Fünfter Auftritt.

[14] Harpagon. Elise und Cleanthe im Gespräch miteinander im Hintergrunde der Bühne.


HARPAGON für sich. Und doch weiß ich nicht, ob es klug war, daß ich die dreißigtausend Livres, die man mir gestern brachte, im Garten vergraben habe. Dreißigtausend Livres in blankem Golde sind wahrhaftig ein hübsches Kapital ... Er bemerkt Elise und Cleanthe; beiseite. O Himmel! – da werde ich mich selbst verraten haben! – Der Eifer hat mich hingerissen, und ich glaube, ich habe laut vor ihnen gesprochen! Zu Elise und Cleanthe. Was gibt's?

CLEANTHE. Nichts, Vater!

HARPAGON. Seid ihr schon lange da?

ELISE. Wir kommen erst eben.

HARPAGON. Ihr habt gewiß gehört ...

CLEANTHE. Was denn, Vater?

HARPAGON. Jetzt eben!

ELISE. Was?

HARPAGON. Was ich zu mir selbst sprach.

CLEANTHE. Nein!

HARPAGON. Doch! doch!

ELISE. Gewiß nicht, Vater.[14]

HARPAGON. Ich sehe es euch an, ihr müßt etwas gehört haben. Ich überlegte mir, wie schwer es heutzutage ist, Geld aufzutreiben, und sagte, das wäre ein glücklicher Mann, der dreißigtausend Livres im Hause liegen hätte.

CLEANTHE. Wir fürchteten, Euch zu stören, und wollten Euch nicht zuerst anreden.

HARPAGON. Ich wiederhole euch das mit Fleiß, damit ihr die Sache nicht falsch versteht und euch etwa einbildet, ich hätte selbst die dreißigtausend Livres.

CLEANTHE. Wir kümmern uns nicht um Eure Angelegenheiten.

HARPAGON. Wollte Gott, ich hätte sie, die dreißigtausend Livres!

CLEANTHE. Ich glaube nicht ...

HARPAGON. Die wären mir recht gelegen!

ELISE. Das sind Dinge ...

HARPAGON. Ich könnte sie recht gut brauchen!

CLEANTHE. Ich denke ...

HARPAGON. Da wäre ich aus aller Verlegenheit!

ELISE. Ihr seid ...

HARPAGON. Und hätte nicht nötig, über die schlechten Zeiten zu klagen!

CLEANTHE. Mein Gott, Vater, Ihr habt auch keine Ursache zu klagen; man weiß ja, daß Ihr vermögend genug seid.

HARPAGON. Was, ich wäre vermögend genug? Daran ist kein wahres Wort, und wer so etwas unter die Leute bringt, ist ein Schelm.

ELISE. Ereifert Euch doch darüber nicht!

HARPAGON. Es ist unerhört! Meine eigenen Kinder verraten mich und werden meine Feinde!

CLEANTHE. Muß man denn Euer Feind sein, wenn man Euch wohlhabend nennt?

HARPAGON. Ja freilich! – Solche Rede und deine unsinnigen Ausgaben werden noch zur Folge haben, daß man allernächstens bei mir einbrechen und mir den Hals abschneiden wird, weil man denkt, ich schwimme in Gold.

CLEANTHE. Was für große Ausgaben mache ich denn?

HARPAGON. Was für Ausgaben? Ist es denn nicht eine wahre Schande, sich in einem so kostbaren Anzuge in der[15] Stadt herumzutreiben? Ich zankte gestern mit deiner Schwester; aber du bist noch zehnmal schlimmer. Das schreit ja zum Himmel; und wie du da gehst und stehst, ließe sich ein ganz hübscher Rentenvertrag aus dem unnützen Plunder formulieren. Ich habe dir's zwanzigmal gesagt, Herr Sohn, alle deine Manieren mißfallen mir im höchsten Grade. Es ist ja ganz erschrecklich, wie du den Marquis spielst! – Um dir solche Kleider anschaffen zu können, mußt du mich bestehlen.

CLEANTHE. Wie? Ich Euch bestehlen?

HARPAGON. Was weiß ich! Woher nimmst du sonst das Geld für all den Flitterstaat?

CLEANTHE. Ich, Vater? – Ich spiele; und da ich Glück im Spiel habe, verwende ich den Gewinn auf meinen Anzug.

