Brief an Georg Hirschfeld

Mein lieber teurer Georg,


Die Dreckseelen, die über Dich einzigen Kerl sich ausgegeifert haben, haben mich ganz krank gemacht. Ich kann mich immer noch nicht fassen und stehe wieder einmal vor einem Ekel vor der »Welt, dieser Großstadtwelt, der mir den Atem benimmt. Aber nimm Dir's nicht zu Herzen, lieber Kerl, denk' an Böcklin, Klinger, Hauptmann und jeden ändern Charakterkopf, den die Menschen bei seinem Auftreten besudelt haben . . . Lieber Junge, Du lachst vielleicht schon über den ganzen Chorus – aber verzeih ich mußte mich hier erleichtern, ich war' Ja fast umgekommen heut Nachmittag.

Leb wohl Bruderherz, grüß die Deinen!


Dein Christian.


14.V.95.


Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 3, Basel 1971–1973.
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