Einundzwanzigster Auftritt.

[72] Argan. Angelique. Cleanthe. Toinette.


CLEANTHE. Was ist Euch, meine teure Angelique? Worüber weint Ihr?

ANGELIQUE. Ach! Ich beweine, was ich im Leben Liebstes und Unersetzlichstes verlieren konnte; ich beweine den Tod meines Vaters.

CLEANTHE. O Himmel, welch ein Zufall! Welches unerwartete Schicksal! – Ach! Nachdem Euer Oheim auf meine flehentlichen Bitten meine Werbung bei ihm übernommen, wollte ich jetzt eben mich ihm vorstellen und es versuchen, durch meine ehrerbietigen Bitten ihn zu bewegen, daß er mir Eure Hand gewähre.

ANGELIQUE. Ach, Cleanthe, lassen wir das ruhen; ich gebe jetzt alle Heiratsgedanken auf. Nachdem ich meinen Vater verloren, will ich von der Welt nichts mehr wissen und entsage ihr für immer. Ja, mein Vater, wenn ich vorhin deinem Willen entgegen war, will ich jetzt wenigstens[72] einen deiner Wünsche erfüllen, und so den Verdruß wieder gutmachen, den ich mir vorwerfe, dir verursacht zu haben. Sie wirft sich ihm zu Füßen. Laß mich, mein Vater, dir hier mein Wort geben und in dieser Umarmung meine Dankbarkeit aussprechen!

ARGAN umarmt seine Tochter. Ah, meine Tochter!

ANGELIQUE. O Himmel!

ARGAN. Komm! Fürchte dich nicht, ich bin nicht tot. Ja, du bist mein echtes Blut, meine wahre Tochter, und ich freue mich, daß ich dein gutes Gemüt erkannt habe.


Quelle:
Molière: Der eingebildete Kranke. Leipzig 1945, S. 72-73.
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