[109] Auri Sacra Fames.

[109] Schrieb der Emeritus mit ein wenig Bleistift auf des alten Hartknopfs Leichenstein.

O du verfluchter Durst nach Gold! von welchem Satan stammst du her? War es nicht jener gefallne Geist, der statt sein Auge zu Gott seinem Urheber emporzuheben, nur immer auf das goldne Estrich des Himmels seine Blicke heftete, ehe die Hand des Ewigen ihn in den Abgrund hinunter schleuderte?

Ein jeder, der die ächte Weißheit suchte, kam an diesen Scheideweg – wenige vermieden den zur Linken –

Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwähler.

Hier liegt der Grenzstein, der die Weißheit von der Thorheit scheidet – ein ungeheurer Klumpen Gold – wer ihn mit Gleichmuth betrachtet und vorübergeht – den hat die Weißheit schon in der Wiege angelächelt, und ihn zu ihrem Schüler eingeweiht – den leitet sein guter Genius zum Ziele hin, und läßt ihn den ächten Stein der Weisen finden, den Hartknopfs[110] Vater vergeblich gesucht hatte, weil sein Sohn ihn einst finden sollte.

Der den Vater verworfen hatte, der hatte den Sohn erwählet – es mußte ein solcher Vater seyn, um einen solchen Sohn zu zeugen! – aber auch eine solche Mutter, wie Hartknopfs Mutter war – saust und mild, wie das Abendroth – sie welkte dahin, nachdem sie diesen einzigen Sohn gebohren hatte – sie hatte mit ihm ihr Ziel erreicht:


Denn nach Unsterblichkeit sehnet sich nur der Himmelgebohrne,

Aber Vernichtung ist süß dem müden Waller im Staube


Wäre Hartknopfs Vater den Goldklumpen vorbeigegangen – – Doch er ist es nun einmal nicht – seine Asche ruhe im Frieden!

Tausende sind wie er von der rechten Bahn abgewichen, und welchen noch täglich davon ab – denn blendend und lockend ist die Frucht des Baumes, von dem da nicht essen sollst, wenn du nicht willst eines doppelten Todes sterben.

Gold siegt über die Kraft des Eisens – sprengt Schlösser auf; hält Schwerdter in den[111] Scheiden – löset das Verbundne auf, und bindet das Gelößte wieder – bildet Armeen – bauet Städte; läßt Palläste himmelan steigen – befestiget Könige auf ihren Thronen und stürzt sie herab – welch ein allmächtiges Spielwerk ist das Gold in der Hand des Sterblichen!

Was Wunder, daß Thoren bis zu ihrem letzten Athemzuge darnach die Hände ausstrecken, und Weisen Mühe haben, hier nicht Thoren zu seyn! Was Wunder daß oft selbst der mißverstandne Bund der Weißheit und der Tugend im Chor der arbeitsamen Sänger, nach diesem höchsten Gute zu streben heischt, wie ein Irrlicht durch seinen falschen Schimmer auch zuweilen das Auge des vorsichtigen Wandrers blendet, und ihn in Sümpfe und Moräste führt, wo sein Fuß keinen Grund mehr findet, und er ohne Rettung versinken muß.

Verstopfet eure Ohren, ihr Schüler der Weißheit, vor dem heisern Geschrei der falschen Wegweiser, die euch zu dem Quell führen wollen, woraus Gold unter dem dreifach gestalteten röthlichen Quaderstein in hellen Strömen hervorquillt –[112]

Horcht nicht auf ihre Stimme – der Goldstrom ist nicht rein – die Quelle ist getrübt – und der röthliche Quaderstein ist mit falschen Farben angestrichen – ein Betrüger hat ihn hingewälzt – den rechten hat eine unsichtbare Hand hinweggenommen.

Quelle:
Karl Philipp Moritz: Andreas Hartkopf. Eine Allegorie, Berlin 1786, S. 109-113.
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