[96] BARBIRGESELL. Mein Herr / ich habe heute / als ich zu barbiren außgegangen war / einen jungen / starken und gesunden Soldaten / wohl proportioniret vom Leibe / und schön von gestalt / antroffen / der mich um ein Allmosen anflehete. Vnd denselben hab ich hieher[96] ins logament bestellet / zweifle auch nicht / er werde sich entweder schon eingefunden haben / oder doch alsobald erscheinen. Nun erinnere ich mich des Herren seiner grossen Begierde / die er schon / wie er mich berichtet / viel Jahre bey sich empfunden / einen frischen und gesunden Menschen lebendig aufzuschneiten / und in demselben die natürliche Bewegung des Hertzens zu sehen. Weil denn dieser Mensch weit von hinnen zu Hause / alhier auch gantz unbekandt und hülfloß ist; bedünket mich / man konne ihn einen Tag oder etliche im Hause verborgen halten / mit gutem Essen und Trinken wohl versehen / und / wenn er sichs am wenigsten befahrete / ihn in einen Keller schleppen / mit Händen und Füssen anbinden / und seines Geschreyes / das niemand hören mag / ungeachtet / hernach lebendig aufschneiten / auch solcher gestalt zu dem löblichen Zwecke gelangen.
CHIRURGUS. Es fehlet nicht viel: Ich lasse mir deinen Vorschlag gefallen.
CONSCIENTIA. Mein Freund / laß dich zu einer so unmenschlichen That ja nicht verleiten. Du weißt ie / wie hoch und ernstlich der gerechte GOtt in seinem allerheiligsten Worte iemand zu tödten verboten habe. Willst du nun wissentlich und vorsetzlich wieder dies klare Gebot sündigen / so must du der Straffe gewärtig seyn / die GOtt auff den Todschlag gesetzet / in dem er spricht: Wer Menschenblut vergeust / des[97] Blut soll wieder vergossen werden. Weißt du nicht / wie es dem Cain bekommen / daß er seinen Bruder Abel ermordet? Ruffte nicht des Erwürgten Blut von der Erden nach Rache gen Himmel? Weil nun alle Menschen Brüder seyn / so viel sonderlich an Christum gleuben / so wäre es in alle wege unverantwortlich / einen armen unschuldigen Christen Menschen so gräusamlich zu qvälen und hin zu richten. Ich will nicht sagen / wie viel Seclen / die noch aus einem jungen Menschen hätten erzielet werden köñen durch eine so unbarmhertzige / Tyrannische That zu rükke gesetzet werden. Darum enthalte dich dergleichen beginnens / und siehe wohl zu / daß du deine Hände / so bisher vielen ehrlichen Leuten rühmlich gedienet / mit unschuldigem Blute nicht besudelst. Im Fall du aber mich nicht hören / noch meinem Rahte folgen wirst / so sollst du hiermit wissen / daß ich nach der That / wie ein rasender Hund / dich anfallen / dein Hertz augenbliklich nagen / fressen / und doch nicht verzehren werde. Ja keine Ottern und Schlangen werden dich also ängstigen können / ob sie gleich in grosser Menge dein Hertz anstächen / als ich dich ängstigen will und kan.
AMBITIO. Signór. Mich wundert / wie er dieser Wäscherin so lange und so geduldig hat zuhören können Ich Ambitio von den Lateinern genant / hätte mich eine so geraume Zeit nicht enthalten können / wenn sie mir so viel Plauderment in die Ohren geschüttet / sondern hätte ihr etliche wohlabgewürtzte Ohrfeigen[98] voraus gegeben / und sie hernach die Treppe hinab geworffen / auch wohl gar mit Füssen getreten. Weil sie aber mit GOttes Wort aufgezogen kam / wolan / so will ich mich desselben auch bedienen / ob ichs wohl sonst nicht groß achte. Gebeut nun Gottes Wort nicht ausdrüklich / daß ein gesunder Mensch einem kranken die hülfliche Hand bieten soll?
CHIRURGUS. Wer wolte hieran im geringsten zweifeln?
AMBITIO. Wenn nun der Mensch am Hertzen krank ist / und Noht leidet / wie kan ihm ein Medicus helfen / wenn er nicht versichert ist / was es mit der Natürlichen Bewegung des Hertzens vor einen Zustand habe?
CHIRURGUS. Das ist alles wahr und klar.
AMBITIO. Wie will man aber solcher natürlichen Bewegung mit Grunde kundig werden / wenn man keine ἀυτοψίαν oder augenscheinliche Erfahrung hat?
CHIRURGUS. Da müssen wir derer berühmten Physicorum uñ Medicorum. Büchern trauen.
AMBITIO. Wer versichert mich aber / ob es solche Auctores recht getroffen?
CHIRURGUS. Dessen kan mich kein Mensch versichern. Vnd wie viel opiniones Avicennae, Hippocratis, Galenī,[99] und anderer hochberühmter Medicorum werden heutiges Tages deswegen repudiiret / und offentlich ausgerauschet / daß sie der experientz entgegen lauffen?
AMBITIO. So siehet nun mein Herr / daß er seinem Nechsten nach Gottes Befehl nicht helffen könne / er habe deñ per experientiam dem motum cordis gründlich erlernet. Aber es sind noch wichtigere Vrsachen / die ihn zu einer so generosen That bewegen können. Denn es ist unstrittig / daß neue Erfindungen nicht allein neue / sondern auch gar sonderbahre und unsterbliche Ehre nach sich ziehen. Wird nun mein Herr dieses wichtige Werk hinaus führen / und was neues de motu cordis aufs die Bahn oder ans Licht bringen / so wird sein Gedächtnis ehe nicht / als mit der allgemeinen Welt- ruin ersterben oder verlöschen. Vnd wie viel tausend Menschen an hinfüro an den Hertzbeschwerungen glüklicher und geschwinder geholffen werden / wann dieser motus recht ergründet und erörtert ist?
CONSCIENTIA. Was ist aber die Vrsach / daß kein Medicus oder Chirurgus von anbegin der Welt her eine sothane experientz versuchet hat?
AMBITIO. Eben du bist die Vrsach / weil du ihnen so bange / und die hochpreißliche That so grausam und unverantwortlich ausgeschriehen hast. Mein Herr höre der Conscientz oder Gewissen nicht länger zu / wo[100] er sich nicht auch des vortreflichen Ruhms / den ihm das Glük vorbehalten / und er leicht erlangen könte / berauben will.
CHIRURGUS. Ey so sey es denn. Gesell geh / hole den armen Soldaten mit guten Worten her.
AMBITIO. Diese resolution muß ich loben dadurch des Herrn Lob gleiche Grentzen mit dem Erdboden erlangen wird.
CONSCIENTIA. Diese resolution detestire / exsecrire / verfluche und vermaledeye ich. Vnd siehe! du Barbirer sollst erfahren / und fühlen / was ich dir kurtz zuvor gedroet habe. Als denn wirst du zwar solche That beseufzen / aber es wird dich nicht helffen. Denn du wirst dein Leben wieder hergeben müssen.
Gehet zornig ab.