HARPAGON. Daran tust du sehr unrecht. Wenn du Glück im Spiel hast, solltest du's benutzen und das gewonnene Geld auf gute Interessen anlegen; dann hättest du etwas, wenn du's brauchst. Ich möchte doch wissen, abgesehen von allem andern, wozu die Unmasse von Bändern nützt, mit denen du vom Kopf bis zu den Füßen gespickt bist, und ob ein halb Dutzend Nesteln nicht genug wäre, um deine Pluderhosen an das Wams zu heften. Es ist wahrhaftig wohl nötig, Geld für Perücken auszugeben, wenn man sein eigenes Haar tragen kann, das nichts kostet! Ich will wetten, in deiner Perücke und deinen Bändern stecken allerwenigstens zwanzig Pistolen, und zwanzig Pistolen bringen im Jahr achtzehn Livres acht Sous und acht Deniers, wenn man sie auch nur zum zwölften Pfennig ausleiht.

CLEANTHE. Das ist richtig.

HARPAGON. Aber jetzt von etwas anderm. Er bemerkt, daß Cleanthe und Elise sich Zeichen geben. He! Beiseite. Ich glaube, sie machen sich einander Zeichen, um mir meine Börse zu stehlen. Laut. Was bedeuten alle die Winke?

ELISE. Wir verhandeln eben, mein Bruder und ich, wer zuerst mit Euch sprechen soll, denn wir haben Euch beide etwas zu sagen.

HARPAGON. Und ich habe euch beiden gleichfalls etwas zu sagen.[16]

CLEANTHE. Wir wünschten, Vater, mit Euch vom Heiraten zu sprechen.

HARPAGON. Und über eine Heirat wollt' ich grade eben auch mit Euch reden.

ELISE. Ach, Vater!

HARPAGON. Was erschrickst du denn so? Ist's das Wort oder die Sache, die dir bange macht?

CLEANTHE. Nach der Art, wie Ihr wahrscheinlich die Sache auffaßt, kann eine Heirat uns beide wohl erschrecken, und wir sind in der Besorgnis, daß unsre Gefühle nicht mit Eurer Wahl übereinstimmen werden.

HARPAGON. Nur ein wenig Geduld, und macht euch keine Unruhe. Ich weiß, was sich für euch beide schickt, und ihr sollt weder der eine noch die andere die mindeste Ursache haben, euch über meine Pläne zu beklagen. Um also die Sache vom einen Ende anzufangen, Zu Cleanthe. sage mir doch, hast du eine junge Person gesehen, die Mariane heißt und nicht weit von hier wohnt?

CLEANTHE. Ja, Vater.

HARPAGON. Und du?

ELISE. Ich habe von ihr gehört.

HARPAGON. Nun, mein Sohn, wie gefällt dir das Mädchen?

CLEANTHE. Ich finde sie außerordentlich hübsch.

HARPAGON. Ihre Physiognomie?

CLEANTHE. Ganz Güte und Verstand.

HARPAGON. Ihre Haltung und ihr Benehmen?

CLEANTHE. Durchaus liebenswürdig, ohne Frage.

HARPAGON. Scheint dir nicht, ein solches Mädchen verdiene schon, daß man an sie denke?

CLEANTHE. Ja freilich, lieber Vater.

HARPAGON. Daß es eine wünschenswerte Partie sein würde?

CLEANTHE. Im höchsten Grade wünschenswert.

HARPAGON. Daß sie ganz danach aussieht, als würde sie eine gute Hausfrau abgeben?

CLEANTHE. Ohne allen Zweifel.

HARPAGON. Und daß ein Mann schon mit ihr zufrieden sein könnte?

CLEANTHE. Ganz gewiß![17]

HARPAGON. Es ist allerdings eine kleine Schwierigkeit dabei: ich fürchte, sie wird nicht so viel Vermögen haben, als man wohl verlangen könnte.

CLEANTHE. Ach, Vater, auf das Vermögen muß man nicht sehen, wenn sich's darum handelt, ein so vortreffliches Mädchen zu heiraten.

HARPAGON. Erlaube, mein Sohn, erlaube! Indes, wenn sich denn auch nicht so viel Kapital vorfindet, als zu wünschen wäre, so läßt sich das immer auf andere Weise wieder einbringen.

CLEANTHE. Das versteht sich!

HARPAGON. Nun, es ist mir recht lieb zu sehen, daß du einer Meinung mit mir bist, denn ihr sittsames Wesen und ihre Sanftmut haben mich für sie eingenommen, und ich habe beschlossen, sie zur Frau zu nehmen, wenn sie nur irgend etwas Geld hat.

CLEANTHE. Was?

HARPAGON. Nun?

CLEANTHE. Ihr seid entschlossen, sagt Ihr ...

HARPAGON. Mariane zu heiraten.

CLEANTHE. Wer? Ihr? – Ihr?

HARPAGON. Ja doch! Ich! Ich! – Was soll das heißen?

CLEANTHE. Mir ist nicht ganz wohl; ich will an die Luft gehn.

HARPAGON. Das wird weiter nichts sein. Laß dir gleich in der Küche ein Glas kaltes Wasser geben!


Quelle:
Molière: Der Geizige. Leipzig [o. J.], S. 14-18.
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