Achter Auftritt.

[21] Elise. Valere.


ELISE. Seid Ihr von Sinnen, Valere, daß Ihr so zu ihm sprecht?

VALERE. Das muß ich, um ihn nicht zu erbittern, und um desto eher zu meinem Ziele zu gelangen. Ihm geradezu widersprechen, wäre das Mittel, alles zu verderben; es gibt Charaktere, denen man nur durch Nachgiebigkeit beikommen kann – Temperamente, die keinen Widerspruch ertragen; störrische Naturen, die sich gegen die Wahrheit aufbäumen, vom geraden Wege der Vernunft nichts wissen wollen und sich nur durch Wendungen dahin führen lassen, wohin man sie haben will. Stellt Euch nur, als fügtet Ihr Euch in seinen Willen, so werdet Ihr Euren Zweck viel leichter erreichen.

ELISE. Aber diese Heirat, Valere!

VALERE. Wir müssen Ausflüchte suchen, sie zu hintertreiben.

ELISE. Was läßt sich denn aber ersinnen, wenn der Kontrakt heut abend unterschrieben werden soll?

VALERE. Ihr verlangt einen Aufschub, gebt vor, Ihr seid krank.

ELISE. Wenn aber ein Arzt geholt wird, kommt die Wahrheit an den Tag!

VALERE. Glaubt Ihr das im Ernst? Was verstehen denn die Ärzte davon! – Geht, geht; wegen deren könnt Ihr von Krankheiten nennen, was Euch einfällt; sie werden Euch gewiß Gründe finden, um Euch zu deduzieren, woher das Übel entstanden sei.


Quelle:
Molière: Der Geizige. Leipzig [o. J.], S. 21-22.
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