angesehen / und also nach den angeschlagenen Patenten entweder in Hafft genommen / oder gar erschlagen würde / hab ich meine Kleider einem Bauren vertauschet. Ach daß ich bey meinem Herren Vater wäre! Da würde ich des bettelns nicht bedürfen.
BARBIRGESELL. Seyd ihr aber sonst noch frisch und gesund / oder schleppet ihr euch mit einer Soldaten-Kranckheit?
ARIOPHILUS. Mir mangelt nichts / als ein ehrlich Kleid an Leib / Geld in den Beutel / und ein gut Stük Brod in den Magen. Das ist die dreyfache Krankheit / daran ich laborire. Wär ich dieser lohß / so hätt ich nichts zu klagen.
BARBIRGESELL. So schmekket euch gleichwohl essen und trinken noch wohl?
ARIOPHILUS. Extraordinari-wohl. Sehet mein Herr / wie[93] mir das Maul voll Wasser leufft / in dem ihr nur dran gedenket.
BARBIRGESELL. Könnt ihr aber auch wohl schlaffen?
ARIOPHILUS. Ich schliesse wohl 24. Stunden / wenn der Magen und die schändigen Leuse mich schlaffen liessen.
BARBIRGESELL. Mein Freund / gehet doch vor meines Printzen logament zum Spaden in der Künstler-Gassen / und wartet daseibst / biß ich nach Hause komme. Ich wil euch schaffen / was ihr begehret.
ARIOPHILUS. Mein Herr habe Dank vor sein gutes Erbieten. Ich werde seiner an benahmten Orte erwartẽ.
Der Gesell gehet an einem und Ariophilus am andern Orte ab.
Moriones agiren.
PHILOSOPHUS QVARTUS. Serò sapiunt Phryges. Mit Schaden wird man klug / und wenn die Kuh gestolen ist / will man erst den Stall besser verwahren. Eben so ist es mit dem unglükseligen Ariophilo hergegangen. Als er bey den Eltern / und unter derer Praeceptorum disciplin war / scheinete unmüglich / einiges Fünklein rechter Klugheit in sein Hertz zu bringen / sintemahl er / wie ein brutum animans, oder thummer Ochse / nach der Schlachtbank zu eylete. Als er aber im Elende / biß über die Ohren / stekkte / und[94] Schmach / Armut und Vngeziefer hefftig auff ihn zu stürmete / so begunte er die Augen auff zu thun / und klug zu werden. Aber / ach leyder! gar zu spate / da er nehmlich sich vor Marte zitternd entsetzte / und von dem Gewissen genaget wurde. Vnd er wohl / nach dem er aus der Famae Geschrey vernommen / wie die Schiff-armee oder Kriegs-flotte zu Grunde gegangen / ihm selber gratulirte / nicht erwegende / daß er seinen Eyd so schändlich gebrochen / und also meinete / er wäre aller Gefahr entgangen; so war ihm doch unmüglich / dem erbärmlichen Tod zu entwischen. In des Vaters Augen war er auch schon todt / dahero der arme Mann / nach Päbstischer Weise seine Zuversicht auf die Seelmessen geworffen. Vnd mochte doch dem Sohne wenig dadurch geholffen werden; sondern der treue Ekhard muste den lieben Vater erst erinnern / wie vergeblich die treuen Warnungen der Praeceptorū gewesen / und wie der gerechte GOtt Eltern und Kinder offtmals darum straffe / daß die Kinder ihre treue Praeceptores, von denen sie gebührend discipliniret worden / verleumden / und die Eltern solchen Verleumdungen / ohne gründliche Erkundigung / Glauben geben.