[67] Harpagon. Der Kommissar. Jacques.
JACQUES im Hintergrunde; er spricht nach der Seite, von wo er gekommen ist. Ich komme gleich wieder. Stecht ihn derweile ab und röstet mir die Füße; hernach steckt ihn in siedendes Wasser und hängt ihn am Deckenbalken auf.
HARPAGON zu Jacques. Wen? Meinen Dieb?
JACQUES. Was Dieb! – Ich spreche von meinem Frischling, den mir Euer Haushofmeister eben zugeschickt hat und den ich Euch auf meine Manier zubereiten will.
HARPAGON. Ach, davon ist keine Rede; der Herr hier wird dich nach ganz andern Dingen fragen.
DER KOMMISSAR. Seid ganz ruhig, mein Freund; es soll[67] Euch nichts zuleide geschehen und wir wollen alles in der Güte abmachen.
JACQUES. Der Herr ist wohl für den Abend eingeladen?
DER KOMMISSAR. Seht Ihr, guter Mann, Ihr müßt Eurem Herrn nichts geheimhalten.
JACQUES. Meiner Seel, ich werde zeigen, was ich vermag; verlaßt Euch darauf, Ihr sollt mit meiner Kunst zufrieden sein.
HARPAGON. Ach, wer denkt denn daran!
JACQUES. Wenn ich Euch nicht so viel Gutes vorsetzen kann, als ich wünsche, so ist das die Schuld unseres Herrn Haushofmeisters, der mir mit der Schere seiner Sparsamkeit die Flügel gestutzt hat!
HARPAGON. Halunke! Hier handelt sich's um ganz andere Dinge als um unser Abendessen. Du sollst mir sagen, wo mein Geld geblieben ist, das man mir gestohlen hat!
JACQUES. Euer Geld ist Euch gestohlen?
HARPAGON. Ja, Spitzbube; und ich will dich hängen lassen, wenn du mir's nicht wiedergibst.
DER KOMMISSAR. Mein Gott, fahrt ihn doch nicht so an. Ich sehe es ihm an den Augen an, daß er ein ehrlicher Mann ist, und daß er Euch alles entdecken wird, was Ihr wissen wollt, ohne daß Ihr ihn ins Gefängnis bringen laßt. Ja, mein Freund, wenn Ihr uns die Sache gesteht, soll Euch kein Haar gekrümmt werden, und Ihr erhaltet noch obendrein eine Belohnung von Eurem Herrn: Es ist ihm heute seine Schatulle gestohlen worden, und ich bin gewiß, Ihr könnt uns auf die Spur helfen.
JACQUES beiseite. Das wäre ja die schönste Gelegenheit, um mich an unserm Haushofmeister zu rächen. Seit er ins Haus kam, ist er Hahn im Korbe; unsereins wird gar nicht mehr angehört; und überdem habe ich noch die letzten Stockschläge auf dem Herzen.
HARPAGON. Was brummst du da in deinen Bart?
DER KOMMISSAR. Laßt ihn doch! Er macht schon Anstalt, Euch etwas zu sagen; ich wußte gleich, daß er ein ehrlicher Mensch ist.
JACQUES. Gnädiger Herr, wenn ich's Euch denn bekennen soll, so glaube ich, daß es Euer lieber Herr Haushofmeister gewesen ist, der das Stückchen aufgeführt hat.[68]
HARPAGON. Valere?
JACQUES. Ja.
HARPAGON. Er, den ich für so treu halte?
JACQUES. Er selbst. Ich glaube ganz gewiß, er ist's gewesen.
HARPAGON. Und weshalb glaubst du das?
JACQUES. Weshalb?
HARPAGON. Ja.
JACQUES. Ich glaube es – weil ich's glaube.
DER KOMMISSAR. Ihr müßt uns aber sagen, was für Indizien Ihr dafür habt.
HARPAGON. Hast du ihn um die Stelle herumschleichen sehen, wo ich mein Geld versteckt hatte?
JACQUES. Ja freilich. Wo hattet Ihr denn Euer Geld?
HARPAGON. Im Garten.
JACQUES. Richtig. Im Garten habe ich ihn herumschleichen sehen. Und worin lag Euer Geld?
HARPAGON. In einer Schatulle.
JACQUES. Da haben wir's! Mit einer Schatulle habe ich ihn gesehen.
HARPAGON. Und die Schatulle, wie sah sie aus? Ich werde gleich hören, ob es die meinige war.
JACQUES. Wie sie aussah?
HARPAGON. Ja.
JACQUES. Sie sah aus – nun, sie sah aus wie eine Schatulle.
DER KOMMISSAR. Das versteht sich. Aber beschreibt sie doch ein wenig, damit wir uns überzeugen können.
JACQUES. Es war eine ziemlich große Schatulle.
HARPAGON. Die man mir gestohlen hat, ist klein.
JACQUES. Ei nun ja, sie ist klein, wenn man's so nehmen will. Ich nenne sie nur groß, weil soviel darin ist.
DER KOMMISSAR. Was für eine Farbe hat sie?
JACQUES. Was für eine Farbe?
DER KOMMISSAR. Ja doch!
JACQUES. Sie hat eine Farbe – so eine gewisse Farbe ... könnt Ihr mich nicht darauf bringen?
HARPAGON. Eh!
JACQUES. Ist sie nicht rot?
HARPAGON. Nein, grau.[69]
JACQUES. Ach ja! Rotgrau; das wollte ich auch sagen.
HARPAGON. Es ist kein Zweifel, sie muß es sein. Schreibt, Herr Kommissar, schreibt seine Aussagen nieder. Himmel, wem soll man nun noch trauen? – Man kann auf nichts mehr schwören, und nach dieser Geschichte glaube ich, ich wäre imstande, mich selbst zu bestehlen.
JACQUES. Gnädiger Herr, da kommt er eben wieder. Aber sagt ihm ja nicht, daß ich's Euch verraten habe.
Ausgewählte Ausgaben von
Der Geizige
|
Buchempfehlung
Diese Ausgabe gibt das lyrische Werk der Autorin wieder, die 1868 auf Vermittlung ihres guten Freundes Ferdinand v. Saar ihren ersten Gedichtband »Lieder einer Verlorenen« bei Hoffmann & Campe unterbringen konnte. Über den letzten der vier Bände, »Aus der Tiefe« schrieb Theodor Storm: »Es ist ein sehr ernstes, auch oft bittres Buch; aber es ist kein faselicher Weltschmerz, man fühlt, es steht ein Lebendiges dahinter.«
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro